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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

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2. Dezemberheft
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Das Kunstgewerbe und die Geldentwertung / Die Preise für die russische Bilder / Rasenspiel und Kunst / Kunstausstellungen / Aus der Museumswelt / Kunstauktionen / Neue Kunstbücher / Neues vom Antiquariat / Etwas über Bildnisse und Bildnismaler vergangener Zeit / Kleine Kunstchronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0210

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Das Kunügeioecbc
und dte 6eldentu>et?tung.

Auf der unter Vorsitz von Prof. Gross in der Akademie für
Kunstgewerbe zu Dresden vor Kurzem abgehaltenen J a h -
resversammlung der Sächsischen Landesstelle
für Kunstgewerbe, auf der Prof. Gross über die Münch-
ner Gewerbeschau und die Dresdner Jahresschau referierte, wurde
auch über dieWirkung derGeldentwertung auf den
Absatz im Kunstgewerbe berichtet, und es dürfte von
Interesse sein, hierüber die Ansichten maßgebender Persönlich-
keiten kennen zu lernen.

Direktor Pfeifer von der Staatlichen Porzellanmanu-
faktur Meißen äußerte sich zuerst über diesen Punkt und führte
u. a. aus:

Die Preise für die keramischen Erzeugnisse seien jetzt im
allgemeinen auf das 500 fache der Friedenspreise gestiegen, das
bedeute also, daß in Wirklichkeit eine Senkung der Preise auf die
Hälfte stattgefunden habe. Wenn die keramische Industrie diese
Senkung bisher habe ertragen können, so sei dies den starken
Auslandsverkäufen zu danken. Aber neuerdings sei die Ausfuhr
nach dem Ausland erheblich zurückgegegangen, so daß eine un-
sichere Geschäftslage entstanden sei. Bemerkenswert sei der
Wechsel in der Kundschaft. Die Industrie wisse nicht mehr, für
wen sie arbeite. Immerhin könne ’gesagt werden, daß die Qualität
bisher noch nicht gclitten habe, und daß wirklich gute, hochwertige
Ware noch immer ihren Käufer finde. — Direktor Mocker
von der Industrie Werke A. G. Plauen wies auch darauf hin, daß
die großen Auslandsbestellung stark zurückgegangen, die Preise
infolge des schlechten Standes unserer Mark außerordentlich hoch
seien und die Geschäftslage mehr denn je unsicher sei. Trotz-
dem dürfe gesagt werden; daß gerade die besten Qualitätswaren
mit Vorliebe gekauft würden, so daß mit allen Mitteln dahin ge-
strebt werden muß, nur beste Qualitätsarbeit zu erzeugen. — Auch
Tischlerobermeister Birkner (Meißen) wies darauf
hin, daß die Möglichkeit baldiger, sehr umfangreicher Bctriebs-
einschränkungen nicht von der Hand zu weisen sei, wenn es nicht
gelinge, die Tischlereiindustrie mit ausreichendem Holz zu erträg-
lichen Preisen zu versorgen. Die Unsicherheit der Kalkulation
habe den frischen Zug, der bisher in der Industrie herrschte, lahm
gelegt. Trotzdem habe die Qualität bisher noch nicht gelitten. —
Juwelier Treusch (Leipzig), der für sein Gewerbe eben-
falls trübe in die Zukunft blickte, bemerkte: Die Sucht, die Ju-
welierarbeiten nach dem reinen Metall- oder Karatwert zu beur-
teilen, verringere die Bestellungen nach künstlerisch wertvollen
Fassungsarbeiten, so daß die Befürchtung ausgesprochen werden
müsse, daß die Qualitätsarbeit ins Hintertreffen gerate. — A r c h i -
t e k t W u 11 e (Dresden) sprach über das Kunsthandwerk im
allgemeinen und führte aus, daß auf einzelnen Gebieten zwar eine
anerkennenswerte Steigerung der Nachfrage eingetreten sei, aber
im allgemeinen der Befürchtung Raum gegeben werden müsse, daß
das Kleinkunstgewerbe in der Zukunft einschlafen werde, wenn
nicht baldigst eine Senkung der Materialpreise eintrete. —■

In allen diesen Ausführungen tritt die Forderung der Q u a 1 i -
tätsarbeit in den Vordergrund, die aber gegenwärtig so
enorme Kosten verursacht, daß die Kunst darunter zu leiden be-
ginnt, was aber lediglich der außerordentlichen Wirtschaftskrise
zur Last fällt, die jetzt alle Welt bedroht. P. S.

Die Pt?etfe füc dte mfltfcben Bildet’.

Zu dem Artikel über die Russische Kunstausstellung in Berlin
(1. Novemberheft des „Kunstwanderers“) geht uns von einem
Kunstfreunde, Herrn Erich B o d e eine Zuschrift zu, in der die
Anregung gegeben wird, daß d i e K r i t i k sich bei der Bespre-
chung von Ausstellungen auch mit den Preisen der ausgestellten
und verkäuflichen Kunstwerke beschäftigen sollte. „Ich halte“,
heißt es in dieser Zuschril't, „diese Frage der Kritik der Preise für
außerordentlich wichtig, besonders in einer Zeit, wo die Kunstlieb-
haber und Sammler durch die stetige Markentwertung, die neuen

Reichen, vor allem aber durch die zahlungskräftigeren Ausländer
teilweise absolut nicht mehr in der Lage sind, aus wahrer Freude
und großem Interesse zur Kunst, Erwerbungen vorzunehmen.

