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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

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1. Märzheft
DOI Artikel:
Bülow, Joachim von: Porträt und Porträtmaler
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Donath, Adolph: Der Kunsthistoriker als Künstler: zu den künstlerischen Arbeiten von G. J. Kern
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https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0342

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donna und ein beliebtes Sujet für Familienromane
dritter Güte abgeben.

Sie sind aber durchaus nicht nur Romanfiguren,
sondern finden sich ebensowolil am Kurfiirstendamm in
Berlin wie in Belgravia-London oder Paris-Passy. Sie
erscheinen dann irgendwo plötzlich mit einer großen
Sammlung auffälligster Frauenporträts, finden in einer
gewissen Presse gliihenden Anklang und verschwinden
doch so schnell wie sie auftauchen.

Bei den meisten dieser Porträtmaler des großen
äußeren Erfolges erleben wir eine innere Tragik. Sie
fühlen selbst deutlich, wie das, was sie an Menschen-
bildern geben, ein Verbrechen am Geiste der Kunst ist.
Aber sie können von ihm nicht mehr los, dürfen sich
nicht umstellen, ohne ihr Brot zu verlieren. Sie erliegen
irnmer wieder dem gesellschaftlichen Zwang und neh-
men sich nur zuweilen kurze Ferien, um wirkliche
Kunstwerke zu schaffen, mit denen sie dann die Gegner
ihres sonstigen Wirkens wieder versöhnen.

Als letzte Maler des Porträts bleiben dann die weni-
gen zu nennen, die ohne Konzession, oline Rücksicht
auf den Geschmack des Publikums ihre Aufgabe er-
füllen. Es sind die, die nicht eigentlich auf den Titel
des Porträtisten Anspruch erheben, weil sie nicht Spe-
zialisten sein wollen oder können.

Es sind das die Maler, denen schließlich alles Por-
trät ist und die sich vor eine Landschaft, eine Blumen-
vase, ein Pferd nicht mit anderem künstlerischen
Wollen hinsetzen wie vor den Menschen.

Was sie dann leisten, wird unbestechlich gut sein,
vorausgesetzt, daß sie überhaupt in die Klasse der
wahren, guten Maler zu rechnen sind. Bei ihnen ist das
Menschenbild nie s o Mittelpunkt ihres Schaffens, daß
es alle andern Sujets in den Hintergrund drängt. Aber
es stellt doch bei dem wirklichen Maler Höhen seiner
Leistung dar.

Im Porträt zeigt sich immer am reinsten das Kön-
nen, das Ziel der künstlerischen Entwicklung. Denn
es verlangt die größte Vertiefung, es zwingt zur Ge-
nauigkeit. Man kann im Menschenantlitz nicht nur Un-
gefähres geben wie in der Landschaft, man kann in ihm
nichts ändern wie an einem Blumenstrauß, aus dein man
die eine oder andere Blüte entfernt.

Man kann, man muß auch hier vereinfachen, weil
ja jede Kunst im Fortlassen des Unwesentlichen be-
steht, aber dies Unwesentliche zu erkennen, dies Unter-
streichen des Charakteristischen ist so schwer, so uner-
lernbar, daß man das Porträt als die höchste Kunst-
leistung hinstellen darf.

Dee Kunffbtffomkec als Kunfftet?

Eu dcn Künßtct’ijcbcu At’bctfcn non Q. J. Kccn

oon

Adotpb Oonatt)

Immer hat es Künstler gegeben, die auch als Kunst-
1 schriftsteller tätig waren und deren Publikationen
reiche Queilen für die Kunstforschung geworden sind,
ob sie nun als theoretische Darlegungen der Kunstübung
an sich gewertet werden oder als Äußerungen rein
ästhetischen Empfindens, oder als Beschreibungen des
Kunstlebens ihrer Zeit. Ich erinnere, um nur einige
Namen zu nennen, an Ghiberti, den Florentiner
Bronzegießer, an Leonardo und V a s a r i, an
D ü r e r und Sandrart, an Karel vanMander,
an H o u b r a k e n , M e n g s und F ü ß 1 i, an
Ruskin und zahlreiche moderne Maler, unter denen
auch deutsche Namen von Ruf sind. Doch unter den
modernen Malern, deren Schriften im allgemeinen von
künstlerisch-ästhetischen Gesichtspunkten ausgehen, ist
vielleicht nur ein einziger, der Anspruch darauf erheben
könnte, auch als Kunstwissenschaftler betrachtet zu
werden: der Holländer Jan Veth, der das vortreff-

liche Buch über Rembrandt schrieb. Veth wäre also
vielleicht auch ein ernst zu nehmender Galeriedirektor.
Ich sage dies aus dem Grunde, weil ich die Anschauung
für berechtigt halte, daß M a 1 e r , die k e i n e Kunst-
historiker sind, nicht ftir die Leitung von Museen taugen.

Nun aber möchte ich in diesem Zusammenhange
auf einen Fall aufmerksam machen, der aktuell ist und
gewissermaßen fast ohne Beispiel dasteht. Am 1. März
schied der langjährige Kustos der Berliner National-
Galerie, Prof. Dr. G. J. K e r n, von seinem Posten,
um sich ganz der künstlerischen Tätigkeit zu widmeri.
Wenn ein Kunsthistoriker von Namen, der wichtige
Studien zur perspektivischen Forschung schrieb und
grundlegende Werke über Menzel, Blechen u. a. heraus-
gab, zu einem solchen Entschluß kommt, muß er, meiner
Ansicht nach, das Gefühl haben, daß er zum Künstler
geboren ist. Und ich glaube, nicht fehlzugehen, wenn
ich annehme, daß ihm dieser Entschluß dadurch er-

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