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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

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2. Februarheft
DOI Artikel:
Deutsche Kunstwerke als französische Pfänder?
DOI Artikel:
Sorgenfrei, Paul: Kunst und Messe
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https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0320

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stiscli denkeu känn, ist, gelinde gesagt, eine Leielitfertigkeit.
Zum mindesten muß aus jener Anordnung Poincarees mit der
Möglichkeit einer solchen Forderung und von Repressalien für
ihre Erfüllung gerechnet werden, denn wir haben es bekanntlich
mit einem Gegner zu tun, der vor keiner Gewaltsmaßnahme zu-
riickschreckt, und dem auch Kulturheiligtümer nicht heilig genug
sind, um sich an ihnen zu vergreifen.

Der Direktor der Dresdner Staatsgalerie Dr. P o s s e hat,
wie die „Dresdner N. N.“ schreiben, daran erinnert, daß schon im
Jahre 1919 vor der Unterzeichnung des Friedensvertrags mit
Italien mit Unterstützung Frankreichs die gleiche Forderung ge-
stellt worden sei, und daß damals schon wertvolle Kunstschätze
aus deutschem Besitz, darunter apch die Sixtinische Madonna,
mehrere Correggios und Veroneses aus der Dresdner Gemälde-
galerie, an die Alliierten ausgeliefert werden sollten. Dies schei-
terte aber bekanntlich an dem Widerstand von angelsächsischer
Seite. Bei dem neuen Plane Frankreichs, wie er jetzt aufgetaucht
und durchaus ernst zu neh'men ist, handelt es sich mithin um nichts
anderes als eine Wiederaufnahme eines früheren Planes, und wenn
dies auch nocli nicht in offizieller Form seitens Frankreichs ge-
schieht, so hat es dazu seine guten Gründe, aber fallen lassen wird
es diesen teuflischen Plarf wohl kaum, um so weniger, als die bis-
herige Raub- und Erpressungspolitik Frankreichs gezeigt hat, däß
die grand nation zu allen Taten fähig ist, deren sich eine Kultur-
nation schämen müsste.

Die deutschen Hüter und Pfleger von Kunstwerken werden
guttun, auf der Wacht zu sein, um kostbares, unersetzliches
Nationalgut vor feindlichen Übergriffen zu bewahren, denn es
kann die Zeit kommen, wo sich Poincaree auch hier iiber alle
Einsprüche und Warnungen seiner Alliierten hinwegsetzen und
seine „Sanktionen“ auch auf die Kunst ausdehnen wird, zumal er
mit den bisher geübten nicht viel Glück gehabt hat. Daher:
videant consules! P. S.

Kunß und fdeffc-

Es gab eine Zeit, wo es die Kunst unter ihrer Würde hielt,
sich als „Meßware“ betrachten zu lassen und auf der Messe, wobei
natürlich in erster Linie die Leipziger Mustermesse in Frage kam,
zu erscheinen. Mit diesem Vorurteil ist in den letzten Jahren
gründlich aufgeräumt worden. Man kann diese Wandlung viel-
leicht damit in Zusammenhang bringen, daß die Kunst, d. h. ihre
vornehmsten Vertreter unter der Künstlerschaft mit der Industrie
und dem Gewerbe Fühlung nahmen, um auf diese Weise wahre
Kunsterzeugnisse zu schaffen, die den Mangel des Künstlerischen,
der künstlerischen Qualität tragen. Hier ist auch dem Leipziger
Meßamt außerordentlich zu danken, daß es verstanden hat, Künst-
ler heranzuziehen, teils als Berater, teils als Ausführende, andern-
teils auch selbst künstlerische Kreise für die Messe zu interessieren
und als Aussteller fungieren zu lassen.

Daß gerade die Leipziger Mustermesse der ge-
eignetste Platz ist, weiteste Kreise der Kunst zur Beteiligung her-
anzuziehen, kann nicht bezweifelt werden: ist doch diese Messe
mit ihrem duchaus internationalen Charakter für einen so interna-
tiorialen Kulturfaktor, wie ihn die Kunst darstellt, der gegebene
Platz! Die Kunst in allen ihren Auswirkungen ist dann auch auf
jeder Leipziger Messe sehr stark vertreten, kein Kunstzweig fehlt,
immer w.eiter dehnt .sich die , „Kunstmesse“ aus, die auch bereits
begonnen hat, sich zu konzentrieren. wenn dies auch bei der
großen Beteiligung und unter den jetzigen Verhältnisse bei dem
außerordentlichen Raummangel sehr. schwierig und vorläufig nur
stückweise durchzuführen ist. Immerhin finden sich aber schon
jetzt solche Konzentrationspunkte auf verschiedenen Kunstge-
bieten; es sei nur an die Bugramesse, an das Porzellanpalais, an
das Städtische Kaufhaus, an das Tschechoslowakische Meßhaus,
an die Ausstellung in der Universität, an einzelne Meßhallen er-
innert. Der Kunstfreund, der nach Leipzig zur Messe kommt,
weiß schon, wohin er bei all dem gewaltigen Meßverkehr seine
Schritte zu lenken hat. Wer Kunstgläser sucht, weiß, wo er sie

findet, und wer nach Porzellan fahndet, macht aucli dieses aus-
findig.

