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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

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1. Januarheft
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Die Not der Bildhauer / Der Rembrandt mit den fünf Lichquellen / Vom holländischen Kunstmarkt / Aus der Museums- und Sammlerwelt / Kunstauktionen / Kunstausstellungen / Das lebende Modell / Schweizerische Kunstchronik / Neue Kunstbücher / Das Handwerk auf der Messe / Die Bildhauerei im Film / Kleine Kunstchronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0238

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Dte JSot deü Btldbaueü.

6tne Singabe an den Reicbsfag.

Der Künstlerverband deutscher Bildhauer
hat, wie wir erfahren, eine Eingabe an den Reichstag gerichtet,
die das Ersuchen enthält, der Abänderung der erhöhten Umsatz-
(Luxus) Steuer insoweit seine Zustimmung versagen zu wollen,
als diese Bestimmungen die Notlage der deutschen
Kunst, insbesondere der Bildliauerkunst vergrößert. Der Ver-
band lenkt besonders die Aufmerksamkeit auf die Bedrängungen,
welchen die künstlerisch und kunstgewerblich tätigen Bildhauer
durch die seit dem 1. Oktober 1922 in Kraft getretenen Ausfüh-
rungsbestimmungen zum Luxussteuergesetz ausgesetzt sind, ,,zu-
mal in einer Zeit, in der die ständig anwachsenden ungeheuren
Unkosten auf alien Gebieten die Ausübung dieses Berufes nur unter
den größten Opfern und Entbehrungen ermöglichen.

„Anstatt nun hier die dringend nötigen Steuererleichterungen
zu schaffen, greift — so heißt es in der Eingabe — das neue Gesetz
rücksichtslos in die gewährleistete Freiheit des künstlerischen
Schaffens ein. Durch willkürliche Begrenzung der Stückzahl des-
selben Werkes soll dem Kiinstler eine Luxussteuer auferlegt
werden, die er garnicht zu tragen hat und auch garnicht tragen
kann. Der Begriff des „Herstellers“ wird in sinnwidriger und
kunstfeindlicher Weise im Gegensatz zum klaren Wort-
laut des § 18 des Umsatzsteuergesetzes verändert, und zwar in so
unklarer Fassung, daß dauernd Streitigkeiten und Unzuträglich-
keiten die unausbleibliche Folge sein müssen. Es ist völlig un-
möglich, daß ein individuelles Kunstwerk, welches das geistige
Eigentum des Künstlers bis 30 Jahre nach dessen Tode bleibt,
dem Schöpfer mitten in der Etappe des Schaffens entrissen wird
und die bezahlte Hilfskraft, so strebt es das Gesetz an, als „Her-
steller“ angesehen wird. ■

Zu welchem Widersinn und Gesetzesverletzungen diese Sünde
wieder den Geist künstlerischen Schaffens leider schon gefiihrt hat,
illustriert am besten folgendes bezeichnendes Beispiel:

Der Berliner Verband deutscher Bildgie-
ß e r e i e n hat an sämtliche Gießereien das nachstehende im
Wortlaut wiedergegebene Schreiben gerichtet:

„Laut Verordnung vom 22. September 1922 über Abände-
rung der Ausführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz
(veröffentlicht im Zentralblatt für das deutsche Reich Nr. 48
vom 25. September d. J.) sind vom 1. Oktober d. J. ab sämtliche
Werke der Plastik, einschließlich der Kisten wieder vom Her-
steller luxussteuerpflichtig. Wir sind daher verpflichtet, die
Luxussteuer (auch für alte Aufträge) mit dem Fakturenbetrag
zu erheben und an das zuständige Finanzamt abzuführen. Für
diese von uns versteuerten Plastiken ist eine Luxussteuer vom
Kleinhandel nicht mehr zu entrichten.“

Gegen diese Verschiebung des Herstellerbe-
g r i f f e s müssen die deutschen Bildhauer den allerschärf-
sten Einspruch erheben. Hersteller eines Biidwerkes ist
und bleibt unter allen Umständen der Künstler, der die individuelle
Form und die Idee des Werkes gibt. Aus steuertechnischen Griin-
den kann für den Gießer, der ein Bildwerk in Verlag nimmt, die
Fiktion gelten, daß er „Hersteller“ sei, aber die Folgen der neuen
Ausführungsbestimmungen zeigen nur zu deutlich, daß die L u -
xussteuer für Kunstgewerbe iiberhaupt g a n z u n -
haltbar ist. Oben angeführtes Schreiben bedeutet in jedem
Falle eine widerrechtliche Einziehung der Luxussteuer vom Künst-
ler, da nach den neuen Ausführungsbestimmungen vom 1. Oktober
10 Exemplare desselben Werkes von der Luxussteuer freigestellt
sind; was hier garnicht beriicksichtigt wird, ferner eine uner-
Iaubte Erhebung dieser Steuer für Werke, die garnicht verkauft
werden sollen, da ja der Künstler nicht ausschließlich für den
Verkauf schafft. Es steht nunmehr absolut nichts im Wege, daß
die übrigen bezahlten notwendigen Hilfskräfte, wie Gipsabgießer,
Ziseleure, Steinmetzen, Töpfer usw., die ebenfalls als „Hersteller“
auftreten, die Luxussteuer vom Künstler einziehen wollen und da-
aurch die schon an und für sich ungeheuren Unkosten für das

Werk mitten im Schaffen des Künstlers in unerträglicher Weise
crhöhen.

