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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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2. Augustheft
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Aus der Museums- und Sammlerwelt / Künstler und Luxussteuer / Kunstauktionen / Kunstausstellungen / Vom holländischen Kunstmarkt / Kunst in Prag / Schweizerische Kunstchronik / Londoner Kunstschau / Die Frankfurter Kunstmesse / Eine historische Baugruppe / Leipziger Entwurfs- und Modelmesse / Neuerscheinungen des Büchermarktes / Neues vom Kunstantiquariat / Anders Zorn †
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0478

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Preise: (Nr. 150) Th. de Bock, Das Schloß Doorwerth: 575 Fl.;
(Nr. 152) Briet, Inneres eines Bauernhauses: 1 000 Fl.; (Nr. 154)
Eerelman, Schlittenfahrt: 850 Fl.; (Nr. 157) M e s d a g, An-
kunft der Schifferflotte: 1 550 F!.; und (Nr. 176) TerMeuIern,
Hirt mit Schafherde: 850 Fl.

B a t a v u s.

*

In der Bachstitz-Gallery im Haag wurde eine Aus-
stellung von hervorragenden Gemälden der holländischen, eng-
lischen, spanischen und italienischen Schulen eröffnet. Außerdem
werden die Renaissance-Bronzen der Berliner Sammlung Carl
von Hollitscher sowie griechische und römische Antiken
gezeigt. Es heißt auch, daß die Bachstitz-Gallery die Frankfurter
Sammlung Fritz von Gans, die schon 1918/1919 bei Cassirer-
Helbing in Berlin versteigert werden sollte, von den Erben des
kürzlich verstorbenen Sammlers zum Verkauf übernommen habe.
Die deutschen Behörden sollen die Ausfuhrerlaubnis bis auf
Rembrandls inventarisierte „Kreuzabnahme“ und den Rest des
gleichfalls inventarisierten antiken Goldschmucks, den sich Fritz
von Gans bei seiner Antiken-Schenkung für das Berliner Museum
behielt, erteilt haben.

Emil Orlik Böhmisches Dorf

Neue Kunsthandlung, Berlin

Kunff in Prag.

loscf Maries.

Unser Prager Kunstreferent schreibt uns: Das

tschechische Volk hat in diesem Jahre den 100. Geburtstag seines
größten Malers, Josef Manes, gefeiert. Drei Manes-Aus-
stellungen sind jetzt gleichzeitig in Prag zu sehen: alle zu-
sammen geben nur eine Auswahl aus dem Gesamtwerk dieses
Malgenies. Josef Manes ist tatsächlich eine geniale Erscheinung,
ein Künstler von überraschenden und bestrickenden Qualitäten,
ein Schöpfer von elementarer Kraft und natürlicher Laune. Man
begreift nicht, daß sein Name in den Geschichtsbüchern über
europäische Malerei bisher nicht erwähnt wird, daß er erst ent-
deckt werden muß. Man kann es sich nur dadurch erklären, daß
er im eigenen Volke lange nicht die gebührende Würdigung fand.
Bei Lebzeiten blühte ihm überhaupt geringer Erfolg, das scheint
das Schicksal der bedeutenden tschechischen Künstler gewesen
zu sein; das unglückliche Menschenleben Josef Manes endete im
Trübsinn — am hellen Tage irrte er mit einem Kerzenlicht durch
die Prager Straßen, ein tragischer Diogenes — und erst die Im-
pressionisten-Generation der Neunziger Jahre brachte ihn zu
Ehren, indem sie sich zu einem Künstlerbunde unter seinem
Namen zusammenschloß.

