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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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2. Juniheft
DOI Artikel:
Aus der Museums- und Sammlerwelt / Kunstausstellungen / Kunstauktionen / Die Newyorker Renoir-Fälschungen / Londoner Kunstschau / Schweizerische Kunstchronik / Aus dem Pariser Kunstleben / Abbau der Breslauer Denkmäler / Das Münzwesen von Danzig / Neue böhmische Kunstgläser / Ein Archiv des Krieges und der Revolution / Eine Gewerkschaft der Leipziger Künstler / Künstlerstipendien der Ernst Keil-Stiftung / Bibliographische und bibliophile Notizen / Neuerscheinungen des Büchermarktes
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0410

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Die moderne Kunstrichtung sah man hauptsächlich vertreten
in den Gläsern, die nach Entwürfen der Staatsfachschule für
Glasindustrie in H a i d a von Franz Xaver Henke in Haida her-
gestellt werden. Neben ihrer Spezialität, Vasen mit Landschafts-
dekor, bemerkte man hier noch altböhmische Egermanngläser,
sowie' Kopien alter Gläser in Silbergelb mit Gravur (Jagdgläser)
und Altwiener Dekorgläser, aber auch imitierte antike Muster.
Nach Entwürfen der Staatsfachschule in Steinschönau,
die das moderne Genre pflegt, ohne in das Extrem unkünst-
lerischer Phantastereien zu verfallen, waren die Kunstgläser ver-
schiedenster Art von Conrath und Liebsch (Steinschönau) aus-
geführt. Die Kunstgläser, die nach den Entwürfen genannter
Fachschule hergestellt werden, erhalten dadurch einen bleibenden
Wert, daß jedes einzelne die Marke der Schule sowohl, als auch
die des Künstlers trägt, also gewissermaßen als „echt“ signiert ist.

Der antike Genre in böhmischen Kunstgläsern fand seine
stärkste Vertretung in Julius Mühlhaus & Co. in Haida. Engel-
brechtgläser zeigten Motive nach Kupferstichen Martin Engel-
brechts in Echtgold und Federzeichnung, Stöltzner-Gläser waren
nach Motiven aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts in Hand-
malerei in Echtgold und Transparentfarben hergestellt. Recht
apart waren Hispania-Spitze (nach einer spanischen Applikations-
stickerei der Spätrenaissance, Blau mit Gold), Kaiserreif (Dekor
in echt Poliergold nach einem Trinkgefäß aus der Zeit der
Befreiungskriege, Dekor Gloriette, ein Altwiener Motiv nach einer
Urne in der Gloriette des Schönbrunner Schlosses, Dekor Chora,
ein byzantinisches Motiv einer Moscheelampe von Damarkus
(15. Jahrh.), ein wahres Prachtstück von ganz besonderem Reiz,
einige herrliche Gläser mit dem Dekor der „Schäferin“ von An-
gelika Kaufmann, ferner Dekor Palladina nach dem Motiv eines
Seidengewebes der Renaissance in Echtgold und transparenter
Emaille, Keyll-Gläser (nach einem Original von Johann Keyll,
einem Schüler Schapers) in entzückender Goldmusterung, Attem-
stetters Juwel (nach einer mit Email eingelegter Goldschmiede-
arbeit Attemstetters [um 1600]), Kaiserin Maria Theresia-Gläser
im Stil bäuerlicher Volkskunst (um 1750), das Juwelenornament
des Malers Hettlinger (um 1789), Alt-Karlsbad, antiker Dekor in
Echtgold und Schwarzemail nach alten Humpen, Dekor Damastina
(nach dem Ornament eines Seidengewebes (um 1700); auch die
massiven Amethystgläser mit Rokokoschliff sind von wunderbarer
Wirkung. P. S.

6tn Accbto des Krieges und det?
Reoolutioru

Von hoher Bedeutung für die Geschichte des Krieges und
der Revolution ist das Kriegsarchiv der Universitäts-
bibliothek zu Jena. Das Archiv schloß seine Sammel-
tätigkeit nicht mit dem Ende des Krieges ab, sondern dehnte sie
auch auf das Revolutionsmaterial aus, in der richtigen Erkenntnis,
daß Revolution und Krieg in innerem Zusammenhang stehen.
In den „Mitteilungen des Verbandes deutscher Kriegssammlungen“
(Verlag von Karl W. Hiersemann in Leipzig) wird soeben über
die Jahre 1918/19 des Archivs berichtet. Vorhanden sind jetzt
12 600 Bücher des In- und Auslandes, 700 Zeitschriften in voll-
ständigen Reihen, 400 in Einzelnummern, außerdem 75 Revo-
lutionszeitschriften. Die Kriegszeitungen wurden mit 525 voll-
ständigen Reihen abgeschlossen. Die Abteilung der Textplakate
und Maueranschläge weist etwa 10 0C0 Stück auf, darunter 500
auf die Revolution bezügliche. Die Abteilung der Bilder enthält
1000 Bildplakate, davon etwa 300 Revolutionsplakate, 400 Bilder,
2000 Ansichtskarten, 650 Photographien, ferner das Notgeld
Thüringens und die wertvollsten Stücke aus dem übrigen Deutsch-
land und eine lückenlose Sammlung des belgischen Notgeldes.
Seit Kriegsbeginn wurden 250 ausländische und 43 deutsche
Zeitungen gehalten. Bei Auflösung der Kriegsnachrichtenstelle
wurde der ganze Bestand dem Archiv übergeben. Das Kriegs-
archiv ist mit allen seinen Sammlungen in einen Flügel der
Universitätsbibliothek übergesiedelt, der für diese Zwecke umge-
baut worden ist. Der systematische Katalog ist fertiggestellt;

