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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 2.1920/​21

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2. Oktoberheft
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Zobeltitz, Fedor von: Die Bibliophilentage in Frankfurt a. M.
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https://doi.org/10.11588/diglit.27814#0076

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Herstellung eines Einzelwerks vom Augenblick an, da
der Verleger das gelieferte Manuskript prüft, bis zu dem
Endresultat, der Lektüre des fertigen Buchs durch ein
niedliches Jungfräulein (das Werk wird also ein Gedicht-
band sein oder ein Roman). Ein Rundgang durch die
Zimmerreihen brachte uns Grüße von vielen guten Be-
kannten. Es fehlte kaum einer der großen Verleger, und
in ihren Ständen berührten sich Vergangenheit und Ge-
genwart. Manches längst vergriffene Werk wurde neu
aufgelegt, auch die Belletristik hat sich trotz der erhöhten
Preise nur wenig verringert und kleidet sich noch immer
gern in Umschläge mit freundlich-bunten Kitschbilderchen.
In Schränken und Vitrinen und auf den Schautischen
bauten die Kolonnen der modernen Luxusdrucke sich
auf, Köstliches und Verheißungsvolles neben groben Ge-
schmacklosigkeiten. Man sah, wie das geschriebene
Buch sich wieder seinen Platz erobern will, kalligra-
phische Musterstücke wechseln mit tastenden Versuchen,
in die alte Note neue Variationen zu bringen, auch das
Allerneueste, das mit der Schreibmaschine hergestellte
Buch (besser Biichelchen), ein Werbemittel für Anfänger
und Vergessene, vorläufig mehr Originalität als Kunst-
werk, bat um Beachtung.

Begleitmusik für die Ausstellung bildeten die Ver-
handlungen in der Universität über die Lage der wissen-
schaftlichen Forschung und der deutschen Bibliophilie in
der Gegenwart, Themen, die sich berühren, denn die
Bibliophilie dient ja nicht nur dem Buchgewerbe, son-
dern auch der Literaturgeschichte, der Bibliographie, der
Bibliothekswissenschaft. Es wurde viel und klug ge-
sprochen, es fehlte nicht an dankenswerten Anregungen.
Der Erhaltung der öffentlichen Bibliotheken und For-
schungsinstitute waren die Vorträge der Herren Professor
Dr. Minde-Pouet und Dr. Berghoeffer gewidmet. Das
Bild ist trübe, schwer lastet die Not der Zeit auf dem
geistigen Deutschland. Manche städtische Verwaltung hat
den Etat für ihre Museen und Bibliotheken schlankweg
streichen müssen, die allgemeine Verteuerung ist so groß
geworden, daß selbst für die notwendigsten Neuanschaf-
fungen kaum noch Mittel vorhanden sind Eine Zu-
sammenlegung verschiedener Anstalten wird sich schwer
vermeiden lassen, zur Ersparung im Personaletat schlug
Dr. Berghoeffer sogar eine Verschiebung des Zahlenver-
hältnisses der höheren und mittleren Beamten zu Gunsten
der letzteren vor, für die er eine längere praktische Vor-
bereitungszeit forderte.

Nicht weniger wichtig ist die (von den Biblio-
thekaren Dr. Weber-Berlin und Professor Dr. Marck-
wald-Frankfurt behandelte) Frage der Ergänzung der
ausländischen Literatur für Deutschland, die natur-
gemäß große Summen verlangt, da wir jahrelang vom
Auslande abgeschnitten waren. Andererseits ist auch eine
vermehrte Verbreitung deutscher wissenschaftlicher Lite-
ratur im Auslande (Referent Dr. Lüdtke, der Herausgeber
der „Minerva“) dringende Notwendigkeit, denn im Kon-

zert des europäischen Geistes war die deutsche Stimme
während der Kriegszeit so gut wie verklungen. Dann
wieder sprachen die Herren Professor Dr. Witkowski
und Schulte-Strathaus sich über die volkswirtschaftliche
Bedeutung der deutschen Bibliophilie aus. Einstimmig
angenommene Resolutionen wandten sich gegen eine
übermäßige Besteuerung des schönen Buchs, wie auch
gegen die Spekulationswut auf dem Gebiete des Luxus-
drucks, für die der infolge des Einbruchs einer neuen
Plutokratie unheimlich angewachsene bibliophile Snobis-
mus den Anstoß gegeben hat. Dem schönen Buche,
seiner Berechtigung und seinen Auswüchsen, wandten
auch Professor Dr. Loubier und Schriftsteller Rudolf
Binding, der Berater der Kleukens-Presse, sich zu, wäh-
rend der Berliner Antiquar Martin Breslauer das Wort
ergriff, um in einem ausführlichen Referat Uber die Frage
der Preissteigerungen im deutschen Altbuchhandel Auf-
klärungen zu geben, ein Thema, das für die Bibliophilie
naturgemäß von größtem Interesse ist. Die Umwertung
aller Werte, die sich jetzt vor unseren Augen abspielt,
macht Preiserhöhungen auch auf dem Antiquariatsmarkt
zu einer Notwendigkeit, dazu treten aber noch eigentüm-
liche Unterströmungen, die bekämpft werden müssen,
nicht am wenigsten das Bestreben, das Buch in ein Spe-
kulationsobjekt zu verwandeln, und die wahllos arbeitende
wilde Fabrikation von Vorzugsdrucken zweifelhafter Güte.
Auch gegen die Einführung eines sogenannten Weltmarkt-
preises wandte sich der Referent und schlug statt dessen
vor, für Bücher, die der deutschen Wissenschaft und
Fortbildung dienen, die Preise im Antiquariat nur in
Rücksicht auf deutsche Verhältnisse festzusetzen, einem
drohenden Ausverkauf aber durch Erhebung eines Valuta-
aufschlags zu begegnen, und setzte auseinander, in wel-
cher Weise dieser Aufschlag einzuziehen sei, um eine
Mißstimmung der fremden Käufer gegen eine solche Maß-
regel nicht aufkommen zu lassen.

Die freien Stunden während der Verhandlungen gal-
ten u. A. die Besichtigung der Cimelien der Frankfurter
Stadtbibliothek unter Führung des Geheimrats Professor
Dr. Ebrard und dem Besuch der wundervollen Bücher-
schätze des Herrn Paul Hirsch. Dazwischen fielen ferner
die Generalversammlungen der Maximilian-Gesellschaft
und der Gesellschaft der Bibliophilen. Die erstgenannte
bringt als Jahresgabe einen Neudruck der Germania des
Tacitus, die Gesellschaft der Bibliophilen u. A. eine
außerordentlich gelungene handkolorierte Faksimilierung
des berühmten,, Ehrenbriefs“ des Püterich von Reicherts-
hausen, des Ahnherrn der deutschen Bücherfreunde. Ein
lebhaft besuchtes gemeinsames Mahl der Mitglieder aller
einladenden Gesellschaften, reich an Toasten und an
literarhistorischen, bibliophilen und graphischen Fest-
gaben, schloß die denkwürdigen Tagungen ab, die zu
einem Merkstein im geistigen Leben Deutschlands wer-
den können, wenn die Durchführung des Versailler Ver-
trags uns überhaupt noch das Atemholen vergönnt.

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