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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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1./2. Juliheft
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Aus der Museums- und Sammlerwelt / Das staatliche Bauhaus in Weimar / Kunstausstellungen / Kunstauktionen / Aus der Künstlerwelt / Schweizerische Kunstchronik / Londoner Kunstschau / Aus dem Pariser Kunstleben / Neuerscheinungen des Büchermarktes / Seltene Autographen / Ein Archiv für Ärztebriefe / Fünf Andersen-Manuskripte aufgefunden / Entwicklung der deutschen Bücherei / Zwei Rembrandt der Sammlung Six in Amsterdam versteigert / Das deutsche Buch auf der finnländischen Messe / Die Hagia Sophia in Gefahr / Moderne Graphik / Neues vom Kunstantiquariat / Der Hamburger Künstlerrat an dem Reichstag / Der Kunstsammler Fritz von Gans † / Kleine Kunstnachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0438

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Heu eüfcbemungendes Bücbeemacktes-

Albrecht Dürer der Kupferstecher und
Holzschnittzeichner von Max J. Friedländer,
Berlin, im Verlag von Julius Bard 1919.

Friedländers internationaler Name — und Msx J Friedländer
ist nach Bode der von der internationalen Kunstwelt geschätzteste
deutsche Kunstkenner — wird durch sein Werk „Albrecht Dürer
der Kupferstecher und Holzschnittzeichner“ noch stärker. Jene,
die den Meister nicht voll verstehen mögen, führt der Berliner
Kenner mit geistiger Klarheit und einer sprachlichen Schönheit,
wie man sie allen gelehrten Abhandlungen wünschen möchte,
über jegliche Bedenken hinweg, und jenen wieder, die ihren
Dürer längst intus haben, gibt er eine Riesenfülle von neuem, an-
regenden Studienmaterial. Eins ist allerdings sehr zu bedauern:
daß dieses trotz Papiernot und anderen Schwierigkeiten von der
Reichsdruckerei unerhört opulent gedruckte und illustrierte Werk
bloß einigen Hunderten zugänglich ist. Dem aber wäre abzu-
heffen. Der Bardsche Verlag, der keine Mittel scheute, um
Friedländers Dürer - Werk in so herrlichem Gewände heraus-
zubringen, könnte eine Art von populärer Ausgabe schaffen,
müßte es eigentlich tun, um schon dem Ausland zu zeigen,
wie weit die Forschung heute in Deutschland ist und wie man
es anzupacken hat, um ihre Ergebnisse auch breiteren Kreisen
mundgerecht zu machen. Hoffentlich fallen bis dahin auch die
etwas peinlichen Valuta-Bestimmungen, die der Leipziger Buch-
händlerbörsenverein gegenüber dem Ausland ins Leben rief und
die ganz dazu angetan sind, den guten alten deutschen Buch-
handel außerhalb Deutschlands totzuschlagen.

Im Vorwort zu seinem Dürer präzisiert Friedländer seinen
„Versuch“, aus der „gedruckten Kunst“ des Meisters „Entwicklung
sichtbar zu machen“. Während Dürers „Malkunst vergleichsweise
gebunden und stumm“ ist, seine Zeichnungen gleichsam „wie ein
Tagebuch“ „reiche Aussage bieten“, aus der man aber doch nicht den
„ganzen Dürer“ erstehen lassen könnte, sind seine Kupferstiche
und Holzschnitte „abgeschlossene Schöpfungen, die der Meister
zeigte und anbot, mit denen er Ansprüchen entsprach und For-
derungen erfüllte, mit denen er ans Ziel gelangt zu sein glaubte
und jeweilig zufrieden war“. Aber während die Zeichnungen „für
sich betrachtet“ ein „wirres Bild“ ergeben, „dem die Ab-
geschlossenheit mangelt“, haben die gedruckten Blätter Dürers
„keine Periode der Nichtbeachtung durchgemacht, sie wurden
stets in Ehren gehalten, selbst als sie dem Zeitgeschmäcke
widerstanden, mindestens soweit das berühmte Monogramm sie
kenntlich machte und schützte“. Und Friedländer spricht dann
von den doppelt „täuschenden Nachbildungen“ der Dürerschen
Blätter, wobei er „nicht an die Gefahr des geschäftlichen Miß-
brauchs“ denkt, sondern nur daran, „daß das Auge gegen die
letzten Feinheiten abgestumpft wird und den unscheinbaren, den-
noch erheblichen Unterschied zwischen den Abbildungen und
den Originalen zu übersehen sich gewöhnt“, und er betont ein-
dringlich, daß auch die beste Heliogravüre „den Glanz, die Rein-
heit und Schärfe des gravierten Striches nicht vollkommen wieder-
gibt, daß die Leuchtkraft und der metallische Schimmer, den
Dürers Stiche in guten Drucken ausstrahlen, auch den besten Ab-
bildungen mangelt“. Er möchte aber auf dem Wege der Repro-
duktion „zu den Originalen hinführen“.

