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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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2. Maiheft
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Kunstauktionen / Kunsthistoriker im Kunsthandel / Kunstausstellungen / Gefährdung der Altertumsammlung im Dresdner Großen Garten / Londoner Kunstschau / Aus dem Pariser Kunstleben / Schweizerische Kunstchronik / Vom holländischen Kunstmarkt / Die Künstler im Reichswirtschaftsrat / Bibliographische und bibliophile Notizen
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0368

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In der diesjährigen Tagung des Verbandes Schwei-
zerischer Kunstmuseen, die in Bern stattfand, wurde
der bisherige Präsident Professor Dr. Paul Ganz, der lange
Zeit die Basler Kunstsammlung geleitet hatte, zum Ehrenmitgliede
ernannt. Zum Präsidenten wählte man den Konservator am
Musee d’Art et d’Histoire in Genf Adrien Bovy, zum Vize-
präsidenten den Konservator Dr. Wartmann vom Kunsthause
in Zürich, zum Schriftführer den Konservator Dr. Barth von
der Kunsthalle in Basel. Die Veröffentlichung des „Jahrbuches
für Kunst und Kunstpflege in der Schweiz“ kann vorläufig nicht
stattfinden.

Hodtct?s Grabmal.

Johannes Widmer schreibt der N. Z. Z. aus Genf: Zufall
mehr als Absicht führte mich am Sonntag vor der Völkerbunds-
abstimmung an die Jonction, ins Bois de la Bätie, an den immer
noch tief im Bau befindlichen Pont Butin, der mit gewaltiger
Spannweite die Rhone überbrücken und zugleich ein herrliches
Bild schaffen und eins zerstören wird. Dann fiel mir ein, daß
nun wohl ein Grabmal, zu dem ich schon 1919 gewallfahrtet, zur
Vollendung gediehen sei, das Ferdinand Hodlers im Friedhofe
St. Georges.

Es ist vollendet. Nah an der südöstlichen Ecke steht es
und fällt sofort in die Augen. Wer sich nähert, fühlt sich zuerst
von der glatten und gerade deshalb unerbittlichen Härte des
schwarzen Marmors belastet und erkältet, mag sich die Sonne
noch so gleißend und glühend auf der mächtigen dem Rückbau
vorgelagerten Grabplatte spiegeln. Tritt der Pilger näher und
stellt sich, wie der Meister es immer haben wollte, gerade vor
die zu betrachtende Sache, dann sieht er folgendes:

Die Gattin des Künstlers hat eines seiner Werke, das „Lied
aus der Ferne“ (in der Fassung, die aus dem Museum in
St. Gallen bekannt ist), in verjüngtem aber vollkommen befriedi-
gendem Maßstabe von einem bewährten Schüler und Freunde

Bartolozzi, Marie Christine, Archiduchesse d’Autriche

Auktion bei Hollstein und Puppel, Berlin

Hodlers, dem Genfer Maler A. Schmid-Allard, treu nachbilden
lassen. Vielleicht, daß der Abstand zwischen Marmorumrahmung
und Freske nach Farbe und Materie sich um eine Note zu sehr
aufdrängt; die Ruhe des Gemäldes, seine Erhabenheit, die Wieder-
kehr der frühlingshaften Vegetation des Bildes in der Umgebung,
sie mildern, jedes nach seiner Weise, die entstandene Härte und
schaffen mitten in dem steinstarrenden Gefilde eine Oase reiner
Freude, ungebrochenen Suchens, hingebenden Dankes für das
erreichte Schöne. Die Schreitende ist wie ein Genius, der ein
schönes Großes erfuhr, und, die Arme zur holden Bereitschaft
ausgebreitet, es neu, es ewig wieder erhofft. In der lustigen
Freiheit, in der das Fresko an der Wand schimmert, werden
einem Dinge deutlich, die man so stark sonst wohl noch nie
empfunden hatte. Erstens die Kraft Hodlers, es mit der Natur
gelassen aufzunehmen. Zweitens die organische Sicherheit, mit
der seine Gestalten im All stehen und gehen, nicht starr wie die
Alten, oder windbewegt wie die Neuesten, sondern kräftig-
schmiegsam, wie Bäume, die sich neigen, um wieder zu steigen.
Drittens die geistvolle Erschaffung einer Erde, in der mittelalter-
licher Dekorationsstil und bernische Heimatluft und Gegenwarts-
freude gleichen Anteil haben.

