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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

DOI Heft:
1. Novemberheft
DOI Artikel:
Donath, Adolph: Die Russische Kunstausstellung in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0115

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Herausgeber: AdOlpln Donöid

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\\ / ir hatten bisher keine richtige Vorstellung von der
* v Kunstbewegung in Rußland, waren gewisser-
maßen falsch orientiert. Denn das klärt diese russische
Ausstellung in der Galerie van Diemen auf, daß nämlich
Kand.in.ski, Chagall und A r c h i p e n k o nicht
d i e Repräsentanten der neuen russischen Kunst sind.
Auch sie repräsentieren zwar russische Kunst und in
ilirer Art gewiß ganz interessant, aber das, was sie uns
brachten und bringen, verschwindet in der Menge der
russsichen Kunstproduktion und ragt über sie kaum
hinaus. Diese Ausstellung also — das russische Kom-
missariat für Volksbildungswesen und Kunst inszenierte
sie unter Mitwirkung der Kiinstler Sterenbe r g und
Marianow — hat schon aus dem genannten Grunde
ihre Meriten. Aber dazu kommt noch, daß in der Fülle
dieser 600 Nummern eine Reihe von Kunstwerken
steht, die vielleicht schon Erfüllung bedeutet. Und
vielleicht finden auch viele von den Suchenden, die
heute noch zu stark an den kunstliterarischen Theorien
kleben, in absehbarer Zeit den Weg ins Freie. Denn
daß die Revolution „neue Konstruktionsformen in der
Kunst notwendig macht“, ist durchaus nicht zwingende
Notwendigkeit. Die Kunst ist weder ein Rechen-
exempel noch so etwas wie ein Versuchskaninchen. Um
neue Wege zu gewinnen, dazu bedarf es weder des
Kubismus noch des Suprematismus, Konstruktivismus
und ähnlicher Ismen.

Was aber dieser russischen Ausstellung in Berlin
ein eigenartiges Gepräge gibt, ist die Harmonie, in der
hier alle Richtungen von der reinen Akademie an bis
zum Impressionismus, vom Impressionismus bis zum
Expressionismus, von der sogenannten abstrakten Ma-

lerei bis zum Konstruktivismus friedlich neben einander
herlaufen. Und was den Reiz der Ausstellung erhöht,
ist die oft geschmackvoll-handwerkliche Art, in der
selbst solche „Laboratoriums-Arbeiten“ wie die der
Suprematisten und Konstruktivisten vorgetragen wer-
den. Ich selbst halte im übrigen daran fest, daß derlei
Arbeiten wirklich nur Laboratoriums-Arbeiten sind,
die vielleicht für die Plakatkunst von Vorteil sein
mögen. Mehr nicht. Aber immerhin: in der Schau des
revolutionierten Rußland wirken diese radikalen Dinge
urn so amüsanter, als man merkt, daß selbst die Kon-
struktivisten das Bestreben zeigen, tiber ihre Laborato-
riums-Arbeit hinweg zur — Natur zurückzukehren.

Uns interessiert in dieser Ausstellung naturgemäß
am stärksten das, was typisch russisch ist. Wie sieht
so ein Künstler seine Heimat, wie faßt er sie auf, wie
durchdringt er sie, wie deutet er den Volkscharakter,
die Volksseele? Und da muß ich bekennen, daß auf der
einen Seite die reinen Akademiker, auf der andern die
lmpressionisten die Sieger sind. K u s t o d i e w ist so
der typische Akademiker. Glatt, geleckt in seiner Male-
rei, aber doch scharf die farbige Beschaulichkeit des
russischen Lebens am Samowar schildernd. Und unter
den Impressionisten scheint Korowin einer der
stärksten. Russische Interieurs malt kaum ein anderer
so typisch wie er. M a 1 i a w i n wieder bringt in groß-
mächtigen Formaten den gutmütigen Typus der Bäue-
rin und nicht ganz nebenbei dexen flimmernde Tracht.
Er mag für Rußland so etwas sein wie Anders Zorn für
Schweden oder Zuloaga für Spanien oder Uprka für die
Tschechoslovakei. Und noch kräftiger wirkt A r c h i -
p o w, ein Malermensch, voll des koloristischen
 
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