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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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2. Augustheft
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Bogeng, Gustav A. E.: Betrachtungen zur Buchkunstbewegung der Gegenwart, [5]: die französische Liebhaberausgabe
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0472

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Holzschnitt desMeisters H V: Darstellung einer Buchdruckerei
Stumpf, Schweizer Chronik. Zürich 1586

Frankfurter Bücherfreund. Joseph Baer & Co., Frankfurt a. M.

aber mußten die ästhetischen Qualitäten des französischen
Kunsteinbandes beinahe automatisch aus den Ver-
feinerungen ihrer technischen Qualitäten sich bereichern.
Ähnliches gilt für die dem Buchbilde dienende Graphik.
Der Holzschnitt war nach einer kurzen Blütezeit in der
ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts zu einem
bloßen Massenvervielfältigungsverfahren geworden und
ebenso der Steindruck, der als Buchausstattungsmittel
eine allgemeinere Anwendung für die beliebte Buchbild-
form der eingedruckten Jllustrationen ohnehin des Druck-
verfahrens wegen nicht hatte finden können. Dann er-
setzten, wie man anfangs meinte, in der zweiten Hälfte
des neunzehnten Jahrhunderts die photomechanischen
Reproduktionsverfahren2) die veralteten Vervielfältigungs-

2) Am meisten hat der künstlerischen Ausnutzung der photo-
mechanischen Reproduktionsverfahren geschadet, daß man sie
wahllos als ein bequemes und billiges Ersatzmittel für die Über-
tragung von Zeichnungen brauchte. Der „elegante“ und „prak-
tische“ Stahlstich, der sich von England her in den dreißiger
Jahren der Jllustratlon bemächtigt hatte und eigene, dem Album
sich nähernde Boudoir-Buchmoden schuf wie die der „Keepsakes“,
hatte zur Abstumpfung des Feingefühls für graphische Buchbild-
werte bereits viel beigetragen, als die fabrikmäßige Bildmassen-
erzeugung einsetzte. Aber wenn auch zum Beispiel die die
Handzeichnungen mechanisch wiedergebenden Strichätzungen nach
alten Vorlagen technisch reizlos sind, so ist damit noch nicht
gesagt, daß nicht auch ein Künstler sich des Strichätzungsver-
fahrens von vornherein bedienen könnte, um mit ihm zu wirken.
Die Behauptung, alle Jllustration der Maschine sei schlecht, die
Interpretation durch einen Holzschneider oder Radierer stets vor-
züglich, wird durch die vielen mißlungenen Holzschnitt- und
Stichvervielfältigungen ausgezeichneter Vorlagen widerlegt. Und
das läßt auch in weiterem Zusammenhänge die Frage offen, ob
ein Künstler bisweilen nicht besser von der Maschine als von
der Hand des Holzschneiders oder Radierers interpretiert wäre.
Die Auffassung der vervielfältigenden Griffelkunstverfahren hat
sich wesentlich geändert. Aus dem getreuen Handlanger, der
etwa noch der Holzschneider des sechzehnten Jahrhunderts war,
ist eine sehr viel selbständigere Persönlichkeit gewesen, die sich
mit ihrer eigenen künstlerischen Leistung nicht ganz und gar aus-

verfahren des Holzschnittes und des Steindruckes durch-
aus. Selbst der geniale Holzschnittkünstler Dore suchte
die malerischen Wirkungen mehr und mehr in seinen
Holzschnitten zu gewinnen und entfernte sich in seinen
späteren Schöpfungen immer weiter von seinen Anfängen
als Buchkünstler. Seine Bemühungen um eine Art Holz-
schnittmalerei wurden in seinen Spätwerken zu einer
Manier, die Mischstile des Tonschnittes entstehen ließ.

