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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

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1. Septemberheft
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Falke, Otto von: Berliner Fayencen: Sonderausstellung im Schloßmuseum
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https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0012

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Bafockfayencen als Arbeiten einer nur fiktiven Pots-
damer Fabrik und gegen die Ausschaltung von Berlin
geäußert worden; die bisher bekannt gewordenen
Nachrichten über die Berliner Fayencefabriken waren
indessen noch zu unzulänglich, uin der Saciie auf den
Grund zu gehen.

Darin ist nun ein günstiger Wandel eingetreten
durch die Auszüge der auf die Berliner Fayencebäcker
beziiglichen Eintragungen der Berliner Kirchenbiicher
aus den Jahren zwischen 1680 und 1764, die G. Mirow-
Miincheberg in den Brandenburgischen Museums-
blättern 1922 veröffentlicht hat. Obgleich diese Quelle
kein vollständiges Personalverzeichnis vermittein kann,
weil nur diejenigen darin Aufnahme fanden, die in Ber-
lin heirateten, tauften oder starben, hat sie sich docii als
höchst ergiebig erwiesen. Wir sehen nun, daß die 1678
fiir Potsdam geplante Fabrik des Großen Kurfürsten
schon 1679 in Berlin vor dem Spandauer Tor betrieben
und 1683 in die Stralauerstraße verlegt wurde. Dem
ersten aus Delft berufenen Lciter van der Lee (f 1680)
folgte wieder ein Holländer Gerhard Molin als „chur-
fürstlicher Porcellainbäcker“ (t 1693), dessen Witwe
das Werk 1697 ihrem zweiten Mann Gerhard Wollbeer
zubrachte. Es verblieb in dieser Familie durch drei
Generationen. Aus der Gründung einer zweiten Fabrik
durch Cornelius Funcke 1699 und aus dem starken An-
wachsen des einheimischen Personals an Malern,
Drehern, Brennern läßt sich der rasche Aufschwung
der Berliner Faydncekunst in der ersten Hälfte des
18. Jahrhunderts ablesen. Noch vor der Mitte des Jahr-
hunderts ist eine dritter Fayencefabrikant Johann Gott-
lieb Menicus am Platz, der wahrscheinlich das Werk
des bereits 1733 verstorbenen Funcke weiter geführt
hat. Aus der Werkstatt des Menicus ist der Maler
Joh. Karl Heinrich hervorgegangen, der später eine
Fayencefabrik Berliner Richtung in Frankfurt a. O.
errichtete. Potsdam besaß nur die gegen 1740 be-
gonnene Fabrik der Familie Rewendt, die später von
dem Stukkateur Sartori übernommen wurde.

Erst durch das neue von Mirow bescliaffte Urkun-
denmaterial war ein Versuch, der Berliner Fayence-
kunst zu ihrem kunstgeschichtlichen Recht zu verhel-
fen, aussichtsvoll geworden. Das gegebene Mittel,
um mit den historischen Nachrichten die erhaltenen
Fayencen in die richtige Verbindung zu bringen, die
verschiedenen Gattungen von einander zu sondcrn und
nach Möglichkeit die Arbeiten der einzelnen Fabriken
zu bestimmen, war eine Ausstellung, die alle Arten
märkischer Fayencen des 17. und 18. Jahrhunderts ver-
einigte. Sie ist nun im Schweizersaal und den anstoßen-
den Räumen des Schloßmuseums für die Zeit vom
1. September bis 31. Oktober eingerichtet worden und
umfaßt annähernd 1 000 Fayencen, zum größten Teil
Leihgaben aus privaten und öffentlichen Sammlungen
und aus den Schlössern in Berlin, Charlottenburg und
Potsdam. Das Schloßmuseum hat für diese Veranstal-
tung bei Museen und Sammlern bereitwilliges Ent-
gegenkommen gefunden, hat aber wegen der Höhe der
gegenwärtigen Transportkosten davon nur in sehr be-