Dom f)oUändt{cben Kunftmaükt

Det?(?eigecung bei peed. jvtullee & Co.

Aus Amsterdam wird uns berichtet: Die Frühjahrs-
auktion bei Fred. Müller & Co. brachte Gemälde und
Antiquitäten verschiedenster Herkunft. Größere einheitliche
Sammlungen von einem bestimmten, ausgesprochenen Charakter
sind überhaupt seit längerer Zeit hier nicht mehr zur Ver-
steigerung gelangt. Die Gemälde, die diesmal auf den Markt
kamen, entstammten z. B. nicht weniger als sechs Sammlungen,
bei denen nur in einem Falle der Name des Besitzers genannt
war. Das Kunstgewerbe war in ähnlicher Weise aus den ver-
schiedensten Nachläßen und Sammlungen zusammengewürfelt.
Unter den Gemälden überwiegen wie stets die Holländer des
XVII. Jahrhunderts, deren Produktion nach der hier in Amsterdam
jahrein jahraus auf den Markt geworfenen Werken zu schließen
schier unerschöpflich gewesen sein muß. Daneben kamen auch
einige niederländische Primitive vor, die ganz ansehnliche Preise
erzielten; das Verständnis und das Interesse dafür scheint end-
lich auch hier etwas im Zunehmen begriffen. Ja, für einen
Primitiven, obendrein das Fragment eines größeren Werkes,
einen Stifterkopf mit seinem Schutzpatron, von van den Goes,
wurde sogar der höchste Preis bezahlt: 40 000 Fl. (No. 66)
Das Ryksmuseum, das dies kleine Werk jahrelang als Leihgabe
ausgestellt hatte (No. 984a), verfügte leider nicht über die
Mittel, das Bild für sich zu erwerben. Auch ein anderes Werk
eines frühen Niederländers, das jüngste Gesicht von Jakob van
Laethem, das sich bis in den Beginn des XIX. Jahrhunderts im
Rathause der holländischen Stadt Zierikzee befunden hatte und
das deshalb doch schon seinem Stammlande hätte erhalten
werden sollen, mußte sich das an primitiven Holländern so arme
Ryksmuseum entgehen lassen. Das Brüsseler Museum, für das
das Bild allerdings auch ein ganz besonderes Interesse hatte,
weil die dazu gehörigen Flügelbilder, die Bildnisse Philipps des
Schönen und der Johanna der Wahnsinnigen besitzt, war so
glücklich, dasselbe für 4 000 FL zu erstehen (No. 26).

Recht hoch bewertet wurde von primitiven Meistern ein
Triptychon, das — warum, war nicht ersichtlich — der Haarlemer
Schule zugesprochen wurde (No 80), das es auf 12 000 FL
brachte. Auch für das Triptychon des Michel de Cocxie (No. 77)
wurde ein ganz stattlicher Preis gezahlt: 13300 Fl. Von andern
Primitiven erwähnen wir noch eine kleine Verkündigung im alten
gotischem Rahmen, aus der Schule Rogiers van der Weyden, ein
Derivat des Münchener Bildes (No. 48): 2 600 FL; das Triptychon
eines unbekannten flämischen Meisters aus der ersten Hälfte des
XVI. Jahrhunderts mit der Kreuzabnahme als Mittelstück (No. 39):
1050 FL, das Triptychon eines van Orley-Schülers mit der An-

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