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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

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1. Märzheft
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Bülow, Joachim von: Porträt und Porträtmaler
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https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0341

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Pot?ti?ät und PoDträtmaleü

oon

7. üon ßütotü

l-< s gibt verschiedene Möglichkeiten, ein Porträt her-
zustellen: Einmal, indem man es naturgetreu als
Dokument schafft, dann finden es die guten Freunde
sehr ähnlich, die Verwandten nehmen es übel und der
Dargestellte wird zum Feind des Malers und der Kunst.
Oder, das Porträt wird so, wie es der Auftraggeber
rnöchte. Dann ist alle Welt zufrieden und sogar der
Maler, sobald er das Honorar erhält.

Ein derartiges Bild verschwindet erfreulicherweise
erfahrungsgemäß innerhalb der ersten Generation.

Dic dritte Möglichkeit ist, daß das Bild als solches
ein Kunstwerk darstellt, daß es kein Mensch ähnlich
findet, daß es darum niemanden verletzt, daß der Maler
sein Honorar bekonnnt — wenn er es bekommt — mit
dem heirnlichen Hintergedanken, daß er es eigentlich
nicht verdient hätte. Aber der arme Teufel braucht halt
ein Almosen in anständiger Form gewährt.

Die letzte seltenste Möglichkeit ist die, daß das
Porträt zugleich Dokument und Kunstwerk wird.

Wir können getrost sagen, daß das alle die Porträts
sind, die uns von den alten Meistern noch erfreuen. Es
ist eine nicht zu leugnende Tatsache, daß schlechte
Kunst in sich den Keim ihres Unterganges trägt. Sie
verschwindet allmählich, wodurch, läßt sich nicht sagen.
Wahrscheinlich, weil solchen Werken nicht die Achtung
entgegengebracht wird, die nötig ist, um sie zu kon-
servieren.

Das ist ein Glück für die Menschheit und darum
braucht man sich auch nicht so viel Sorgen darum zu
machen, daß bei uns eine Überproduktion an Gemälden
stattfindet; sie werden den Weg alles Irdischen gehen,
selbst wenn sie heut in den unzähligen Museen gegen
alle Eventualitäten geschiitzt scheinen. Eine nach-
folgende Generation wird schon erbarmungslos, von
menschlichen Kiicksichten auf den Autor oder den Dar-
gestellten frei geworden, die Spreu vom Weizen
sichten.

Dennoch diirfen wir uns bei dieser Hoffnung nicht
beruhigen und nun das Schlechte widerspruchslos in
Kauf nehmen. Denn der Lebende hat auch sein Recht
und den Anspruch darauf, vor dem Schund bewahrt zu
bleiben.

Hierum ist die öffentliche Meinung in Gestalt der
Kritiker bemiiht, deshalb hat aber auch jeder Künstler
die Pflicht, sein Bestes zu geben.

Die Versuchung, das nicht zu tun, dem Publikum
zu gefallen, die Kunst zu vergewaltigen, tritt am stärk-
sten beim Porträt hervor. Porträtmalen ist die
schwerste und undankbarste Aufgabe fiir uns. Sie
bringt diejenigen unter uns, die von ihrer Kunst leben
miissen — und das sind leider die meisten — in
schwerste Gewissenskonflikte.

Die Konzession an dem Geschmack des Publikums
rächt sich immer, einerlei, ob sie in Porträts oder in
anderen Darstellungen geübt wird. Sie ist nichts weiter
als eine Prostitution, noch dazu des Besten, das wir
besitzen, vorausgesetzt, daß wir wirklich jenes unleug-
bare Etwas haben, das bei vielen Talent, bei wenigen
Genie genannt werden darf.

Es erscheint mir trotzdem nicht iiberfltissig, von
jenen Auchmalern zu reden, die in der Mehrzahl sind
und die das große Publikum haben will, sonst wiirden
sie nicht leben können. Es gibt unter ihnen vielleicht
aucli ganz ehrliche Leute, die ihr Bestes daran setzen,
ehrlich vor allem, weil sie niemand mehr versprechen
als er haben will. Auch sie malen Porträts, Dokumente.
die diesen Zweck erfüllen. Sie haben zumeist eine
starke kaufmännische Ader, wissen sich anzubieten und
bleiben doch in der Kunstwelt gänzlich unbekannt, weil
sie weder ausstellen nocli sonst hervortreten, es sei
denn, daß sie einen Laden aufmachen oder — früher —
auf Hintertreppen in ein Schloß gelangten, in dem man
ihnen den Professor oder Hofmalertitel als Gegengabe
gegen ein gestiftetes Bild verlieh.

Dennoch gibt es sie nocli heute. Sie wandern meist
auf dem Lande utnlier, von einem Gut zum andern, wie
einst die Hausschneider und weil sie oft zugleich amü-
sante Gesellschafter sind, reißt man sich um sie. Oder
sie haben jenes Talent, sicli bcdauern zu lassen, und zu-
crst aus Mitleid mit dem Maler, dann aus einer gewissen
Rachsucht, daß auch der andere hereinfallen möge,
empfiehlt man sie weiter.

Sie hat es übrigens immer gegeben. Man findet auf
Schlössern alten Familienbesitzes zuweilen beachtens-
werte Bildnisse aus früheren Jahrhunderten, von deren
Autoren nie jemand gehört hat und den dann plötzlich
irgend ein glücklicher Kunsthistoriker entdeckt.

Diese ganze Klasse Porträtmaler interessiert uns
aber nicht, weil sie wohl nie den Kampf mit sich kennen
gelernt, weil sie zur Kunst nur immer ein äußeres, ganz
legitimes, ordentliches Verhältnis haben, das ihnen keine
Probleme erlaubt.

Eine andere Schicht, die in Ausnahmefällen noch
zur Kunst Beziehung hat, sind jene mondänen Maler, die
gerade umgekehrt zu den ersteren ein Publikurn finden,
ohne es scheinbar zu suchen, indem sie ihm so lange
etwas schenken, bis es sich verpflichtet fühlt, sich durch
Aufträge zu revanchieren. Das sind die von Hause aus
mit Glücksgütern reich Gesegneten oder solche, die
durch einen plötzlichen, ganz unverständlichen Einfall
des Geschicks zu Modemalern wurden und nun in der
„Gesellschaft“ eine Kolle spielen, weil sie ein „Haus“
machen, in ihren eleganten Ateliers die elegantesten
Frauen bewirten, zuweilen die Cmade liaben sie zu
malen, Launen zur Schau tragen gleich einer Prima-

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