Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 2.1920/​21

DOI Heft:
1. Oktoberheft
DOI Artikel:
Bogeng, Gustav A. E.: Betrachtungen zur Buchkunstbewegung der Gegenwart, [7]: die französische Liebhaberausgabe
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.27814#0057

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Betrachtungen Eue BuchKunftbeinegung der Qegentuact

III. Die fpariEöftfcbe Liebhaberausgabe *)

oon

0. A. 6. Bogeng

(Schluß.)

[ jie Beziehungen zwischen Buch und Qriffelkunst
haben die Bestimmung der französischen Liebhaber-
ausgabe der Neuzeit derart verändert, daß das Buch fast
nur ein Vorwand des Buchbildes geworden ist, die
Graphik, nicht mehr die Illustration wird in ihr zur
Hauptsache und damit bekommt ein Buchteil die Geltung
eines alleinigen Buchkunstträgers, dem sich alle anderen
Buchteile unterzuordnen haben, weil sich die Illustration
nicht dem Buchganzen, das ihr Leben gibt, unterordnen
will. Unter diesen Verhältnissen
kann freilich die Eingliederung
des Buchbildes in den Satz-
rahmen gar nicht als ein typo-
graphisches Problem empfunden
werden und das überkommene
Schema derVignette muß ebenso
ausreichend erscheinen wie
die Einschätzung des Buch-
schmuckes als ein anderer
Namen für Zierbuchstaben-
fähigkeiten. Während die Illu-
strations-Graphik zur Haupt-
sache wurde, hielt sich die
Typographie unberührt von dem
Ehrgeiz etwaiger Meisterdrucker.

Die Beschäftigung mit der
Druckschrift blieb im neun-
zehnten Jahrhundert auf die
Typenmoden beschränkt, die
sich ablösten. Im Anfänge des
Jahrhunderts waren es die
schönen Didotschriften, die als
neuzeitlich galten, dann kamen
den für das alte Buch geltenden
Sammlerneigungen entsprechend
in den dreißiger Jahren die Imitationsdrucke in „gothischen“
Schriften auf. In den sechziger und siebziger Jahren
herrschte die „E!zevier“type, am Ende des Jahrhunderts
kehrte man wieder zur Didotschrift zurück. Dabei bewies
man ein merkwürdig geringes stilistisches Feingefühl, man
druckte altes und neues schlecht und recht in der gerade
anerkannten historischen Type. Und weil die Druck-
schrift nicht als Ursprung der Satzschönheit verstanden
wurde, gelangte man überhaupt nur zu einer behaupteten
und zu keiner bewußten Kunst im Buchdruck. Erst der
Verleger E. Pelletan besorgte seine Schriftenauswahl nach
bestimmten Gesichtspunkten, weniger nach ästhetischen
freilich (denn ihm genügte die exakte Mechanik der

*) Siehe „Der Kunstwanderer“ 1./2. Juliheft, 2. August-
heft und 2. Septemberheft 1920.

Druckereien) als nach psychologischen. Womit er dann
allerdings glücklich diejenige Tendenz betonte, die von
der Buchkunstbewegung Englands gegenüber der formalen
vernachlässigt wurde. Inwieweit eine Beseelung der Buch-
seite möglich ist, darf dahin gestellt werden. Jedenfalls
ist jedoch ihr innerer Rhythmus von den Ausdruckformen
des Schriftbildes getragen und der Einklang zwischen dem
Textbilde und dem Werkinhalte beruht auch auf mehr
zu empfindenden als zu beweisenden Eigenschaften

einer Druckschrift, deren An-
blick bestimmte Gefühlsreihen
auslöst. Auch die Druckfarbe
hat bei solcher Musik des
Buches ihren vollen Klang,
den Pelletan feinfühlig zu hören
verstand.

Die Abzugshöhe der Auflage
eines Griffelkunstblattes, die,
wenn sie groß ist, dessen Kon-
turen und Töne verwischt, läßt
die Forderung der Frische, die
die epreuves d’artiste und die
tirage avant la lettre haben,
an und für sich als vollberech-
tigt erscheinen. Nur daß auch
mit ihr von vornherein eine
buchhändlerische Spekulation
getrieben wurde, die mit Buch-
kunstforderungen nichts gemein
hat. Wenn es etwa der Ehrgeiz
eines Meisterdruckers ist, eine
Auflage herzustellen, in der
jedes Stück die verlangten Vor-
züge der Auflage hat, hat hier im
Gegenteil schon die Aufstellung
der Vorzugsausgabenreihe den Wunsch, in der Auflage eine
Reihe von Ausgabenpreisen zu bilden, deren Verschieden-
heiten künstlich durch unnütze Vervielfältigungen ge-
schaffen und in die Buchherstellung des Buchpreises
wegen hineingetragen. Hat es noch einen Sinn, die

Arbeit an einer Platte willkülich jeden Augenblick
aufzuhalten, um zwei, drei, ein Dutzend „Zustandsdrucke“
zu schaffen, die technisch gewertet überhaupt gar keine
epreuves d’Btat sind? So daß dann von einem fast

weißen Blatte an eine Blattfolge entsteht, bei der jedes
neue Blatt um wenige Striche bereichert worden ist.
Und gewinnt dadurch der Kunstwert einer Radierung
oder eines Stiches, daß man die Arbeitsphasen ihrer Re-
produktionstechnik in ein von vornherein aufgestelltes
chronologisches System zerlegt? Die Dokumentierung
der Druckentstehung, so interessant sie ist, hat mit der

Raphael (Ausschnitt, Originalgröße) Sebastian

Ausstellung der Handzeichnungen der Kunsthalle zu Hamburg

49
 
Annotationen