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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

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1. Dezemberheft
DOI Artikel:
Pazaurek, Gustav Edmund: Glasschneider des Iser- und Riesengebirges in der Empire- und Biedermeierzeit, [4]
DOI Artikel:
Schrader, Hans: Die thronende Göttin im Alten Museum zu Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0178

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glaubigte Überfang-Deckelpokale, die ihn — wieder im
Wettbewerb mit seinen Zeitgenossen aus Böhmen —
als gewandten Graveur der unvermeidlichen Pferde und
Hirsche (z. B. im Schlesischen Museum f. K. u. A. in
Breslau, wie in der ehemaligen Sammlung Epstein oder
bei seinem Sohne)34), aber auch als Meister des Por-
trätschnittes, wie auf zwei blauen Überfangpokalen des
Schlosses von Warmbrunn — mit den für die Weltaus-
stellung in London 1851 gemachten Brustbildern der
KÖnigin Victoria und des Prinzgemahls Albert — vor-
stellen.

Aus anderen Teilen Schlesiens wäre vielleicht noch
auf den kleinen Empirepokal des Berliner Hohenzollern-
museums (Abb. 33) hinzuweisen, der im Anschluß an die
Leipziger Völkerschlachten die Wappen der drei Alli-

34) Miniaturmaler Otto Simon in Dresden-Löbtau, wo sich
auch eine Porträtzeichnung, die den Vater mit Brille und Augen-
schirm darstellt, erhalten liat; nachdem er im Alter bei einer
landwirtschaftlichen Hilfsleistung ein Bein gebrochen, soll er zu-
rückhaltend und verschlossen geworden sein, aber bis in sein
hohes Alter seine Arbeitskraft behalten haben.

ierten nebst der (recht seltenen) genauen Herkunftsbe-
zeichnung trägt, nämlich „Fürstl. Anhalt Pleß Glaß
Hütte Weßola“, also einer Fabrik, die schon 1825 ein-
gegangen ist. — Auch in den großen Städten wurde der
Glasschnitt weitergepflegt; aber die Ergebnisse sind
nicht sehr stolz. Aus B r e s 1 a u wird uns — gelegent-
lich der dortigen Gewerbeausstellung von 1846 (Nr. 525)
eine in Glas geschnittene Landschaft (nämlich Fürsten-
stein) um anderthalb Reichstaler vom Glasschneider
Z a n g e 35) genannt, und bei der großen Berliner Ge-
werbeausstellung 1848 (Nr. 850) stellt der Glasschneide-
reibesitzer Ernst Wilhelm M i t s c h e r in Görlitz zwei
Lichtschirme mit eingeschnittenen Ansichten des Stadt-
hauses zu Löwen und der Peter- und Paulskirche von
Görlitz aus.

35) Im unmittelbaren Anschluß daran wird in Breslau auch
eine neue, vom Zinngießer Juncker verfertigte „Maschine zum
Glasschneiden“ ausgestellt; ob es sich um eine Verbesserung des
alten Glasschneidezeugs der Graveure handelt oder nur um eine
Glaserdiamant-Vorrichtung für die Tafelglasindustrie wird leider
nicht mitgeteilt.

Dte tlovonende Qöttin tm Atten ]viufeum su Bet?ttn

oon

Jians Scbt^adet?

Im Jahre 1920 hat der Pariser Archäologe Salomon
Reinach ein sitzende kleine Terracottafigur aus Locri
in Unteritalien besprochen und daraufhin vermutet, daß
auch die thronende Göttin unseres Berliner Museums aus
Locri stamme. Obwohl Reinach selbst sagt (Gazette des
beaux arts 62, S. 297), er stelle diese Vermutung auf
„sans qu'il me soit possible de l'affirmer“, haben vor
kurzem einige Tageszeitungen von dieser Herkunftsan-
gabe gercdet, als ob es sich um ein sicheres Faktum
handclt. Daß die Reinachsche, in wenigen Zeilen hin-
geworfene Hypothese einer ernsten Kritik nicht stand
hält, dürfte durch das nachstehende Urteil Professors
Hans Schraders, des bekannten Archäologen der
Universität Frankfurt a. M. und friiheren Direktors der
Antikensammlungen des Wiener Kunsthistorischen Mu-
seums, erwiesen werden. Es wurde zum ersten Male aus-
gesprochen in einem Vortrag, den Professor Schrader
am 4. März d. J. vor der „Vereinigung der Freunde an-
tiker Kunst“ in Bcrlin gehalten hat.

\\ / er einmal das Glück gehabt hat, im Akropolis-
v ’ Museum zu Athen, im Saal der archaischen Frau-
enfiguren die Versammlung feierlich-zierlicher Mäd-
chengestalten in ihrem ein wenig verblichenen aber
immer noch wirksamen Farbenschmuck betrachten zu
können, der wird davon einen unvergeßlichen Eindruck
empfangen haben. Wenn er so vorbereitet zum ersten
Male vor die Berliner Göttin tritt, wird die Erinnerung
an jenes athenische Erlebnis lebhaft erwachen; er wird
sofort eine tiefgehende Verwandschaft entdecken und
doch auch Unterschiede bemerken, die eine Erklärung

verlangen. Kein besseres Mittel gibt es in der Tat, die
Besonderheit der Berliner Göttin zu erfassen, sie kunst-
geschichtlich nach Zeit und Ort einzureihen, als den
Vergleich mit den Athenischen Stücken — der weitaus
reichsten und mannigfaltigsten Fundmasse dieser Art,
die jemals an e i n e m Orte ans Licht gebracht worden
ist. Von hier wird die bisher noch wenig geförderte
Gruppierung der Marmorplastik des griechischen Quat-
trocento, des VI. Jahrhunderts v. Chr. ausgehen
müssen, nicht in dem Sinne, als ob das auf der Akropolis
Gefundene durchweg als attisches Kunstgut anzusehen
wäre, — im Gegenteil: der besondere Wert dieser
Fundmasse liegt gerade darin, daß sich allmählich,
durcli Vergleichung mit Funden anderer Orte, Heimi-
sches und Fremdes scheideti, die befruchtende Wirkung
des letzteren verfolgen, in allen Wandlungen das sich
gleichbleibende i Ieimische erfassen läßt. In solcher Be-
trachtung wird klar, daß Attika von früh an das Land
der Mitte gewesen ist, in dem Anregungen aus den
tippig emporgeblühten, dem Einfluß des Orients weit
offenen Kolonien an der kleinasiatischen Westkiiste,
namentlich der von loniern besiedelten, sich begegneten
mit dem festgegründeten, strengen Wesen des von den
Dorern eroberten Peloponnesos, daß unter solchen An-
regungen von hier und von dort ein drittes, neues er-
wuchs, die attische Kunst, wie sie etwa in den Resten
des Giebelschmuckes vom alten Athenatempel der
Akropolis oder in herberer Fassung, in der Frauenfigur

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