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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 2.1920/​21

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2. Aprilheft
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Virchow, Walter: Künstler über Künstler: Gedanken über Renoir$nElektronische Ressource
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https://doi.org/10.11588/diglit.27814#0339

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2. AprilTreft

Künffteü übet? Künftlet?

Gedanken übet? Renoli?

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lÜattet? Ott?cboiü

Im Rahmen unserer Artikelserie „Künstler über
Künstler“*) geben wir heute dem Berliner Maler Walter
Virchow das Wort über Renoir.

Renoir gehört zu der verhältnismäßig kleinen Zahl
von Künstlern, denen nicht allein eine Verbindung
wesentlicher Werte älterer Kunst mit den besonderen
Errungenschaften der Malerei unserer Zeit (wie z. B. die
feinen Wirkungen des Atmosphärischen und andere auf
die Differenzierung des Sehens zurückführbare Sensationen)
zu einer organischen Einheit gelang, sondern denen die
Form, die sie aus dieser Synthese gewannen, erst das
Mittel wurde zum Ausdruck ihres eigensten Wesens.

Er blieb nicht bei der Vergeistigung des Sensuellen,
er vergaß darüber nicht die auf diesem Wege gefundene
malerische Form seiner höheren Idee unterzuordnen und
sie darin aufgehen zu lassen.

Weil seine Menschlichkeit nach dem vollen Ausdruck
ihrer selbst drängte, konnte er sich nicht mit dem zufrieden-
geben, das einem Maler wie z. B. Manet von seinem
subjektiven Standpunkt aus als die Quintessenz aller
Weisheit erscheinen mußte, der Synthese malerischer
Werte älterer Kunst mit moderner Anschauung.

Sein Streben ging darüber hinaus, dahin, mit den
Werten und Formen die er aus der Natur und Kunst
entnahm, mehr auszudrücken, als es rein malerische
Werte vermögen.

So greifen die Wirkungen seiner reifen Form denn
auch über das Wirkungsgebiet des rein Malerischen weit

*) Siehe „Der Kunstwanderer“ 1. Novemberheft 1920: Lesser
Ury über Hodler, Israels, Klinger und Zorn; ferner 1. Februar-
heft 1921: Hermann Struck über Turner.

hinaus, hinüber in die Sphäre nach der alles geistige
Schaffen letzten Endes hinstrebt und in der es über allen
gesonderten Ausdrucksformen des Geistes sich zu einer
unteilbaren Einheit zusammenschließt.

Das melodiöse Spiel der Formen und die Süße der
Farben Renoir’s, die uns entzücken, gewinnen doch ihre
eigentliche Wirkung erst, wenn wir wahrnehmen, daß sie
die symbolische Erfüllung des Strebens des Menschen
Renoir bedeuten, die Erscheinungen der Außenwelt in
Einklang zu bringen mit seinem innersten Wesen — um
es durch sie auszudrücken. Empfinden wir dies aber
lebendig, dann geraten wir auch ganz in den Bann seiner
göttlichen Heiterkeit, nehmen daran Teil und fühlen uns
durch sie gehoben und beglückt. —

Aus zarten Farbenklängen, den wechselnden Licht-
verhältnissen des Atmosphärischen abgelauscht, bildet er
gewissermaßen die Fäden, schillernd wie der Sonnen-
strahl, der den Tau an den Büschen streift, aus denen
er seine schimmernden Farbenharmonien webt.

Um jedoch nicht in einem formlosen Farbennebel zu
versinken, (diese Gefahr drohte ihm, der bestrebt war,
jede Linie in rein farbige Wirkung aufzulösen, zeitweilig)
greift er zu plastischen Effekten und bewahrt so dem
Bilde die nötige Stabilität. Aus dem Hintergrund scheinen
die Formen hervorzuquellen, sanft und üppig zugleich und
die Lichter die auf ihnen spielen wiederholen den heiteren
Rhythmus der das ganze Bild durchdringt.

Zum Mittelpunkt seiner Darstellung macht er die
Erscheinung des Weibes, dessen weiche, fließende Formen
und Farben seinen Absichten auf die natürlichste Art

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