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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

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1. Oktoberheft
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Pazaurek, Gustav Edmund: Glasschneider des Iser- und Riesengebirges in der Empire- und Biedermeierzeit, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0065

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Qlasßbnetdet? des Ifet^ und Rtefengebuges

in dev Smpicc= und Biedevmeievzeit

Stnc Studte oon

Qußao 6. Pasaueek

i.

\\/enn sich der „Bericht der Beurtheilungs-Commis-
* * sion iiber die Ausstellung der Industrie-Erzeug-
nisse Böhmens von 1831“ (Prag, 1833; S. 51) darüber
beklagt, daß bei dieser Ausstellung in P r a g „die vielen
geschickten Glasgraveure, die Böhmen bekanntlich
noch zählt, bisher (außer Bimann und Pelikan) zu der
Gewerbeausstellung nichts einsandten“ und ihre „be-
klagenswerte Gleichgiiltigkeit“ tadelt, so ist das voll-
kommen gerechtfertigt. Nicht einer von den zahlrei-
chen Glasschneidern der alten Glasgegend des Iser-
und Riesengebirges ist auf den verschiedenen
Gewerbeausstellungen in Prag, Wien oder anderwärts
vertreten gewesen, wenigstehs nicht mit seinem Na-
men, wenn er auch vielleicht ab und zu irgend ein Stück
etwa fiir die Glasfabriken von Neuwelt oder eine an-
dere Fabrik oder Glashandlung auf besondere Bestel-
lung ausgefiihrt haben mag. Diese Leute waren durch-
wegs zu schlicht und arm, um besondere Werbungs-
kosten aufbringen zu können; sie arbeiteten, so fern
sie nicht im festen Lohnverhältnis einer Fabrik standen,
für jeden, der sie bezahlte und dann natürlich vor-
nehmlich auch seine eigenen Wiinsche und Ideen
ausgefiihrt haben wollte. Daher sind denn auch fast
alle Arbeiten ohne eine Meistersignatur. — Dennoch
läßt sich eine große Reihe von Gläsern der Empire- und
Biedermeierzeit auch auf die Gegend von Reichenberg
und Gablonz sowie deren waldreiches Hinterland zu-
riickfiihren.

Den Ausgangspunkt bilden zwei Zylinderbecher
(Gegenstücke) des Kaiser Friedrichs-Museums in
Magdeburg (Abb. 1 und 2); sie knüpfen nach ihren
Inschriften an Besuche der Stadt Reichenberg von 1805
an, werden daher gewiß in dieser Stadt oder ihren
nächsten Umgebung entstanden sein. Vielleicht war
der Stifter derselben, G. S„ sogar selbst ihr Verfertiger,
wenngleich es nicht gelingen will, einen auf diese
Anfangsbuchstaben passenden Glasschneider bisher
festzustellen ’). Die gleichen meist schlanken, etwas

l) Das Sterbebuch der Reichenberger Erzdechantei von
1803 wie das von 1815 an, die ich selbst durchgesehen habe, ent-
halten überhaupt keinen Glasschneider verzeichnet, sondern nur
Glaser, die allerdings damals häufig auch zugleich Glasschneider
waren, Glasschleifer und „Steinschneider“, welch letztere aber
auch Operateure, nicht Edelsteinschneider sein können. Als Giaser
oder Glasermeister werden genannt: Christian Gloger, dessen
Witwe am 5. August 1805, dessen 78 Jahre alte Tochter am 3. April
1806 stirbt. Franz Hanisch, zugleich Magistratsrat, der am
29. Oktober 1804 61 Jahre ait stirbt. Anton K-rause, der am
25. März 1817 70 Jahre alt stirbt, Ignaz Lange, dessen beide
Töchterchen 1813 und 1817 starben, und Joseph Lhotta, der
zwei Söhnchen 1817 und 1819 verliert. Als Steinschneider werden
Joseph Pietsch (1806 und 1811) und Ignaz Seidl, dessen Witwe
am 6. September 1810 stirbt, genannt; aber ob es sich um Edel-
steinschneider handelt, ist noch keineswegs sicher.