Dazu kommt noch die bereits in den Eingaben des R.W.V.d.K.
beleuchtete Einschränkung der Werkstoffe. Die Besteuerung
des Kunstwerkes und derjenigen plastischen Kunstwerke, welche
„auch einem hauswirtschaftlichem Gebrauch dienen können“ (hier
ist der willkürlichen Auslegung durch die Steuerämter Tiir und
Tor geöffnet), so daß also tatsächlich die Luxussteuerfreiheit für
plastische Kunstwerke fortan i 11 u s o r i s c h werden dürfte.
Denn es ist klar, daß nicht nur die Elfenbeinschnitzer sondern die
Bildhauer überhaupt, sofern sie hochwertige Werke in echtem
Material, ja sogar in Kunststein oder anderen Formstoffen anfer-
tigen, vollkommen in ihrer schöpferischen Tätigkeit
lahmgelegt werden, und daß eine ganz neue ungeheure Not-
lage der Künstler durch diese Verordnung geschaffen, gleichzeitig
aber wertvolle und notwendige Kulturarbeit im Keim er-
stickt wird!“

Diese Eingabe der Bildhauer, die von Namen wie H o s a e u s ,
Kraus, Lederer, Stark, Vogel, Wenck, Lewin-
Funcke, Böltzig, Garvens, Hofmann und P1 e s s -
n e r unterzeichnet ist, wird hoffentlich dazu beitragen, daß diese
kunstfeindliche Besteuerung, die über das Kunstschutzgesetz völlig
hinweggeht, endlich aufgehoben wird. „Was nützt“, schreibt ein
sehr geschätzter Bildhauer dem Kunstwanderer, „uns alle noch so
verständnisinnige und hochherzige Auslandshilfe, wenn im eigenen
Vaterlande die so sehr von Vernichtung bedrohten Kulturwerte
vollends zerschlagen und mit Füßen getreten werden!“

Det? Rembcandt
mü den fünf Ucbtquellen.

„Dis Alexandet’bocbzeit"

Generalstabsarzt Dr. Gustav W e i 1 in Prag, dessen Gemäl-
desammlung zum größten Teil aus der Sammlung des Königs Louis
Philipp von Frankreich stammt und aus dessen Bilderschätzen
Kenner wie ITofrat Dr. Gustav Glück (Wien), Professor Dr. August
L. Mayer (München) u. a. Werke von van Dyck, Velasquez u. a. als
echte Werke dieser Meister bestimmt haben, hat im 1. Dezember-
heft des „Kunstwanderers“ die in seinem Besitz befindliche von
Dr. Theodor Frimmel, dem hochgeschätzten Wiener Kunst-
gelehrten, „als unzweifelhaft eigenhändiges Werk Rembrandts“ be-
zeichnete „Alexanderhochzeit“ veröffentlicht. Seit der Publika-
tion des Bildes, dessen Photo unzulänglich war, da die koloristi-
schen Werte nicht in Erscheinung traten, beschäftigt sich die
Kunstwissenschaft angelegentlich mit dem Werke.

In diesen Tagen nun hat der Besitzer das Gemälde nach
Berlin gebracht, da Wilhelm v o n B o d e den Wunsch geäußert
hatte, es kennenzulernen. Wie wir hören, ist Bode zu der Ansicht
gelangt, daß das Bild ein Meisterwerk von schöner Farbigkeit sei
und daß er an einen namhaften Schüler Rembrandts denke.
Dr. F r i m m e 1 ist hingegen, wie aus einer an den „Kunstwan-
derer“ gerichteten Zuschrift hervorgeht, davon überzeugt, daß es
sich um ein eigenhändiges Werk des Meisters handelt, das er ein
„Wunderwerk“ nennt, wenn er auch nicht der Meinung des Be-
sitzers beipflichtet, daß „die Alexanderhochzeit“ ein Jugendwerk
Rembrandts sei. Frimmels Z u s c h r i f t an den Kunstwanderer
lautet:

Sehr geehrter Herr!

In der Einleitung zum Essay des Herrn Generalstabsarztes
Dr. Gustav Weil im ersteh Dezemberheft des „Kunstwanderers“
über den „Rembrandt mit den fünf Lichtquel-
1 e n “ wird von der Redaktion mein Gutachten vom 8. Novem-
ber mehrmals herangezogen im Zusammenhang mit dem in der
Tat außerordentlichen Wert des Bildes. Es könnte aber nacli
dem Sinn der Einleitung scheinen, als ob ich mich in meinem
Gutachten auch über die Signatur und Datierung geäußert
hätte. Dazu möchte ich bemerken, daß ich die Datierung, es

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