schalten kann. Und der Radierer (wofern er nicht zur geschäfts-
mäßigen Routine herabsinkt wie einige der meistbeschäftigt ge-
wesenen Mitarbeiter französischer Liebhaberausgaben des neun-
zehnten und zwanzigsten Jahrhunderts) hat für mancherlei Dinge
die Hand und das Handwerk verloren, die als Feinheiten der
Buchkupfer des achtzehnten Jahrhunderts erfreuen. Es ist kein
Zufall, daß der kalte metallische Ton moderener Buchkupfer oft
den Buchfreund verwundert. Die Änderung der Übersetzung
einer Zeichnung in den Plattendruck, die in dessen Auffassung
liegt, läßt sich nicht durch künstliche Mittel zur buchstäblichen
Treue zwingen. Verlangen wir von dem Buchkupfer die restlose
Wiedergabe einer Zeichnung, dann sind die ausgebildeten Licht-
druckverfahren denjenigen Verfahren vprzuziehen, in denen die
Hand des ersten Buchkünstlers die eines zweiten verlangt,
wünschen wir dagegen das bilddruckmäßige in dem Sinne stärker
hervorgehoben, daß die Zeichnung sich dem Buchdruck assimiliert,
so ist ein Verzicht auf den Holzschnitt kaum möglich, eine An-
passung durch Radierung und Steindruck jedenfalls erwünschter
als die getreueste Wiedergabe einer nicht auf den Druckton ge-
stimmten Zeichnung. Aber die „Kunst“ liegt nicht ausschließlich
in einem edleren oder einfacheren Bildvervielfältigungsverfahren.
Wesentlich ist hier für die mannigfachen Widersprüche zwischen
Bilddruck und Buchdruck auch der Umstand, daß das Buchdruck-
verfahren seit Gutenburg in dem Ergebnis seiner technischen
Leistungsfähigkeit, der Druckseite, kaum verbessert worden ist
(die Fortschritte haben nur die Arbeitsverfahren, nicht deren
Wirkungen ausgebildet) während die Bilddruckverfahren in ver-
schiedener Richtung aesthetisch und technisch weit über die
Anfänge der Wiegendruckzeit hinausgekommen sind. Einmal
haben die photomechanischen Reproduktionstechniken die Fak-
similierungsmöglichkeiten nahezu erschöpft, andererseits hat die
Verbreiterung und Vertiefung der Handverfahren den künstlerischen
Spielraum einer Buchbildwiedergabe ungemein erweitert. In dem
letztgenannten Umstande liegt die Erklärung dafür, daß der
Holzschneider, der Radierer, in ihrer jetzt selbständigen Stellung
die Arbeit der zweiten Hand für das Buchbild durch einen künst-
lerischen Dualismus gefährden, der ebenso fremdes Wesen in die
Arbeit des eigentlichen Buchkünstlers hineinbringen kann wie der
Reproduktionstechniker, wenn dieser ganz und gar vom Buch-
künstler übersehen wurde. Darin liegt dann auch eine Erklärung
für die mehr und mehr sich durchsetzende Bevorzugung der
„Originalgraphik“ für das Buchbild. Auch die Polychromie, für
das Buchbild durch Farbenholzschnitt und Farbenradierung in
ihren feinsten Handverfahren gerade von der französischen Lieb-
haberausgabe sehr ausgebildet, leidet unter den angedeuteten
Schwierigkeiten der künstlerischen Übertragung einer Zeichnung
auf die Druckplatte, die auch eine nicht von der ersten Hand
geübte Virtuosentechnik nicht beseitigen kann. Daher die Um-
kehr zu primitiven Urformen des farbigen Buchbildes, den aus-
gemalten Umrissen, daher die Bevorzugung des farbigen Stein-
druckes. Das im übrigen das farbige Buch dem Druckwerk
durchaus nicht widerspricht, könnten schon die Frühdruckmeister-
werke lehren. Es würde auch die Ausdrucksmittel des Buch-
drucks weit über die des einfarbigen Buches ausdehnen können.
Aber diese angedeuteten Problemstellungen lassen sich ebenso-
wenig in einer Anmerkung auch nur einigermaßen erschöpfend
erörtern, wie sich in ihr die Frage nach den Buchbildverviel-
fältigungsverfahren in ihrem Buchkunstwerte lösen läßt. Alle
(buchmäßigen) Verfahren sind gleich gut, soweit ihre Anwendung
auf die buchmäßigen Wirkungen führt und soweit sie die Absicht
des Buchkünstlers verwirklichen.

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