Man bewunderte zunächst den Porträtisten Manes.
Aber als Bildnismaler verkörpert er nur die Tradition des Vor-
märzes. Er mag etwa den Wienern Waldmüller und Kriehuber
verwandt sein, ein Meister, der die Höhe seiner Zeit ausdrückt,
ohne sie zu übei ragen und seine Persönlichkeit zur Geltung zu

bringen. Die Bildnisse, die er schafft, sind Werke einer ge-
schmack-sicheren, patrizisch-bürgerlichen Kunst, Dokumente der
böhmischen Biedermeier, die starre Plastik von damals in weicheren
Hauttönen lösend, im Porträt seiner Frau Josefina rubensisch über-
quellend. Man bewunderte auch den Genristen Manes. Aber
auch hier ist er nur Glied in einer Kette. Er läßt sich zum ro-
mantischen München beizählen, das er als junger Mann aufsucht.
Genelli, Spitzweg, Schwind sind nicht ohne Einfluß auf ihn ge-
blieben. Klassizistischen Historismus rasch überwindend, malt
er die gemütliche Welt des naturfreundlichen Schwärmers, Sinnig-
keit und Humor vermählend, wie es Zeitton war, Mondschein-
partien, Landschaften mit Ruinen, ein Liebespaar unterm roten
Schirm, neben einem Ährenfeld lagernd. Was man an impressi-
onistischen Reizen auf den Bildchen Spitzwegs nachträglich zu
schätzen gelernt hat, ist auch bei Manes in vollkommener Skala
vorhanden. Einerseits führt der Weg zurück zum französischen
Rokoko. Die Schloßszenen entstehen, offenbar aus der An-
regung aristokratischen Umgangs (Silva Tarouca), der zärtliche
Pinsel träumt watteauisch; in den Feder-Spielereien des Zyklus
„Das Leben auf einem Herrensitz“, wo nackte rundliche Kinder
die Vergnügungen des Adels mit belustigender Grandezza mimen,
und auf Supraporten tändelt geistreiche Putten-Phantasie. An-
dererseits führt der Weg zu jenem Realismus der „Näherin“,
in der noch ein Stück sentimalen Romans, doch schon das zum
Fenster hereinbrechende Tageslicht Liebermanns enthalten ist.

Man bewunderte schließlich den Schöpfer des Kalendariums
für die altstädter Rathausuhr in Prag. Da hat Josef Manes die
hergebrachte Kultur und seine Zeit verlassen, an Stelle der gesell-
schaftlichen Welt tritt das Volk. Zwölf Monate sind in zwölf
Bildern aus dem Landleben veranschaulicht, in zwölf Idyllen der
Lobgesang auf die Arbeit, die Natur und den einfachen Menschen
angestimmt. Hier schafft Josef Manes etwas Ähnliches wie Sme-
tana in seinen Opern, in denen die Seele des Volkes aufklingt
wie in Volksliedern, sodaß ihre Melodien selbst Volkslieder
werden Manes malt den Slowaken, Bauern und Hirten, Jung-
frauen und Kinder. Der Slowake trägt noch iieute in vielen Ge-
genden seine ererbte farbenselige Tracht, zu Lebzeiten Manes
war er vollends der ursprüngliche Mensch. Manes braucht einen
beliebigen Bauern zu malen, und es wird ein Typus daraus.
Der Menschenschlag, der ihm Modell steht, in herrlicher, furcht-
barer Natur sich fortpflanzend, lebt in paradiesischer Gesundheit;
er ist von einer physischen Vollkommenheit, die das größte ästhe-
tische Wohlgefallen erwecken muß. Die Begeisterung des Malers
begreift man als selbstverständlich, sieht man die unzähligen
Studien, die er in der Slowakei gesammelt hat. Was die Aus-
stellungen nun zeigen, überträgt die Begeisterung auf den Be-
trachter. Welche Galerie von menschlichen Prachtexemplaren,
von Naturkindern! Ein Gauguin mußte bis in die Südsee gehen,
um die Reinheit und Schönheit der Schöpfung wiederzufinden.
Josef Manes findet sie in Mähren und in der Tatra.

Er lebt in der Zeit des nationalen Wiedererwachens der
Tschechen, und er sieht das slowakische Brudervolk nicht allein
mit Künstleraugen, sondern mit dem Liebesempfindcn tiefer
Schicksalsverbundenheit. Man sammelt damals nach dem Vor-
bilde der deutschen Romantiker die tschechischen und slowa-
kischen Volkslieder und schwärmt für patriotische Heldenge-
särnre; Josef Manes illustriert sie. Ihm gelingen so typische

Ankauf □ Angebote erbeten □ Verkauf

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