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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

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2. Februarheft
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Schröder, Bruno: Moderne Plastik: Philipp Modrow
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https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0312

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„Der Kunstwanderer“ wird von Zeit zu Zeit
Aufsätze über moderne Plastiker publizieren. Diese
Reihe eröffnet heute Professor Dr. Bruno Schröder von
der Antiken-Abteilung der Staatlichen Museen zu Berlin
mit einem Aufsatz iiber Philipp Modrow.

j ie ästhetische Regel von der plastischen Ruhe hat
ihre Geltung verloren, seitdem die malerische
Auffassung und der Impressionismus der Plastik wieder
Beweglichkeit verliehen haben. Freilich ist dies auf
Kosten der innerlichen Ausdruckskraft geschehen, und
der Expressionismus war berufen, eine Lücke zu füllen.

nisse dienen. Zuerst ein Mädchen, jung, halb kindlich,
in schreitender Bewegung, wie von innerem Triebe auf-
wärts und vorwärts getragen; die Arme sind zum
Haupte erhoben, in unbestimmter Sehnsucht, noch ohne
greifbares Ziel. „Knospe“ haben Freunde des Ktinst-
lers das von zartem Leben erfüllte Werk genannt.
Wäre das Werk in Bronze ausgeführt, müßte die Be-
wegung, das jugendlich Ranke noch mehr wirken,
müßte der formale Reiz der fließenden Linie noch mehr
zur Geltung kommen. Und als Gegensatz dazu der
Mann, gebrochen, in stummer Qual zusammenge-

indem er auch in der Plastik wieder dem Gefühl Raum
gab; aber nun mußte der organische Bau des mensch-
lichen Körpers es sich gefallen lassen, wenn er zu kubi-
schen Gebilden oder bewegten Schnörkeln umgestaltet
wurde. Die Ausdruckskraft solcher Gebilde soll keines-
wegs bestritten werden, doch darf man fragen, ob diese
Art einzig geboten und das Verständnis dafür allgemein
ist. Die moderne Tanzkunst macht den Anspruch, das
Ballet überwunden zu haben und vollberechtigte Kunst
zu geben, indem sie mit vollkommen durchgebildeten,
lebendigen Menschenleibern, wenn auch mit stilisierten
Bewegungen, inneren Regungen zum Ausdruck verhilft.
So sollte auch die Plastik berechtigt sein, der alten Ge-
wohnheit treu zu bleiben und weiter menschliche Kör-
per zu bilden, die nur jetzt mehr als frtiher beseelt sein
und zugleich einen Wiederschein von dem Innenleben
des Künstlers trageri müßten, vorausgesetzt, daß der
Kiinstler etwas Gefühltes auszudrücken hat, und daß
er die Kraft der Darstellung besitzt und anzüwenden
weiß.

Die Arbeiten des Bildhauers Philipp Modrow, die
wir hierneben abbilden, mögen dem Gesagten als Zeug-

krümmt. Ratlose Verzweiflung, Reue, Gewissensnot
zwingen so den Stärksten zn Boden. Früher hätte man
einem so Gepeinigten einen Crucifixus in die Hand ge-
geben und ilm als Büßer maskiert, vielleicht auch
Dantes Hölle aufgeboten, um dem Bilde einen Namen
zu verschaffen. Uns genügt die Bezeichnung „Qual“,
wir verstehen ja alle aus eigenem Hrleben oder aus dem
Schicksal unseres Vaterlandes, was das Wort be-
deutet; wer aber nicht die ungeheure Ausdruckskraft
dieser Gestalt nachfühlen kann, der mag wenigstens
die rein bildnerische Leistung anerkennen, mit der hier
ein Manneskörper in seinem Organismus erfaßt und auf
einen engsten Raum zusammengebracht ist, in rhyth-
mischem Aufbau der Arme und des rechten Beins, die
als Stützen dienen, unterstrichen von dem am Boden
liegenden linken Bein, überwölbt von dem gekrümmten
Rücken. Und wer dieser Leistung inne geworden ist,
wird den sehnsüchtigen Wunsch des Künstlers teilen.
daß das Werk einmal gleichsam als ein Denkmal unse-
rer Zeit aus einem Block Unterberger Marmors auf-
erstehe.

Das sind Typen, allgemein gültig und verständlich.

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