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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

DOI Heft:
2. Novemberheft
DOI Artikel:
Friedrich, Paul: Phantastische Graphik
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https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0148

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s nimmt Wunder, daß die Graphik der jüngsten Ver-
' gangenheit im Grunde recht phantasiearm ge-
blieben ist, obgleich doch cler Zusammenbruch einer
ganzen Welt im Anschluß an ungeheure seelische und
körperliche Erlebnisse während eines vierundeinhalb-
jährigen Weltkriegs Stoff genug zu Szenen von der
unwahrscheinlichsten Buntheit bis zum Grausen des
Inferno bot.

Erstarrungen ist und wird leicht dadurch späteren Zei-
ten Rätsel aufgeben, wie sie vielleicht ein Sudanneger
beim Anschauen eines Bildes des großen Greco em-
pfindet.

Es ist kein Zufall, daß ein Künstler wie Max
S 1 e v o g t als Graphiker den ganzen Expressionismus
turmhoch überragt, weil er die Kraft hat, dem Be-
schauer in dem Spiel der Kaltnadel Fülle und Buntheit

W. Doms

Dämmerung I

Daß für die Phantasie die Ernte eigentlich ziemlich
mager blieb, hat seinen Hauptgrund wohl in dem Vor-
herrschen eines zeitlich modernen „seelischen Expres-
sionismus“, der einfach auf alle äußere Stofflichkeit
glaubte verzichten zu sollen, und nur durch die
Schmerzgequältheit der Geste und des Ausdrucks an-
deuten wollte, was die Menschen, von denen er Kunde
gab, gesehen hatten. Nun ist dies ja an sich sehr inner-
lich und ekstatisch gedacht, aber ich muß gestehen,
doch viel zu unsinnlich, um stärker und unmittelbarer
zu wirken. Denn dcr bildenden Kunst von heute fehlt
jede Art Teichoskopie, d. h. sie vermag nicht anzudeu-
ten, was eigentlich die Ursache all dieser verzückten

selbst märchenfernster Dinge nahe zu bringen und
durch seine leichten Fioraturen in den Umrahmungen
beispielsweise der „Zauberflöte“ der Phantasie immer
neue Anregungen zum Weiterspinnen bietet und weil
er eben nicht nur Augenmensch ist, wie es jeder echte
Ktinstler sein sollte, sondern auch als Meister über die
Technik verfügt und nicht gezwungen ist, aus Leer- und
abstrakter Kahlheit eine Tugend und ein System zu
machen.

Gottlob sind nun doch auch unter den Jüngeren
wieder einzelne visuelle Talente erschienen, deren
Temperament das so verachtete „Stoffliche“ nicht ab-
weist, sondern es als Ausdrucksmittel eigenster Dyna-

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