Abgesehen davon, daß auf der Leipziger Messe die Kunst in
geschäftlicher Hinsicht voll auf ihre Rechnung findet, kommt noch
ein weiterer Umstand ganz besonders in Betracht, der für die Ent-
wicklung der Kunst selbst von Wichtigkeit ist. Hier erhält sie
riämlich Anregungen verschiedenster Art, nicht zum wenigsten
auch vom Auslande. Dies hat die Folge, daß sich die Kunst, so-
weit die deutsche Kunst speziell in Frage kommt, dem ausländi-
schen Geschmack, ausländischem Kunstsinn anzupassen ver-
standen hat, wodurch der Reichtum an künstlerischen Ideen, wie
die Leistungsfähigkeit künstlerischer Ausführung ’offenbar werden
und immer weiter befruchtet und gesteigert werden. Dies kommt
der Weiterentwicklung der Kunst in hohem Maße zugute. Die
Kunst lernt ja nie aus, und je mehr Anregungen sie erhält, um
so besser für sie. Auch die Konkurrenz auf allen künstlerischen
Gebieten, die auf den Messen in friedlichem Wettstreit sich zu-
sammenfinden, wirkte äußerst günstig und befruchtend auf die
Kunst.

Was von der Kunst im allgemeinen, gilt auch von dem
Kunstgewerbe im besonderen. Die minderwertige Ware
ist von der Leipziger Mustermesse verschwunden, vor allem, seit-
dem auch auf einem Gebiete das Leipziger Meßamt sich bemüht,
lediglich Qualitätsware zuzulassen. Den Qualitätsgedanken in
praxi auf einer solchcn Wettschau durchzuführen, ist gewiß keine
leichte Aufgabe, aber das Meßamt hat sie mit aller Energie gelöst.
Die Früchte dieses Bestrebens haben sich auf den letzten Messen
gezeigt: die Leipziger Kunstgewerbemesse ist zu einem bedeut-
samen Teil der Gesamtmustermesse geworden, — bedeutsam in
quantitativer und qualitativer Hinsicht. Ja, man kann sagen,
daß diese Messe an der Gestaltung eines Deutschen Stiles
einen nicht zu unterschätzenden Anteil hat. Dies ist gelungen
durch die Zusammenarbeit maßgebender Faktoren. Die Sächsische
Landesstelle für Kunstgewerbe ging voran, Prof. Groß widmete
sich vor allem diesem Gedanken, es bildeten sich zunächst säch-
sische, dann weitere deutsche Lokal- und Landesverbände, die
dem edeln Kunstgewerbe auf der Messe Bahn brachen. Wenn
auch z. B. der Deutsche Werkbund auf der Leipziger
Messe noch nicht offiziell vertreten ist, so doch seine Mitglieder.
Im Limburger Haus entfaltet der Wirtschaftsbund Deut-
scher Kunsthandwerker seine Fähigkeit, mit dem sich
der Bayerische Kunstgewerbeverein verband, dem
sich alsbald der Österreichische Werkbund anschloß,
der seinen Sitz ins Grassi-Museum verlegte, usw. Durch diese
Zusammenschlüsse ist dem Kunstgewerbe außerordentlich gedient,
denn sie verbürgen das Qualitätserzeugnis, gewissermaßen indi-
v i d u e 11 e Leistungen, die ja die Voraussetzung jeder Kunst sind.
Mag man auch hier anfangs — und auch jetzt noch — hier und da
auf Widersacher in kunstindustriellen Kreisen gestoßen sein, der
gute Gedanke brach sich dennoch Bahn und viele Firmen schlossen
sich ihm an. Allerdings: Außenseiter hat es stets gegeben und
wird es immer geben. Dies ändert aber daran nichts, daß der
bisherige Verlauf der Leipziger Kunstgewerbemessen beweist,
daß man auf dem richtigen Wege ist. Diese haben aber ferner
auch gezeigt, daß sie gute Erzieherinnen zum Echten, zum Tüch-
tigen geworden sind. Die kunstgewerblichen Produktionskreise
finden hier reiche Anregungen, die noch vermehrt werden da-
durch, daß man die Künstler selbst heranzog, indem man
eine Entwurfs- und Modellmesse schuf, die gegen-
wärtig im Neuen Rathause ihren Sitz hat und eine Organisation
darstellt, die als eine Art Vermittlung zwischen Künstler und Fa-
brikanten wirkt. Es handelt sich hierbei um eine ebenso eigen-
wie einzigartige Institution, utn einen bedeutsamen Faktor im ge-
samten Leipziger Messewesen, der auf das ganze Kunstgewerbe
von außerordentlichem Einfluß ist.

Das „Berliner Tageblatt“ vom 16. September 1922 nennt
den „Kunstwanderer“ die „anch im weiten Aus-
land anerkannte Sammler - Zeitschrift.“

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