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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

DOI Heft:
2. Aprilheft
DOI Artikel:
Schneider, Friedrich: Die Pflege der Thüringer Kulturstätten
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https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0411

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7ahrgang 1923

2. ApriLrieft

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Präludium zu einer angekiindigten Vorlesung über
kulturelle Strömungen in Thüringen im 19. Jahrhundert.

|ie leidiye Politik in Thüringen und im Reiche
wirbelt Nebel und Wolken leidenschaftlicher Ge-
gensätzlichkeit empor, die den Ruhm und die Größe der
unvergänglichen Kulturgüter unserer Nation in ihrer
Wirkung zu verdunkeln drohen. Weimar und Jena, die
wir immer und immer wieder bewußt verbunden
nennen, so wenig sie heute äußerlich zusammenzuge-
liören scheinen, bilden einen der unerschöpflichen und
unerschöpfbaren Jungbrunnen unseres Volkes und der
Menschheit.

Der Zusammenschluß der ehemaligen sieben Thii-
ringischen Kleinstaaten — sieben Sterne bilden das neue
Wappen von Thüringen — hat nun neuerdings eine
Fülle von Kulturstätten vereinigt, wie wir sie außer auf
klassischem Boden in der Welt nicht wiederfinden.
Dieser Reichtum verpflichtet! Wir begeben uns nicht
auf das Gebiet der Politik, sondern loben heute einmal
die gute Seite des Kleinstaates, die ihn
in der Vergangenheit und in seinen besten Zeiten er-
träglich gemacht hat: die kulturelle. Auch der
neue Staat Thüringen umfaßt nur etwa den vierzigsten
Teil des Deutschen Reiches. Jakob Burckhardt würde
damit vielleicht nicht unzufrieden sein.

Am 1. April 1923 nun hat der neue Staat Thüringen
in einer denkwürdigen Sitzung den Kulturbesitz der
einstigen Thüringer Länder übernommen. Kunst- und
Hrinnerungsstätten sollen allenthalben in einem ihrer
Bedeutung entsprechenden würdigen Zustand erhalten
werden. Von allen Seiten drängten sich an diesem

Tage die Schatten der Vergangenheit, die Fülle der
Gesichte heran, deren Erdenspuren wir nachgehen,
deren Andenken wir pflegen. In Weimar gingen in den
Besitz des Staates Thüringen über: das Goethe Natio-
nalmuseum, Goethes Gartenhaus mit dem Park, das
Schloß mit dem Schloßmuseum, das Tempelherrenhaus
und das Römische Haus im Park, das Wittumspalais,
Schloß und Park Belvedere und Tiefurt, das Museum
am Museumsplatz, die Landesbibliothek, das Deutsche
Nationaltheater, das Staatliche Bauhaus in Weimar
(dessen Gründer und Leiter Walter Gropius sich soeben
in der Beilage zum Amtsblatt des Thüringischen Mini-
steriums für Volksbildung, Jahrgang 1923, No. 1, über
die Idee und die Entwicklung seiner Schöpfung ge-
äußert hat), die Staatliche Hochschule für bildende
Kunst, die Staatliche Musikschule, das Liszt-Museum
und das Künstlerheim. Die Landestheater und Kapellen
in Meiningen, Altenburg, Gotha, Sondershausen und
Rudolstadt, die wissenschaftlichen Anstalten, Biblio-
theken und Münzsammlungen, endlich die Naturdenk-
mäler sollen in die dunkle Zukunft hinübergerettet
werden, sie m ü s s e n hinübergerettet werden. Die
Wartburg gehört allen Deutschen! Etwas anders als in
den genannten Städten liegen die Dinge in Gera, der
Hauptstadt von weiland Reuß j. L., wo der Fiirst für das
„Reußische Theater“ und die „Reußische Kapelle“
große Summen stiftet, die der Staat heute nicht so leicht
aufbringen könnte. In Greiz, der Haupstadt von weiland
Reuß ä. L., liegen die Dinge noch anders. Es erscheint
als eine Pflicht, die deutsche Öffentlichkeit darüber zu
unterrichten, wie hier im Thüringer Lande eine neue
deutsche Kunststätte geschaffen wurde.

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