ungelenk steifen, allegorisierenden Gestalten, dieselben
„Kränzel“, dieselbe Grasbodenbehandlung und Schrift-
Unregelmäßigkeit findet sich sehr häufig auf unbezeich-
neten Walzengläsern dieser Gegend, so daß man wolil
auch z. B. auch das Glas mit dem „Voreltern“-Medaillon
bei F. F. Palme in Steinschönau (Abb. 3) und das Wal-
zenglas mit der Louis XVI.-Vase nebst Allegorie und
dem Spruchband „Wie glicklich sie“ in der Sammlung
Stephan Rath in Wien, sowie das mit dem volkstümlich-
primitiven Doppelporträt Napoleons und seiner öster-
reichischen Gemahlin (in der Sammlung F. F. Palme in
Steinschönau Abb. 4) hier anfügen kann, obwolil es
auch in der Gegend von Steinschönau, z. B. in Meisters-
dorf, schlichte Glasschneider gab, die ähnlich arbeiteten.

Einen festeren Boden gewinnen wir erst mit dem
Auftreten der Familie R i e d e 1, die seit der Mitte des
18. Jahrhunderts bis heute die ganze Glasproduktion
des Isergebirges beherrscht. Johann Leopold Riedel
(t 1800) kommt mit seinem Bruder Frauz Anton Riedel
(t 1780) aus Falkenau bei Haida ins Isergebirge, über-
nimmt zunächst die alte Zenknerhütte von Antoniwald,
dann die von Neuwiese und errichtet 1775 Christians-
thal. Von seinen Söhnen begriindet Karl Josef (t 1843)
die Linie Christiansthal-Josefsthal-Reinowitz mit der
Descendenz Karl Josef (t 1875), Karl Josef (t 1892)
und dessen jtingstem Bruder Leopold (geb. 1846), wäh-
rend der Bruder des ältesten Karl Josef, nämlich Anton
(t 1821) Neuwiese übernimmt, dann in Antoniwald tätig
ist und dieses seinem Sohne Franz Anton (t 1844) hin-
terläßt, der später 1828 noch Wilhelmshöhe gründet;
dessen Neffe und zugleich Schwiegersohn (Gatte der
Tochter Anna, t 1855) ist der spätere „Glaskönig des
Isergebirges“ Josef Riedel (geb. 19. Dez. 1816;
t 24. April 1894), der nach 1849 die Haupttätigkeit nach
Polaun verlegt, dessen große Fabriken seine Söhne
Wilhelm, Otto und Josef weiterfiihrten und wo jetzt
bereits die Enkel tätig sind. Ein Mitglied dieser einfluß-
reichen Familie, nämlich der genannte F r a n z A n t o n
(17S6 bis 1844), ist nun auch gelernter Glasschneider,
allerdings als solcher nicht annähernd so erfolgreich,
wie als Glasfabrikant. Von ihm haben sich einige Gläser
erhalten, z. B. in der Familie (bei Wilhelm Riedel zz. in
Reichenberg) ein Ranftbecher mit der üblichen Vergiß-
meinnicht-Bitte (Abb. 5) und seinem Namenszug, offen-
bar noch eine ängstliche Lehrlingsarbeit aus seiner
frühesten Zeit, dann aber auch einige bereits geschick-
tere Gläser im Stadtmuseum von Gablonz a. N. 2), na-
mentlich sein Hochzeitsbecher von 1809 (Abb. 6) mit
Monogramm-Urne, Wolkenband, kleinen Putten, Vögel-

2) Abbildungen bei Karl R. Fischer: „Von der Glasindustrie
im Isergebirge“ in der Prager Monatsschrift „Deutsche Arbeit“
XIII. 8.

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