Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen
— 3./4.1921/22
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https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0103
DOI Heft:
2. Oktoberheft
DOI Artikel:Darmstaedter, Ludwig; Schuster, Julius: Ein Dokument des jungen Spitzweg: aus der Dokumenten-Sammlung Darmstaedter der Preußischen Staatsbibliothek
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Theater sich versucht hatte. Als Maler, als Schauspieler,
als Protestant kam er wieder nach München, das erste
Bild wurde 1836 im Kunstverein zu Hannover angekauft,
aber die Münchener blieben dem werdenden Meister
gegenüber kühl bis ans Herz hinan. Doch Spitzwegen
vertrieb diese Erfahrung (die auch anderen Mtinchener
Kindern nicht erpart blieb) nicht. Teils Klausner, teils
Lebenskünstler im Humor, wozu er in einem seiner
originellen Gedichte im Urmünchener Idiom]) sich be-
kennt, entfaltet sich in der Münchener „splendid isolation“
sein Genius.
Aus dieser Zeit stammt das charakteristische Stamm-
buchblatt für den Schauspieler August Gerstel, der sich
in komischen Charakterrollen hervortat. Die scherzhafte
Eintragung lautet:
„Seitdem in der Welt der Werth der ehrlichen Ge-
sichter so gesunken ist (weil fast jeder eines zu machen
weiß), darfst Du mit noch so aufrichtigen Augen, noch
so ungekünstelten Worten und Mienen Jemanden Deine
Freundschaft versichern: man glaubt Dir nicht; man gibt
Dir ein Stück Papier, und darauf muß Du schwarz auf
weiß bekräftigen, was Du so ehrlich gesagt, geguckt und
versichert hast. Man möchte schwarz werden!-
Wenn Sie nun, mein lieber Gerstl, einmal jemand
fragt: „Wer ist denn der Mohr auf der andern Seite
drüben?“ Dann sagen
Spitzwegs Wort: „Genügsam lieb ich den Münchener“
gilt auch für die Preise seiner Bilder zu seinen Leb-
zeiten: etwa 200 bis 800 Mark, selten mehr. Das
„Ständchen“ aus der Sammlung Barlow hat 1879 nur
650 Mark gekostet. 1841 verlangte Spitzweg für „Ver-
botener Weg“ 17 bayrische Gulden, für „Ein Natur-
forscher“ 99, für „Wandernde Schauspieler“ 1542).
Bei der außerordentlichen Seltenheit von Spitzweg-
Dokumenten -— wie Makart beantwortete Spitzweg Briefe
nicht gerne — mag noch folgendes Schriftstück mit-
geteilt werden, das zwar geschäftlichen Inhalts, aber
gleichwohl von einigem Interesse ist.
„An das verehrliche Committee des
Kunstvereines für das Königreich
Hannover!
Infolge gütiger Einladung zur nächsten Ausstellung
versandte dieser Tage durch Spediteur Hummel hier
3 Ölbilder, nämlich:
1.)
„Ständchen“
im Preisse von 70 Thaler
pr.
Ct.
2.)
„ein Fischender“
„ „ 36 Thaler
pr.
Ct.
3)
„ein Eremit“
„ „ „ 36 Thaler
pr.
Ct.
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Die Original-Porträtsilhouette Spitzwegs
1836 erinnert am meisten an das Selbst-
bildnis 1835. Wie dort ruht das Haupt im
hochgeschlossenen Kragen des Überrockes,
aus dem die Binde hervorlugt. Die breite
Stirn von langer Haarwelle bedeckt, auf
etwas gewölbter Nase die Brille, kleiner
Schnurrbart, das Kinn kurz und hervor-
springend: ein Schattenriss von markanter,
energischer Profilierung, ganz und gar nicht
übliche Malerphysiognomie, sondern eines
flotten Studenten erscheint die Silhouette
des 18 jährigen Spitzweg. „Wenn aber i
dem Maderl so, So recht in d’Aug’n guck,
Da bin i weg — i woass net wo —“ so
mochte der junge Münchener Apelles
dichten, der sich von den dunklen Augen der Münchner
Mädeln gerne gefangen nehmen ließ.
Im Falle des Nichtankaufes bitte die-
selben nach geschlossener Ausstellung an
jene in Magdeburg Halberstadt etc. ab-
gehen zu lassen.
Mit ausgezeichneter Hochachtung
Einem verehrlichen Committee.
München den 20. Jänner 1844
ergebenster
C. Spitzweg, Maler
Adresse Jos. Aibl’sche Musikhandlung
in München.
Wie aus dem eigenhändigen Ver-
kaufsverzeichnis Carl Spitzwegs, das bei
Hermann Uhde-Bernays (S. 137) abgedruckt
ist, hervorgeht, kamen die Bilder in Hannover damals
nicht zum Verkauf. Erst 1854 wurde das „Ständchen“
im Kunstverein Hannover verkauft.
x) I möcht a Klausner wer’n . . . Vgl. Hermann Uhde-Ber-
nays, Carl Spitzweg, München, Delphin Verlag 1914.