jetzt ist mit der Ausarbeitung eines Schlagwortkataloges für die
Zeitungsausschnittsammlung begonnen worden. Da 2500 Mappen
zu bearbeiten sind, wird die Fertigstellung dieses Kataloges
sehr lange Zeit in Anspruch nehmen. Dr. St.

6tne Qeiüeckücbaft det? letpEtget?
Künßlet’

Aus Leipzig wird uns geschrieben: Die allerorts regen Be-
strebungen, auch die geistigen Arbeiter auf der Grundlage wirt-
schaftlicher Interessengemeinschaft zu organisieren, haben neuer-
dings in Leipzig zu einem bemerkenswerten Ergebnis geführt.
Der Wirtschaftliche Verband bildender Künstler
Leipzigs bereitet den Zusammenschluß aller Künstler, Kunstge-
werbler und Kunsthandwerker auf gewerkschaftlicher
Grundlage vor. Der Verband wird schon demnächst mit einer
großen Werbetätigkeit — Versammlungen, Plakaten u. a. — Vor-
gehen; eine Anzahl bekannter Leipziger Künstler hat sich in den
Dienst der gemeinsamen Sache gestellt.

Künlfleclftpendien deü 6m{l Keile
Stiftung.

Aus Leipzig wird uns geschrieben: Um das Andenken an
den Schöpfer der „Gartenlaube“, den Verlagsbuchhändler und
Redakteur Ernst Keil zu ehren, hat eine verstorbene Tochter,
Frau Elsbeth Teichmann geb. Keil, eine Stiftung mit einem
Vermögen von 1 701 600 Mark errichtet. Die Stiftung soll die Be-
strebungen Ernst Keils lebendig erhalten und fördern, die darauf
gerichtet waren, in jedem Deutschen auf gesunder, streng sittlicher
und religiös freisinniger Grundlage, Gemüts- und Herzensbildung
zu vertiefen, die wissenschaftliche Aufklärung zu erweitern und
vor allem die Liebe zum Vaterlande zu stärken, auch daran mit-
zuwirken, das ganze Volk in einem geeinigten großen Deutschland
unter freiheitlicher Gestaltung seiner politischen Rechte für die
Erfüllung seiner hohen nationalen und kulturellen Aufgaben tüchtig
zu machen. In diesem Geiste sollen alle Entscheidungen über
die Verwendung der Stiftungsgelder getroffen werden. Über die
Verwendung der Erträgnisse ist bestimmt worden, daß mit je 5
bis 3 v. H. Schriftsteller und Schriftstellerinnen,
Leipziger Buchhändler, Buchhandlungsgehilfen
und Markthelfer, die unverschuldet in Not geraten sind, unter-
stützt werden. 30 v. H. sollen zu Preisen für Verfasser oder
Verfasserinnen von Werken, die im Sinne der Bestrebungrn Ernst
Keils abgefaßt sind, verwendet werden, 20 v. H. zu Stipendien
für jüngere mittellose aufstrebende Schriftsteller und Schriftstelle-
rinnen, 15 v. H. zu Stipendien für Künstler und Künst-
lerinnen, 10 v. H. zu Ankäufen für das Leipziger Museum
der bildenden Künste und das Leipziger Kunstgewerbemusum.
Mit 10 v. H. soll das Stammvermögen der Stiftung vermehrt wer-
den, bis es den Betrag von 5 Millionen Mark erreicht hat. Die
Stiftung wird vom Rat der Stadt Leipzig verwaltet.

Dr. St.

Bibliogt’apbtücbe
und Bibliophile Jdotisen.

Ein engerer und ein weiterer Begriff pflegt dem Worte
„Gesellschaft“ beigelegt zu werden. In diesem bezeichnet es das
soziale Element der Kultur, das Gemeinschaftswesen der Mensch-
heit, in jenem eine sich ständig erneuernde Erscheinung aller
Zivilisationen, mögen sie sich nun auf die Einzelpersönlichkeits-
entwicklung oder auf die Massenschwergewichtsveränderungen
gründen: daß nämlich stets allerlei Kreise an die Oberfläche
der Völkermeere steigen, dort einander abstossen und anziehen,
verbünden und verjagen, kürzere oder längere Zeit den Anspruch
behaupten, bestimmter Ausdruck kultureller Gesellschaftsgestaltung
zu sein. Man pflegt nun die festeste Gesellschaftsform einer
Zivilisation die „Gesellschaft“ zu nennen, obschon es überall da,

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