Den „gelehrten Apparat“, Nachweisungen und Polemiken
vermeidet Friedländer im Text. Darauf verweist er ausdrücklich.
Und auch darauf besonders, daß seine Feststellung von des
Meisters Anfängen, die er in den ersten Abschnitten entwickelt,
in der Hauptsache auf Monumenten beruhe, die er für Arbeiten
Dürers hält, „im Widerspruch zu vielen und erfahrenen Fach-
genossen“. „Namentlich auf diesem Gebiete des Streites“, sagt
er, „durfte ich nicht auf Begründung, Andeutung des Forschungs-
wesens und Diskussion verzichten. Aber auch in Bezug der an-
erkannten Werke fehlt es nicht an strittigen Punkten, über die
hinwegzugleiten nicht angängig schien“. Die „Unterlagen seiner
Auffassung“ sind sorgsam und ernst in den vom Text abgeson-
derten „Anmerkungen zu dem Ganzen“ verzeichnet, die selbst

für dem eingefleischtesten Dürer-Forscher- und Sammler eine
Fundgrube kostbarer Einzelheiten bilden. Und daß Friedländer
an diese „Anmerkungen“ noch eine synchronistische Tabelle anfügt,
sei besonders hervorgehoben Hiermit wird zum erstenmal eine
Übersichtstafel über alle Blätter des Meisters gegeben, in der
neben den seit 1496 signierten und seit 1503 monogrammieiten
und datierten Stücken auch die undatierten zeitlich geordnet er-
scheinen.

Friedländer gliedert sein Werk in folgende Abschnitte.
„Jugend, Lehrzeit, Wanderschaft“ heißt der erste Teil. Ihm
folgen: „Der Holzschnitt 1495 - 1501“, „Die Anfänge des Kupfer-
stichs 1502—1505“, „Der Holzschnitt 1507—1515“ und „Der Kupfer-
stich 1507—1514“. Die nachstehenden Kapitel behandeln „Tech-
nische Neuerungen im Kupferstich 1512—1518", Im Dienste des
Kaisers 1512—1519“, „Der Kupferstich zwischen 1516 und 1526“
und „Der Holzschnitt 1517—1528“. Auf die Details dieser mit
feierlichem Ernst und gedankenvoller Wissenschaftlichkeit ge-
schriebenen Kapitel genau einzugehen, verbietet uns der Raum.
Wir möchten aber heraussagen, daß Friedländers Kritik der alten
graphischen Drucke (um nur ein Beispiel zu nennen, seine
Würdigung der Narrenschiffillustration) ein Meisterstück künst-
lerisch-wissenschaftlichen Stilvermögens ist, und wir möchten
nicht unerwähnt lassen, daß er in einem feinen „Schlußwort“ auch
die graphische Arbeit der Gegenwart streift. „Die Heutigen frei-
lich“, sagt Max J. Friedländer, „haben Mühe zu begreifen — und
müssen von dem Historiker dahin geleitet werden — daß Dürers
Neigung zur Zeichnung nicht Mangel oder Verzicht, sondern
Vertiefung, Ausweitung und Entfaltung war. Die Farbe mußte
weichen als Kleid, als Oberfläche dem in die Tiefe dringenden
Beobachter, der den Sinn und den Bau der Dinge suchend, den
bunten Schein als verwirrende Willkür und geistlose Überflüssig-
keit empfand. Die irtneren Bilder mußte Dürer entfärben, räum-
lich zusammenziehen und mit dem Liniennetz fesseln. Sonst
hätte er die anstürmende Fülle nimmermehr bewältigen können.
Eben diese Fülle des zu Bewältigenden ist den Heutigen fremd,
weil in einer Zeit der Spezialisierung der Maler sich entweder
mit dem Spiel der Oberfläche begnügt oder auf das Sinnliche
hochmütig verzichtet. Dürer aber war gewiß „Idealist“ und be-
stimmt „Naturalist“. Erst die Jüngsten ahnen wieder Dürers
Aufgabe, indem sie Auseinanderstrebendes zu vereinigen sich
sehnen. Und die Zukunft wird ein gerechteres Urteil über den
Meister fällen als eine beschaulich ästhetisierende Generation,
die Vernunft und Phantasie, Kunst und Wissenschaft, Geist und
Form säuberlich von einander scheidet.“ A. D.

* *

*

Ernst von Bassermann-Jordan: Uhren. 2. Auf-
lage, Berlin, R. C. Schmidt <£ Co. 1920, Bibliothek für Kunst
und Antiquitätensammler Band 7.

Die Uhr als Kulturerscheinung und in ihren Entwicklungs-
reihen hat in Deutschland erst im letzten Jahrzehnt eine größere
Gemeinde von Sammlern gewonnen. Dabei stehen jene Sammler,
die nur das schmückende Kleid der Uhr für bewahrenswert
halten, in großer Mehrzahl jenen gegenüber, die auch diesem
volkstümlichen Mechanismus in seinen vielfältigen Spielarten der
Technik gerecht werden. Konnte man zum Jahrhundertbeginn
kaum fünf nennenswerte deutsche Uhren - Privatsammlungen
nennen — in den staatlich gepflegten Sammlungen erkennt man
die Uhr als dankeswertes Sammelobjekt viel früher — so ist
heute eine klare Übersicht Uber die deutschen Uhrensammlungen
kaum noch zu gewinnen. Es haben sich schon genügend Sonder-
sammlungen herausgebildet, die entweder eine bestimmte Uhren-
art, einen bestimmten Zeitabschnitt oder ein bestimmtes Erzeu-
gungsgebiet sammeln, ganz abgesehen von jenen Altuhrenkäufern,
welche alte Zeitmesser in allen möglichen Abarten lediglich aN
dekoratives Möbelbeiwerk benutzen. Der Zeitabstand macht die
Antiquität; und die Wertschätzung alter Uhrenkunst mit ihrem
feinen Är vielfältiger und hochentwickelter Handfertigkeit muß
sich steigern, jemehr wir uns von der Zeit des Einsetzens des
maschinellen und gleichheitlichen Erzeugnisses, kurz der Fabrik-
uhr (um 1850) entfernen. Zu dem Erwachen dieser Sammel-

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