2) Brief München, 28. Dez. 1841, Auktion C. G. Boerner C IV.
Autographensammlung (1911).
81
als Protestant kam er wieder nach München, das erste
Bild wurde 1836 im Kunstverein zu Hannover angekauft,
aber die Münchener blieben dem werdenden Meister
gegenüber kühl bis ans Herz hinan. Doch Spitzwegen
vertrieb diese Erfahrung (die auch anderen Mtinchener
Kindern nicht erpart blieb) nicht. Teils Klausner, teils
Lebenskünstler im Humor, wozu er in einem seiner
originellen Gedichte im Urmünchener Idiom]) sich be-
kennt, entfaltet sich in der Münchener „splendid isolation“
sein Genius.
Aus dieser Zeit stammt das charakteristische Stamm-
buchblatt für den Schauspieler August Gerstel, der sich
in komischen Charakterrollen hervortat. Die scherzhafte
Eintragung lautet:
„Seitdem in der Welt der Werth der ehrlichen Ge-
sichter so gesunken ist (weil fast jeder eines zu machen
weiß), darfst Du mit noch so aufrichtigen Augen, noch
so ungekünstelten Worten und Mienen Jemanden Deine
Freundschaft versichern: man glaubt Dir nicht; man gibt
Dir ein Stück Papier, und darauf muß Du schwarz auf
weiß bekräftigen, was Du so ehrlich gesagt, geguckt und
versichert hast. Man möchte schwarz werden!-
Wenn Sie nun, mein lieber Gerstl, einmal jemand
fragt: „Wer ist denn der Mohr auf der andern Seite
drüben?“ Dann sagen
Spitzwegs Wort: „Genügsam lieb ich den Münchener“
gilt auch für die Preise seiner Bilder zu seinen Leb-
zeiten: etwa 200 bis 800 Mark, selten mehr. Das
„Ständchen“ aus der Sammlung Barlow hat 1879 nur
650 Mark gekostet. 1841 verlangte Spitzweg für „Ver-
botener Weg“ 17 bayrische Gulden, für „Ein Natur-
forscher“ 99, für „Wandernde Schauspieler“ 1542).
Bei der außerordentlichen Seltenheit von Spitzweg-
Dokumenten -— wie Makart beantwortete Spitzweg Briefe
nicht gerne — mag noch folgendes Schriftstück mit-
geteilt werden, das zwar geschäftlichen Inhalts, aber
gleichwohl von einigem Interesse ist.
„An das verehrliche Committee des
Kunstvereines für das Königreich
Hannover!
Infolge gütiger Einladung zur nächsten Ausstellung
versandte dieser Tage durch Spediteur Hummel hier
3 Ölbilder, nämlich:
1.)
„Ständchen“
im Preisse von 70 Thaler
pr.
Ct.
2.)
„ein Fischender“
„ „ 36 Thaler
pr.
Ct.
3)
„ein Eremit“
„ „ „ 36 Thaler
pr.
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Die Original-Porträtsilhouette Spitzwegs
1836 erinnert am meisten an das Selbst-
bildnis 1835. Wie dort ruht das Haupt im
hochgeschlossenen Kragen des Überrockes,
aus dem die Binde hervorlugt. Die breite
Stirn von langer Haarwelle bedeckt, auf
etwas gewölbter Nase die Brille, kleiner
Schnurrbart, das Kinn kurz und hervor-
springend: ein Schattenriss von markanter,
energischer Profilierung, ganz und gar nicht
übliche Malerphysiognomie, sondern eines
flotten Studenten erscheint die Silhouette
des 18 jährigen Spitzweg. „Wenn aber i
dem Maderl so, So recht in d’Aug’n guck,
Da bin i weg — i woass net wo —“ so
mochte der junge Münchener Apelles
dichten, der sich von den dunklen Augen der Münchner
Mädeln gerne gefangen nehmen ließ.
Im Falle des Nichtankaufes bitte die-
selben nach geschlossener Ausstellung an
jene in Magdeburg Halberstadt etc. ab-
gehen zu lassen.
Mit ausgezeichneter Hochachtung
Einem verehrlichen Committee.
München den 20. Jänner 1844
ergebenster
C. Spitzweg, Maler
Adresse Jos. Aibl’sche Musikhandlung
in München.
Wie aus dem eigenhändigen Ver-
kaufsverzeichnis Carl Spitzwegs, das bei
Hermann Uhde-Bernays (S. 137) abgedruckt
ist, hervorgeht, kamen die Bilder in Hannover damals
nicht zum Verkauf. Erst 1854 wurde das „Ständchen“
im Kunstverein Hannover verkauft.
x) I möcht a Klausner wer’n . . . Vgl. Hermann Uhde-Ber-
nays, Carl Spitzweg, München, Delphin Verlag 1914.
2) Brief München, 28. Dez. 1841, Auktion C. G. Boerner C IV.
Autographensammlung (1911).
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