grenztem Maß Gebrauch machen können. Die Ent-
sagung ist indessen nicht so weit getrieben worden,
daß die von der Ausstellung erwarteten kunstgeschicht-
lichen Ergebnisse darunter zu leiden haben. Für das,
was aus der Ferne nicht herangeholt werden konnte,
ist der Ausstellung aus der Nähe Ersatz geboten wor-
den in der an märkischen Fayencen reichsten Samm-
lung des Dr. Heiland in Potsdam, deren Beiträgc wenig-
stens die Hälfte der Ausstellung ausmachen. Da Herr
Dr. Heiland außer seiner Sammlung auch seine um-
fassenden Spezialkenntnisse zur Verfiigung stellte, hat
er zu dem Zustandekommen der Ausstellung am
meisten beigetragen, ja sie in solcher Vollzähligkeit der
Formen überhaupt erst ermöglicht.

Das Gesamtbild der Berliner Fayencekunst der
Barockzeit ist ganz überraschend gut und vielseitig,
und die beiden ältesten Berliner Fabriken von Woll-
beer und Funcke treten nun mit den angesehensten,
bereits seit längerem wohlbekannten Manufakturen
Nürnberg, Frankfurt a. M. und Bayreuth in dieselbe
Reihe. Die Nutzformen wie Teller, Kannen und der-
gleichen sind unter den Berliner Fayencen der Blüte-
zeit — bis 1740 etwa — ziemlich spärlich und die große
Menge stattlicher Vasen in chinesisch-delftischen For-
men, die ursprünglich in der Regel zu Kaminsätzen von
fünf Stück zusammengestellt waren, läßt erkenneri, daß
die Berliner Fayencebäckerei vorwiegend für reiti
dekorative Zwecke gearbeitet hat. Nur die mächiigen
zinnmontierten Maßkriige, die man doch zu den Ge-
brauchsformen rechnen muß. s?nd von 1700 an durch
das ganze 18. Jahrhundert ein Haupterzeugnis der
Berliner Kunsttöpfer gewesen. Die Erzeugnisse der
beiden Manufakturen sind ohne große Schwierigkeit
von einander zu unterscheiden. Als Ausgangspunkt
fiir die Bestimmung der Fayencen aus der erst kur-
fürstlichen, dann Wollbeerschen Fabrik haben wir zwei
Stücke von dokumentarischer Bedeutung: Das Kabaret
ftir Kurfürst Friedrich III., das ist ein siebenteiliger
Tafelaufsatz mit ornamentaler Blaumalerei, um i695
anzusetzen und zweitens 'das Firmcnschild aus dem
„Porzellanhaus“ in der Stralauerstraße, bald nach 1701
entstanden, eine große blaubemalte Fayence-Tafel mit
dem königlichen, dem kurfürstlichen und dern holländi-
sclien Wappen — es händelte sich um eine ursprünglicii
holländische Fabrik „delftischen Porcellains“ — mit
einer Spreelandschaft im Hintergrund und allerlei Chi-
nesen vorne. Um diese beiden Stiicke schließt sich,
durch dieselbe lockere Malweise, gleichartige ornamen-
tale und figürliche Motive eng verbunden, eine erstaun-
liche Menge von Blaufayencen, denen man als Haupt-
merkmal der Wollbeerfabrik entnehmen kann, daß sie
sehr konservativ in den Vasenformen wie in der Berna-
lung an der delftischen Überlieferung mindestens bis
1740 festgehalten hat. (Abb. 2 u. 4). Die Blaumalerei, der
delftischen oft täuschend ähnlich, überwiegt weitaus;
daneben ist die Scharffenermalerei in fiinf Farben —
blau, grün, gelb, bolusrot und violett — auf meistens
gerippten Vasen in der Art geübt worden, wie sie in
Delft von Louwis Fictoor und Lambert van Eenhorn

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