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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

DOI Heft:
2. Aprilheft
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Kunstausstellungen / Kunstauktionen / Aus der Museums- und Sammlerwelt / Aus der Kunstwelt Italiens / Schweizerische Kunstchronik / Vom Londoner Kunstmarkt / Aus dem Pariser Kunstleben / Die Künstlerische Briefmarke / Die Stickerei-Stube der Frau Irene Eucken / Neuerscheinungen des Büchermarktes / Aus der Künstlerwelt / Denkmalpflege und Heimatschutz
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0328

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0. van Honthorst.

Aus Rud. Bangels 1000. Katalog.

Die kün{Hem{cbe ßctefmacke-

Man schreibt uns aus Stuttgart: Im Landes-

gewerbemuseum werden die zum Wettbewerb für die
beiden Abschiedsserien Württembergischer Dienstmarken ein-
gegangenen Entwürfe im Rahmen einer allgemeinen Ausstellung
Württembergischer Briefmarken vorgeführt. Das Ergebnis des
Wettbewerbs wurde schon mitgeteilt. Die Tatsache, daß aus ihm
sowohl die ersten stilisierten Landschaftsmarken als die ersten
stilisierten Tiermarken hervorgingen, sichern ihm eine bleibende
Bedeutung in der Entwicklungsgeschichte der künstlerischen
Briefmarke. Daneben wurden Arbeiten der Offenbacher Schreiber-
schule gezeigt, an deren Stelle neuerdings die Ergebnisse des
Wettbewerbs Schlüter für radierte Exlibris getreten sind. J.

Die Stickerei - Stube der Frau Irene
6ucken.

Ein Mitarbeiter des „Kunstwanderers“ besuchte in diesen
Tagen die Stickerei-Stube, die von der Gemahlin des großen
Jenaer Gelehrten Geheimrat Professor Dr. Eucken in Jena ein-
gerichtet worden ist. Er schreibt uns hierüber: ln echter An-
gleichung an die völkerversöhnenden Bestrebungen ihres be-
rühmten Lebensgefährten hat Frau Eucken sich das Ziel gesetzt,
die eigene künstlerische Begabung zu verwerten, um dem Kunst-
Fleiß mitteldeutscher Hausfrauen einen Weg aus der wirtschaft-
lichen Not zu bahnen, indem sie dem Auslande vorbildliche
künstlerische Kleidung und Handarbeiten vermittelt und in der
Erfindung und Ausführung von feinen Handdruckmustern meist
in Verbindung mit modernen Stickereien auch der deutschen
Textiltechnik neue Wege weist. Jedes Stück der Sammlung von
Vorbildern, die man in diesem Atelier sieht, ist ein Zeugnis
seltenen Farbensinnes und vornehmen Geschmacks in der Zu-
sammenstellung der Stoffe. Frau Eucken hat zwei wichtige Auf-

gaben gelöst: Schlechthin unübertrefflich wertvolle Kleidung für
den besten Geschmack zu schaffen und künstlerische Gestaltung
einfacher Stoffe durch neuartige technische Wege. Die Künstlerin
hat bereits Aufträge von Amerika bekommen und wird den
Namen der „Stickerei-Stube Jena“ sicherlich zu Ehren bringen,
da sie eine Anzahl wirklich schöpferischer Mitarbeiterinnen
heranzieht. Thüringen birgt ja manche Perle weiblicher Kunst-
fertigkeit. Die Jenaer Stickerei-Stube war auf der Leipziger
Messe sehr erfolgreich und wird auch die Breslauer und Frank-
furter Messen im Rahmen des Wirtschaftsbundes deutscher
Kunsthandwerker, Norddeutsche Gruppe, beschicken.

G. C. St.

Heuec{cf)etnungen des Bücbeemacktes.

DieLegendevom heil. Riesen Christophorus
in der Graphik des 15. und 16. Jahrhunderts. Ein
entwicklungsgeschichtlicher Versuch von Ernst Konrad
Stahl (Textband und Tafelband), München 1920, Verlag der
J. J. Lentnerschen Buchhandlung.

Eine ikonographische Analyse, die sich im Untertitel als
einen entwicklungsgeschichtlichen Versuch bezeichnet, will damit
anzeigen, daß sie über die bloß gegenständliche und chrono-
logische Bearbeitung ihres Themas hinaus einen Beitrag zur
Stilgeschichte zu liefern beansprucht. Und das. bedeutet nicht
nur die Erfüllung einer von der modernen Kunstwissenschaft
einmütig erhobenen Forderung, sondern eine Rechtfertigung der
ikonographischen Kunstgeschichtsschreibung überhaupt. Stahls
Christophorusbuch ist eine in mancher Beziehung mustergültige
Arbeit, ein Schulbeispiel u. a. auch für die Problematik der
kunsthistorischen Methodologie. Darum sei sie vorweg allen
empfohlen, denen die Methode der Kunstgeschichte tieferen
Interesses wert erscheint. Ob man dem ganzen Komplex der
methodologischen Probleme, der sich an diesem Buch aufrollen
läßt, skeptisch gegenübersteht, oder ob man nun gar eine
Leistung, die in ihrer ungewöhnlichen Gründlichkeit und Um-
fänglichkeit nur als Vorstudie zu einem monumentalen corpus
sancti Christophori gelten will, geradezu aufreizend empfindet,
in jedem Fall wird man das Buch nicht ohne Nutzen lesen.

Zu seinem Vorzug, eine lückenlose Darstellung des kunst-
geschichtlichen Tatbestandes zu geben, kommt ein weiterer, der
es über alle Bearbeitungen des gleichen Stoffes oder ähnlicher
Themen erhebt: auf der durch ikonographische Analyse ge-
wonnenen, denkbar zuverlässigen Grundlage gelangt es zu form-
psychologischen und formgenealogischen Ergebnissen, die der
Aufhellung bedeutsamer kunstgeschichtlicher und darüber hinaus
geistesgeschichtlicher Zusammenhänge dienen. So liefert es z. B.
wertvolle Bausteine zur Geschichte der Typenwanderung und
Typenwandlung des ausgehenden Mittelalters zum besonderen
Nutzen der Spezialforschung auf dem Gebiet der Graphik des
frühen fünfzehnten Jahrhunderts. Nicht so sicher läßt es sich
behaupten, daß Stahl ein anderes Ziel, nämlich an Hand eines
sehr exakt abgegrenzten Materials zu den „allgemeingültigen
Form- und Kompositionsgesetzen“, wie sie Wölfflin in seinen
kunstgeschichtlichen Grundbegriffen formuliert hat, sozusagen
die Probe aufs Exempel zu machen, geradenwegs erreicht. Eine
großzügige Disposition verfolgt das Thema nach allen Richtungen,
holt weit aus und dringt tief in die Verzweigungen der künst-
lerischen und geist^sgeschichtlichen Probleme ein. Die Be-
ziehungen zwischen Graphik und „großer Kunst“ werden nie aus
dem Blick verloren und fördern manches Neue zutage, die Ent-
stehung, Fassung und Entwicklung der Motive wird nach der
formalen und psychologischen Seite untersucht und nur wenige
Grenzfragen bleiben unberührt. Im ersten, dem entwicklungs-
geschichtlichen Abschnitt, erfährt das Material eine übersichtliche
Schichtung und Gliederung; in einem katalogmäßigen Teil geht
der Autor auf die Fragen der Datierung, Lokalisierung und
Gruppierung ein. Hier ist es ohne Zweifel das Gebiet des
ältesten Formschnitts, das unser vornehmstes Interesse
verdient.

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