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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

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1. Februarheft
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Amersdorffer, Alexander: Aus Carl Blechens letzten Jahren
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https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0283

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l. Februarneff

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AL Amei’sdotjffet’

Der Erste Ständige Sekretär der Akademie der Künste
in Berlin Professor Dr. Al. Amersdorffer hatte die
Freundlichkeit, dem „Kunstwanderer“ nachstehenden
interessanten Aufsatz zur Verfügung zu steilen.

j ie Blechen-Ausstellung der Berliner Akademie der
Künste itn Winter 1921, wie die gegenwärtige
Akademie-Ausstellung, die Blechensche Zeichnungen
im Kranze von Arbeiten seiner Zeitgenossen zeigt und
seine Nachfolge bis Menzel darlegt, haben aufs neue
das Augenrnerk aucli weiterer Kreise auf diesen Ktinst-
ler gelenkt, dessen posthumes Schicksal es zu sein
scheint, selbst für die Berliner immer wieder neu ent-
deckt werden zn müssen. Kennern und Sammlern wohl
vertraüt, wirkt er auf die Mehrzahl der Ausstellungs-
besucher noch innner überraschend, so oft das Köst-
lichste, was er geschaffen, seine kleinen Ölskizzen und
seine Zeichnungen aus den Depots der Sammlungen und
aus Privatbesitz an die Öffentlichkeit einer Ausstellung
gezogen werden.

Von den Besten seiner Zeitgenossen richtig ein-
geschätzt, trug verständnisvolle Würdigung seines Ta-
lents Blechen über die anfängliche Not und die Kämpfe
des Lebens hinaus zu Anerkennung und Amt, verhält-
nismäßig früh und doch zu spät fiir sein kurzes Leben,
für seine dem zermürbenden Ringen um Dasein und
Kunst nicht gewachsene Natur. In den knappen Zeit-
raum eines Jahres, das seiner italienischen Reise, hat
sich seine ganze künstlerische Aktivität zu genialstem,
fruchtbarstem Schaffen zusammengedrängt, um dann
nach wenigen Jahren stiller Arbeit in beginnender gei-
stiger Umnachtung und allmählicher Auflösung zu er-
löschen.

Von der akademisch-trockenen Schule Lütkes, von
der romantisch komponierten Landschaftsmalerei war
Blechen ausgegangen, doch hatte ihn zugleich Dalils
und Friedrichs Naturempfinden befruchtend berührt.
Erst jenes glückliche Jahr in Italien aber öffnete ihm
ganz die Augen, daß er Licht und Sonne, Form und
Farben in unbefangenem Schauen sah und sicli von
aller Scliule und Tradition löste. Und mit einem Eifer
nützte er dieses Jahr, als hätte er geahnt, wie wenige
Jahre noch zur Vollendung seines Lebenswerkes ihm
vergönnt sein sollten. Als daheim im Norden die Land-
schaft Italiens nur noch in seiuen Skizzen und in der
Erinnerung vor ihm stand, da verblaßte das frische un-
befangene Naturempfinden allmählich wieder in der
Romantik, in der diese Künstlerseele doch wo'hl zu tief
verstrickt war, um sicli ganz von ihr lösen können, die
einen Zwiespalt in Blechen schuf, der vielleiclit einen
Teil zur inneren Verwirrung seines Schicksals beitrug.

Der Tragik der frühzeitigen Vernichtung dieses
großen Talentes besonders zu gedenken, dazu geben
mir einige irn Archiv der Akademie der Künste aufbc-
wahrte, bisher unbekannte Schriftstiicke, darunter auclr
zwei Briefe des Künstlers, Anlaß.

Schon.vom Frühjahr 1836 an mußte sich Blechen
in seinem Lehramt bei der Akademie, das er seit 1831
innehatte, wegen zunehmender Krankheit zuerst durch
Carl Krüger, später durch Wilhelm Schirmer, vertreten
lassen. Doch war sein Zustand noch derartig, daß er
arbeiten und sich an den akademischen Ausstellungen
beteiligen konnte. Am 4. November 1836 schrieb er an
seinen Direktor Gottfried Schadow: „Ich mediziniere
jetzt stärker und fühle mich auch schon wohler“. Er

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