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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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2. Aprilheft
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Pazaurek, Gustav Edmund: Württembergische Glas- und Edelsteinschneider, [3]: eine Untersuchung
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0322

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Arbeiten28), nach der damaligen Mode vielfach^griechisch
signiert („NATTEP sxolstf“ oder ,,'TSpa“, gleich ‘Wasser-
schlange, „Natter“), sind in den verschiedenen fürstlichen
Antikenkabinetten und Gemmensammlungen zerstreut.
Es sind teils Porträt- oder Wappengemmen,
die auf Bestellung seiner höfischen Auftrag-
geber entstanden, auch Porträts anderer her-
vorragenden Zeit-
genossen (Abb. 7, a
u. b),wie des däni-
schen Graf. Moltke
od. des berühmten
Wiener Arztes G.
van Swieten, teils
Allegorien, wie die
„siegende Britan-
nia“ in fünf Lagen
(1748), teils u. z.
weitaus vorwie-
gend Karneol-In- Abb. 8a.

taglien und andere
Gemmen mit mythologischen Vorwürfen (Abb. 8, a-c), ganz im
Charakter altgriechischer Originale, denen er sich möglichst
eng anzuschließen trachtet. Ja diese Anpassung geht so
weit, daß man in mehreren Fällen sogar von bewußten

Fälschungen, selbst mit
antiken Signaturen (von
Sosikles, Aspasios, Dios-
kurides u. a.), sprechen
muß, weshalb wir uns
nicht wundern können,
daß mancheZeitgenossen,
z. B. Winkelmann, bei
aller Anerkennung der
bedeutenden Qualität von
Natters Arbeiten, auf ihn
nicht gut zu sprechen
sind. — Dem heutigen
württembergischen Ge-
biet gehört Natter,
zum Unterschiede von
Schaupp, nur der Geburt
nach an; seine ganze
Entwickelung stempelt
ihn zum internationalen Künstler, der in seiner Freizügig-
keit selbst die weitestgereisten deutschböhmischen Glas-
schneider in den Schatten stellt; stilistisch ist er eben
durch seine Beziehungen zu italienischen und englischen
Altertumsfreunden seiner Heimat um fast zwei Menschen-
alter vorausgeeilt.

Auch in andern ehemaligen Reichsstädten, die nun
zu Württemberg gehören, sind Edelstein- und Glas-

Signierte antikisierende Intaglios von J. L. Natter, f 1763

Vergrößert nach den Abdrücken im Museum von Biberach.

Abb. 8b. Signierter antikisierender
Intaglio von J. L. Natter, f 1763.

Vergrößert nach dem Abdruck im Museum
von Biberach.

28) Auch in der Technik bleibt Natter ganz beim Verfahren
der Alten, also beim rotierenden Kupferrädchen. — Die Angabe
von F. Chr. von Scheib (Orestrio von den drey Künsten . . .
Wien 1744; zitiert in der Neuen Bibliothek der schönen Wissen-
schaften und Künste XVI (1774) S. 256 ff.), Natter hätte sich nur
des rotierenden eisernen Nagels von verschiedenen Spitzen (Knöpf-
chen) mit Demantpulver, nicht des Schmirgels bedient, muß offen-
bar nur auf Ausnahmefälle eingeschränkt werden.

Schneider tätig gewesen. In Schwäbisch-G m ü n d 29)
waren die „Cristallein“-Arbeiter, später auch geradezu
„Cristallinschneider“ genannt, seit dem ausgehenden
Mittelalter als Konkurrenten der Augsteindreher und Aug-
steinschneider (die den in der Nähe, bei
Durlangen und Boll, gefundenen schwarzen
Augstein oder Agat oder die Pechkohle

verarbeiteten) wie
die späteren „Ala-
basterer“ lediglich
in besonderen
Zünften vereinigte
Rosenkranz- oder
Halsketten-Erzeu-
ger, deren Pater-
noster-Kränze(auch
kurz „Nüster“ ge-
nannt) im Laufe
des 16. Jahrhun-
derts ab und zu
auch aus venezia-
nischem Glas („Zogen-Werk“, gleich Röhren oder
Stangen von verschiedener Farbe für den überseeischen
Export) geschliffen wurden; mit den Krystall- oder
Glasgefäßen haben sie nach den uns erhaltenen
Eidbüchern und Zunftord-
nungen garnichts zu tun
gehabt. Und doch wird
uns berichtet30), daß der
Goldschmied Hans Weß-
1 e r (f 1632), dem die Ein-
führung des Glasschnittes
in Nürnberg31) zugeschrie-
ben wird, auch in Schwä-
bisch-Gmtind tätig gewesen
sein soll, wenn sich dies
bisher auch nicht urkund-
lich belegen ließ32); irgend
einen Einfluß auf den
Gefäßschnitt hat er jeden-
falls in Gmünd nicht
zurückgelassen. Auch mit
einer anderen Nachricht, die
einen ungefähr gleichzeitigen

Kunsthandwerker berührt, ist nichts anzufangen: Der
Stempelschneider des Erzherzogs Ferdinand von Tirol,
P. Hartenbeck, ist 1594 in Gmünd geboren33). Wenn auch

2!l) R. Weser (damals Kaplan in Gmünd); Die Augsteindreher
und Kristallarbeiter in Gmünd (Remszeitung, 1910 Nr. 297—299)
mit eingehenden Darlegungen, besonders der Zunftverhältnisse,
aber auch der technischen Vorgänge auf urkundlicher Grundlage.

30) Emil von Schauß: Catalog der Schatzkammer zu München
(1879) S. 78.

31) Andreas Gulden (1606—83) in den Quellenschriften für
Kunstgeschichte X. S. 204, darnach bei P. R6e: Nürnberg (Be-
rühmte Kunststätten) S. 204.

32) Liebenswürdige Feststellung des Herrn Vikars Dr. Stiegele
in Gmünd, dem für seine Bemühungen vielmals gedankt sei.

33) E. Gradmann: Kunst- u. Altertumsdenkmale v. Württem-
berg; Jagstkreis. S. 356. Anm.; nach Klaus in den Württ. Jahr-
büchern 1902.

Abb. 8c. Signierter antikisierende
Intaglio von J. L. Natter, f 1763.

Vergrößert nach dem Abdruck im Museum
von Biberach.

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