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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

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2. Dezemberheft
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Wilm, Hubert: Zwei alte Holzskulpturen
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Weigmann, Otto: Moritz von Schwind's Zeichnungen zu Dichtungen von Eduard Möricke
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https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0208

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Weiß schimmert die Fleischfarbe auf dem Gesicht und
den Händen der Maria, auf den Körpern der spielenden
Putten; der blau gefütterte Mantel der Muttergottes ist,
wie ihr Kleid, vollständig vergoldet und bildet mit dem

Weiß der Wolken einen wohlklingenden Farbenakkord.

Alles in Allem ist die kleine Gruppe ein Werk, das
in Vorwurf, Ausführung und Erhaltung reine Freude
erweckt.

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I—< s ist eine befremdende Erscheinung, daß die deut-

sche Verlegerschaft, stets bereit, wenn es sich
darum handelt, graphische Werke ausländischer Mei-
ster in originalgetreuen Abbildungen zu publizieren,
an dem köstlichsten Schatze der neueren deutschen
Kunst, an den Zeichnungen Moritz von Schwinds bis
jetzt ziemlich achtlos vorübcr gegangen ist. Seit der
Herausgabe seines Jugendwerkes vom Jahre 1825, des
Cyklus „Die Flochzeit des Figaro“ in einer vorzüg-
lichen Lichtdruckausgabe durch die Wiener Gesell-
schaft für vervielfältigende Kunst im Jahre 1904 ist
nur noch einmal —' 1919 — durch den Verlag Gretlein
& Co. in Leipzig in der Reihe der Comenius Bücher
der Versuch gemaclit worden, in einem Sammelbande
diesen Kleinodienjier Zeichenkunst gerecht zu werden.
Aber ganz abgesehen davon, daß die dortige Zusam-
menstellung im allegemeinen fast nur das schon für das
große Schwind-Werk der deutschen Verlagsanstalt
(Klassiker der Kunst Band IX. Stuttgart 1906) ausge-
wählte Material wieder bringt, muß dieser Band als
reproduktionstechnisch gänzlich mißglückt abgelehnt
werden, gibt er doch die feinen Gebilde Schwindscher
Zeichnungskunst so vergröbert wieder, daß sie mehr
als Zerr- wie als Abbilder wirken. Und gerade bei
Schwindschen Zeichnungen ist es nicht allein das Ge-
genständliche, die quellende Phantasie und sinnige Ge-
staltung des Stoffes, was ihnen ihren unnachahmlichen
Reiz verleiht. Dem verwöhnten Auge gewährt die
Sicherheit und Leichtigkeit der Strichführung, die Aus-
geglichenheit der Tonwerte, das expressionistische
Element seiner persönlichen zeichnerischen Sprache
einen nicht minderen ästhetischen Genuß.

Diese Erkenntnis hat denn auch Schwind’sche
Zeichnungen in den letzten Zeiten zu den begehrtesten
Objekten des künstlerischen Sammlertums gemacht.
Wo gute Originale nicht mehr zu erreichen sind, muß
die technisch vollendete Wiedergabe Ersatz leisten.

Unter diesem Gesichtspunkte ist ein jüngst im
Münchener Verlag Oskar Beck erschienener Pracht-
band: „Möricke-Album von Moritz von
S c h w i n d“ herausgegeben von Walther Eg-
gert-Windegg dankbarst zu begrüßen. Der Her-

ausgeber hat wohl absichtlich den etwas altmodisch an-
mutenden Titel „Album“ gewählt, um damit anzudeu-
ten, daß nicht alle mit Mörickes Dichtungen zusammen-
hängenden Zeichnungen des Meisters gebracht werden
sollten, sondern im Sinne ihrer Entstehungszeit nur eine
gefällige Auswahl aus detn Erreichbaren. Gewisser-
maßen als persönliches künstlerisches Vorwort ist an
die Spitze das poesieerftillte Blatt gestellt „Das Pfarr-
haus zu Cleversulzbach“, das Hauptbild, in dem
Schwind „die ganze Idylle der pastoralen und poe-
tischen Existenz seines Freundes zu einer wunderbaren
Einheit zusammenfaßte“. Zeitlich sind ihm die beiden
nächstfolgenden Tafeln: „Der sichere Mann“ und „Erz-
engel Michaels Feder“ (Schön Rahel) vorangegangen,
jene humor — und anmuterfüllten Nachdichtungen
Möricke’scher Poeme, mit denen des Künstlers persön-
licher Verkehr mit dem Dichter eingeleitet wurde.
„Wenn man Ihnen eine Statue setzte — so schreibt
der Maler an den Dichter — so müßte am Sockel auf
einer Seite, um den Umfang ihrer dichterischen Kraft
anzuzeigen, der sichere Mann angebracht sein, der mit
der Kohle in sein Scheunenthorbuch schreibt, mit des
Teufels Schweif als Buchzeichen, auf der anderen
schön Dorothea mit der Feder des heiligen Michaels
schreibend, was sie selbst nicht weiß.“ Und wie sehr
der Dichter vom Künstler sich verstanden fühlt, das
tnag man aus der Stelle seines Dankbriefes ersehen, wo
er den Empfang der Blätter schildert: „es war weit
rnehr jene reine schöne hohe, mit keinen andern Glück
zu vergleichende Lust, die wir immer empfinden, wo
die Kunst einmal wieder ihren Gipfel erreicht, wo der
Genius selber uns anlacht, eine freudige Rührung und
selbstloser Dank, der vorerst gar nicht weiß, wem er
gilt, bis man zunächst dann freilich nur dem Künstler
um den Flals fallen kann“.

Von dieser beglückenden Freude beschaulichen
Genießens fällt auch ein Strahl auf den modernen Be-
trachter, der sich nun an Hand der prächtigen Licht-
drucktafeln des Möricke-Albums den entzückenden
Bilddichtungen hingeben kann. Und wem wiirde das
Herz nicht warm, wenn er den Lebenslauf des mageren
Hansels aus dem Märchen „Der Bauer und sein Sohn“
in zehn anmutig bewegten Bildern an sich vorüber-

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