Mit großen Hoffnungen und Wünschen wird mancher Inter-
essent die lehrreiche Ausstellung, für die man dem russischen
Kommissariat nicht dankbar genug sein kann, besucht haben, und
nach Erfahrung der Preise stark ernüchtert diese schönen Räume
verlassen haben. Ich habe auch die Feststellung gemacht, daß die
Preise seit Eröffnung der Ausstellung im Oktober bis Anfang De-
zember um c a. 100 °/o erhöht worden sind. Ein paar Proben:
das Ölgemälde Katalog No. 227, eine typische russische Winter-
landschaft darstellend, Bildgröße ca. 90 X 50 cm kostete zuerst
300 000 M., jetzt 600 000 M. (!); die farbigen Skizzen von
Maljawin zu seinem großen Gemälde russischer Bauernmädchen
kosteten je 280 000 M. (Größe ca. 35 X 25 cm!). Als drittes Bei-
spiel, auch als Unterschied der Kunstart nenne ich Archipenko.
Die Preise für seine charakteristischen Zeichnungen betrugen zu-
erst 35 000 und 45 000 M., letzthin dagegen 50 000 bezw
70 000 bis (!) 80 000 M. Daß die teilweise primitiven Rahmen im
Gegensatz zu den Bildpreisen überhaupt stehen, soll nicht un-
erwähnt bleiben.

Eine Folge dieser exorbitant hohen Preise ist natürlich, daß
nur ein winziger Bruchteil der ca. 600 ausgestellten Kunstwerke
verkauft ist, darunter sonderbarer Weise mehrere Gemälde der
sogenannten abstrakten Malerei. Eine Reihe von Bildnissen ist
zwar unverkäuflich, doch ist dieses Moment hier unwesentlich.
Wenn auch die Bilder durch den weiten Weg aus Rußland große
Mehrkosten verursacht haben, so ist diese Tatsache noch lange
kein Grund, fiir diese gewiß teilweise erstklassigen Bilder derartige
Preise zu fordern und in kurzer Zeit zu verdoppeln.“

Zum Schlusse seiner Zuschrift spricht der genannte Kunst-
freund die schon erwähnte Anregung fiir die Kritik aus. Die An-
regung verdient gewiß Beachtung, läßt sich aber unseres Erachtens
kaum durchführen. „Der Kunstwanderer“ stellt im übrigen dieses
Thema gern zur Diskussion.

Rafenfptel und Kunff.

In Spanien haben bayerische Fußballmannschaften einen
großen Sieg über iberische Spieler davongetragen. In Spanien.
Bayerische Spieler.

Die bayerische Mark verhält sich zur Peseta wie eins zu
tausend, der bayerische Sieg wie 48 zu 12 zur spanischen Muskel-
kraft oder so ähnlich. Ist auch einerlei.

Wertvoll ist nur, festzustellen, wie zwei bayerische Mann-
schaften, also schätzungsweise 25 Mann, eine Reise nach Spanien
ermöglichen und einen Iängeren Aufenthalt im valutastarken Lande.

Natürlich gönne ich es den Bayern. Spanien ist ein sehr
schönes Land, mit einer mir sehr sympatischen Bevölkerung, deren
Befähigung zum Fußballsport allerdings nicht sehr groß scheint.
Dadurch sinkt sie nicht in meinen Augen, ebensowenig wie ich die
Bayern verachten würde, wenn sie nicht mit Stieren kämpfen
könnten.

Das ist auch ganz unwesentlich. Ich sage nur: Wenn Mittel
vorhanden wären, um einein viertel Hundert Bayern Gelegenheit
zu geben, sich mit ebensovielen Spaniern gegenseitig zu ver-
tobacken, wie das beim Fußballspiel so üblich ist, dann habe ich
Hoffnung, daß es auch einmal wieder deutschen Künstlern und
Dichtern gelingen wird, nach Spanien zu reisen und von da, wenn
auch nicht Lorbeeren des Sportes, so doch Anregung zum Schaffen
und neue Werke heimzubringen.

Früher reisten wir nach Spanien und lebten dort billiger als
zu Hause, malten an den Ufern des Manzanares oder dichteten
auf den Zinnen der Alhambra, kopierten im Prado Goya und
Velasquez oder Tizian, den man nur ganz in Spanien kennen lernen
kann, begreifen, was Greco konnte und lernten Cervante ver-
stehen, dazu genügte das Reisegeld und den Monat 200 Mark.
Mit tausend Mark war eine Studienreise für einen bescheidenen
Boheme, wie ich es einst war, zu machen. Ob ich es heute mit
einer Million noch schaffen würde, weiß ich nicht. Vor allem
wüßte ich nicht, woher diese Million nehmen, denn das ist ganz



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