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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

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1. Dezemberheft
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Pazaurek, Gustav Edmund: Glasschneider des Iser- und Riesengebirges in der Empire- und Biedermeierzeit, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0175

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Glasßbnetdee des Ifetts und Rtefengebtraes

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6tne Studie oon

öußaü 6. Pasaut’ek.

(Schluß) *)

lie schlesischen Gläser, die sich uns aus den letzten
Jahrzehnten des 18. und den ersten des 19. Jahr-
hunderts erhalten haben, sind — mit der einzigen Aus-
nahme der Zwischengold-Medaillongläser einer einzel-
nen Werkstatt — meist traurige Epigonen in erstarrter
Handwerksüberlieferung aus besseren Tagen. Becher,
Deckeltöpfchen und namentlich eiförmige Kelche auf
massiver, quadratischer Plinthe zeigen immer wieder,
gewöhnlich in bereits erheblicher Vergröberung, die
schon ein oder zwei Menschenalter üblichen Motive,
wie David und Jonathan (Abb. 28), die „alte Hacke“,
die vier Element-Sucher und das nackte Weib mit den
entsprechenden, schon in alten Stammbüchern häufi-
gen Beischriften (z. B. auf einem Stengelgläschen mit
Quadratplinthe in der Sammlung F. F. Palme in Stein-
schönau), meist aber das R i e s e n g e b i r g s p a n o -
rama von der schlesischen Seite, wie wir sie im
Riesengebirgsmuseum von Hirschberg, in der Samm-
lung Fröhlich-Bautzen, die in die Ruhmeshalle von Gör-
litz gekommen ist, und zwar aus den Jahren 1791 und
1806, oder z. B. in der Sammlung E. Conrath in Rei-
chenberg (Abb. 29) häufig antreffen. Selbst die Roko-
koumrahmung der Panoramen hat sich meist ebenso-
wenig geändert, wie z. B. beim Altaristenpokal von
1793 im Diöcesenmuseum von Breslau. Für die durch-
schnittlichen Badegäste von Warmbrunn scheinen
solche Arbeiten genügt zu haben, und nur selten. bei
besonderen Gelegenheiten, offenbart sicli eine größere
Sorgfalt, wie bei dem eiförmigen Pokal auf achtseiti-
gem Fuße im Berliner Hohenzollernmuseum, der die
Panoramen vom Riesengebirge und von Warmbrunn in
einem Rechteckrahmen vereinigt und laut Inschrift an-
läßlich der Anwesenheit der Königin Luise vom 16. Au-
gust 1800 entstanden ist. Dieses Glas ist eines der
wenigen, die auch eine Signatur tragen, nämlich
C. B. M.; ob wir bei dieser an den in seinen Lebens-
daten noch nicht bekannten Siegelsteinschneider
B e n j a m i n M ii 11 e r 26) denken dürfen, oder gar
an den Schüler C. G. Schneiders, Benjamin Gott-
1 o b M a y w a 1 d (1748—1825), der wie sein Sohn J o -
h a n n G o 11 f r i e d M a y w a 1 d als ein besonders

*) Siehe „Der Kunstwanderer“ 1. Oktoberheft, 2. Oktober-
heft, 2. Novemberheft.

2") Nach Czihak, Schlesische Gläser S. 134, der leider für
diese späte Zeit nur noch die dürftigsten Andeutungen macht und
selbst Persönlichkeiten wie Friedrich Siebenhaar nicht einmal
mehr nennt. — Benjamin Müller soll übrigens — nach der Fest-
stellung von Geheimrat Dr. Seydel —• nur ein ganz bescheidener
„Künstler“ gewesen sein.

tüchtiger Glas- und Edelsteinschneider von Warm-
brunn gerühmt wird, muß vorläufig dahin gestellt blei-
ben. Jedcnfalls hat der sonstige Durchschnitt da nur
ganz gewölmliche Glasobjekte gemacht, wie etwa den
für den Kanonikus A. Herrmann zum 26. Juni 1810 be-
stimmten Pokal der Sammlung der Frau B. Kurtz-Wien
(Ausstellung im Österr. Mus. Oktob. 1922 No. 455) oder
das im Riesengebirgsmuseum von Hirschberg bewahrte
Henkelglas, das in primitivem Schnitt die „Kapelle auf
der Schneekoppe“ und die „Ansicht von Warmbrunn“
nebst einer Widmung an den Schuhmacher und Gast-
wirt auf der Schneekoppe Carl Siebenhaar zeigt und
laut Bodeninschrift von dessen Schwager, nämlich
„von O. A. R e i c h s t e i n 1826“ geschnitten worden
ist (Abb. 30). Dieser Warmbrunner Glasschneider 27)
und nach ihm sein Schwager, der obengenannte Stein-
schneider Benjamin Müller wurden bald darauf die
Lehrmeister des (durch das oben genannte Glas anläß-
lich seines 12. Geburtstages gefeierten) Koppenwirts-
sohnes, nämlich von Karl F r i e d r i c h Wilhelm Hein-
rich S i e b e n h a a r 2S), in dem wir den bedeutendsten
Edelsteinsclmeider, auch Glasschneider des Riesen-
gebirges im 19. Jahrhundert zu erblicken haben. K. F.
W. H. Siebenhaar wurde am 12. Juli 1814 in Warm-
brunn (Ziethenstraße 10, jetzt 20) geboren; als begab-
ter Schüler zuerst für den Lehrstand bestimmt, wandte
er sicli bald dem Glasschnitt zu, ließ sich nach der
vorgeschriebenen dreijährigen Lehrzeit bei Reichstein
und nach zweijähriger Lehre im Steinschnitt bei B.
Müller im Vaterhause 1832 als selbständiger Meister
nieder und ging vom Glasschnit, den er die ersten zwei
Jahre mehr pflegte, immer mehr zum Steinschnitt über.
Zu Lebzeiten seines Vaters mußte er diesen bis 1839 bei
der Bewirtschaftung der Schneekoppenrestauration
(der 1810 saecularisierten Laurentiuskapelle) mit un-
terstützen, kam aber gerade dadurch mit einflußreichen
Persönlichkeiten zusammen, die ihn später mehrfach
förderten, wie mit dem Grafen von Hoverden-Plencken
in Breslau, den er auch in einem Porträtkameo ver-
ewigte, und besonders mit König Friedrich Wilhelm III.

27) Von ihm bewahrt das Riesengebirgsmuseum in Hirsch-
berg ein gutes Wachsreliefporträt, das sein Schüier und Neffe,
der spätere Hofgraveur K. F. W. II. Siebenhaar gefertigt hat.

28) Geh. Justizrat Hugo Seydel im „Wanderer im Riesen-
gebirge“, Hirschberg; XV No. 2 vom 1. Februar 1916. — Ich be-
nutze hier die Gelegenheit, diesem überaus verdienstreichen For-
sclier des Hirschberger Tales für die mir freundlichst übermittelten
Photographien und Auskiinfte verbindliclist zu danken.

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