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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

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2. Oktoberheft
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Bülow, Joachim von: Der Maler auf Aktien
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https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0100

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Dec Jvlalec auf Aktien

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7- v. Büloiü

In Amerika oder Australien, jedenfalls einem jener
1 praktischen Kontinente, die mit A anfangen, ist es
häufig, daß Künstler, vor allem Sänger und Sänge-
rinnen, auf Aktien „gegründet“ werden.

Das geschieht so, daß sich die Interessenten zu-
zammentun, die entdeckte Stimme auf ihre Kosten zu
den bedeutendsten Lehrern der Welt schicken und sich
durch eine Schuldverschreibung, einlösbar mit Eintritt
des wirtschaftlichen Erfolges ihres Spekulationsob-
jektes, sichern, vielleicht auch durch eine Lebensver-
sicherung oder durch Anstellungsverträge bei Thea-
tern, die ihnen gehören.

Näheres ist ziemlich gleichgültig für uns, nachdem
die Tatsache des Verfahrens feststeht, und sie steht fest.

Ich habe selbst in Paris und London männliche und
weibliche Ausbeutungsobjekte dieser Art getroffen, die
sich aber garnicht ausgebeutet oder versklavt, sondern
im Gegenteil sehr glücklich vorkamen. Mit Recht.

Denn sie waren des Künstlers schwerster Sorge
enthoben, der um das tägliche Brot. Darum erzähle ich
es zur Nachahmung und Anwendung, vor allem bei bil-
denden Künstlern. Hier ist es ja viel leichter, eine
solche Gründung vorzunehmen. Die Werke sind greif-
barer Art, sie verhallen nicht im leeren Raum wie das
Gold, das aus der Kehle klingt.

Unsere Kunsthändler haben das schon immer ge-
nacht, daß sie jungen Künstlern gegen Überlassung
ihrer gesamten Produktion Studiengelder zahlten. Aber
das waren nur wenige Ausnahmen. Das Spekulative
an sich wird nicht so sehr gestört haben, wie die Ab-
hängigkeit von einem einzelnen Menschen und
dessen meist sehr ausgesprochenen Launen.

Der Weg der Aktien-Gesellschaft ist da sympati-
scher und leichter zu beschreiten. Es braucht ja nicht
gerade eine eigentliche Aktiengesellschaft zu sein, ir-
gend eine andere Form der Vereinigung tut es auch.

Nur ist die A.-G. ein uns sehr geläufiger Begriff.

Jedenfalls ist hier ein Weg, der als einer der weni-
gen zum Ziele führen kann, uns Künstlern das Leben zu
erleichtern, das Schaffen überhaupt zu ermöglichen und
gute Kunst in weite Kreise zu tragen. Es braucht
durchaus nicht immer ein junger Künstler Gegenstand
des Unternehmens zu sein. Im Gegenteil. Eine ge-
wisse Reife, das Vorhandensein einer größeren Anzahl
Werke erleichtert die Gründung, auch die heutige Wirt-
schaftslage. Ich glaube nicht, daß es heute drei Maler
in Deutschland geben wird, die nicht für eine lumpige
Papiermillion ihre gesamte bisherige Produktion ohne
viel Besinnen hergeben würden, obwohl sie die ent-
sprechende Summe Goldes einst für ein einzelnes Bild
bekommen liaben mögen.

Eine solche A.-G. denke ich mir etwa so: Die
Gründung erfolgt durch ein paar Kunstfreunde, die es
immer noch gibt. Viel Bargeld ist nicht nötig. Eine
runde Summe, die der Künstler in die Hand bekommt,
den Rest erhält er in Aktien auf sich selbst. Dic A.-G.
nimmt einen Geschäftsführer an, dessen Aufgabe es ist,
zunächst die Aktien zu vertreiben. Diese werden auf
den Namen ausgestellt. Sie geben das Recht auf den
Erwerb eines Bildes aus dem Kunstbesitz der A.-G.,
den diese von dem Maler übernahm. Die Bilder
werden abgeschätzt und die Gesellschafter erhalten
das Recht zur Auswahl, sei es in der Reihenfolge ihrer
Mitgliedsnummer, sei es auf Grund einer Auslosung.
Nachdem die Ansprüche der Aktionäre gedeckt sind,
werden die übrigen Werke freihändig vertrieben. Von
dem Verkauf wird ein Teil als Dividende den Aktio-
nären ausbezahlt. Die Dividende kann aber auch in
der Form behandelt werden, daß ein Anspruch auf
weitere Kunstwerke anwächst, also die einmalige Zah-
lung eine Vermehrung des eigenen Kunstbesitzes ge-
währt, wenn auch nicht ins Unendliche, so doch immer-
hin bis zu einem genau zu begrenzenden Augenblick,
jedenfalls bis zur Auflösung der Gesellschaft. Diese
ergiebt sich selbständig daraus, daß der Gegenstand
des Betriebes fortfällt, nicht etwa daß der Maler stirbt,
denn nach seinem Tode wird sie so lange bestehen
bleiben, bis alle seine Werke verkauft, alle Rechte
daran veräußert sind.

Solche A.-G. darf den Maler nicht im Schaffen
hindern, im Gegenteil, sie muß so angelegt sein, daß sie
ihn zu neuen Arbeiten laufend ermuntert. Er muß wis-
sen, daß die Gesellschaft als sein Treuhänder alle neuen
Werke käuflich von ihm erwirbt, wenn auch vielleicht
zu einem niedrigeren Preise als er zuweilen freihändig
dafür erhielte. Er muß ferner damit rechnen, daß die
Gesellschaft ein Interesse daran hat, die Bilder im
Werte gesteigert zu sehen.

Die Abschätzung der Arbeiten muß immer wieder
neu vorgenommen werden. Erhöht sich dann der Wert
der im Bcsitze der A.-G. befindlichen Werke, ehe sie
verkauft sied, so muß den Maler ein bestimmter Teil
des Mehrverdienstes zugute kommen.

Die Aktionäre können durch Privatvertrag ver-
pflichtet werden, bei Weiterverkäufen einen Gewinn,
der über den normalen hinausgeht und der sich prozen-
tual vereinbaren läßt, mit dem Maler zu teilen.

Die A.-G., hat alles zu tun, um die Kunst des Malers
in das reclite Licht zu setzen. Sie hat ihn gesehäftlich
zu vertreten, muß Aufträge für ihn suchen, die Verlags-
rechte an seinen Werken vertreiben, ihm Ausstellungs-
gelegenheit verschaffen usw. Die Aktionäre müssen
mit „ihrem“ Maler eine Interessengemeinschaft bilden

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