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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

DOI Heft:
2. Juniheft
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Zülch, Walther Karl: Die Grünewaldlegende: kritische Beiträge zur Grünewaldforschung von Geh. Rat. Dr. W. Rolfs - Giersemann Leipzig 1923
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https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0509

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1/aum wird es noch einen Deutschen von Durch-
* schnittsbildung geben, dem der Name Matthias
Grünewald nicht ein Begriff wäre von genialster deut-
sclier Malkunst. Ja, und daran sind ebenso die zahl-
reichen Publikationen der letzten jahre über Grtine-
walds Kunst, wie die veränderte Geistesströmung be-
teiligt; es steht heute so, daß viele über Grünewald fast
ganz Dürer vergessen. Dürers und Grünewalds Leben
umfassen die gleiche Zeitspanne 1470—1528; aber
während der Nürnberger breiten Ruf und Ruhm bei
Fürsten und im Volke sclion im Leben gewann und bis
lieute nicht verlor, hat Grünewald in abgeschlossenen
Zirkeln sich bewegt und wurde früh vergessen, die
Person, nicht das Werk. Das, was wir von ihm wissen,
danken wir dem Maler Joachim von Sandrart. Dieser
aber sagt 1675 (150 Jahre nach Grünewalds Tode, den
er falsch auf 1510 statt 1528 angibt) in seiner „deutschen
Akademie“, daß er mündliche Mitteilungen, die ihm als
Knabe vor 50 Jahren gemacht wurden, als Greis auf-
zeichnete. Diese auf Gruud müudlicher Überlieferung
nach 50 Jahren von einem alten Manne gemachten An-
gaben enthalten nachweisbare Fehler: Das Todesjahr
1510 ist siclier falsch, dazu nennt er den Schüler Griine-
walds und Lehrer Ph. Uffenbachs einmal Johannes
Grimer, ein andermal A d a m G r i m m e r aus Mainz.
Eisenach und Isenheim werden verwechselt. Daraus
folgt, daß Sandrart mit Vorsicht zu benutzen ist, er
konnte sich auch in einem sehr wichtigen Punkte geirrt
haben, nämlich in dem N a m e n G r ü n e w a 1 d. Vor
Sandrart 1675 kannte man als einwandfreie Benennung
nur Mathis von Aschaffenburg, Maler des Kurfürsten
von Mainz; den Eigennamen Grünewald hat Sandrart
durch nichts belegt, und mit größter Wahrscheinlich-
keit liegt auch hier ein Gedächtnisfehler, Zusammen-
strömen verschiedener Erinnerungen des alten Mannes
zu Grunde. Jede Grünewaldforschung ist naturgemäß
von dem Namen G r ü' n e w a 1 d ausgegangen und hat
ilm zum Ziel gehabt. Alle Mühe war vergebens. Da-
gegen ist über Mathis von Aschaffenburg
Vieles und sehr Wichtiges gefunden worden (H. A.
Schmid). Nur an der nächst Mainz Hauptgrünewald-
stä'tte, das ist Frankfurt, fand sich nichts. Da wurde
durch zwei Publikationen von mir die historische Frage
gründlich umgewendet (Repertorium für Kunstwissen-
schaften 4u (1917) 43 (1920): „Grün oder Grünewald“?
und „Das Dunkel um Grünewald“.) Aus meinen For-
schungen zur Frankfurter Kunstgeschichte veröffent-
lichte ich, dem Ganzen vorgreifend, drei Namen. „Maler
Mathis von Straßburg 1511, Bildhauer und Maler Mathis
Grün von Eisenach und Maler Mathis Gothardt, alias
Nithardt von Würzburg 1527—1528. Mit der Heraus-

arbeitung der Person des Mathis Grün, der als „Meister
Mathis der Maler“ vom Grafen von Erbach beschäftigt
wird, hatte ich beabsichtigt, „den Kern der Enkel-
schülertradition Sandrarts“ zu erklären, d. h., daß ver-
blaßte Erinnerungen an diesen Mathis Grün den Sand-
rart verwirrt hätten, als er seine Grünewaldbiographie
schrieb. Dann fülirte ich in meiner zweiten Veröffent-
lichung die ganz außerordentliche Künstlerpersönlich-
keit des Mathis Gothardt alias Nithardt, eiue phänome-
nale Erscheinung, in die Kunstgeschichte ein. Mit Hän-
deri zu greifeu waren die Beziehuugen, die vom Got-
hardt-Nithardt zum Schöpfer des Werkes gehen, das
unter dem Namen „Grünewald“ uns bekannt ist. Zu
allen anderen Parallelismen kam das merkwiirdigste:
das sicher überlieferte, aber rätselhafte Monogramm des
sogenannten Mathis Grünewald von Aschaffenburg (das,
wäre dieser Name richtig, M. G. A. heißen mußte), also
jenes Monogramm M. G. N. fand in Mathis Gothardt-
Nithardt eine Lösung! Bevor nun das Urteil formuliert
wurde: Griinewald ist Gothardt-Nithardt zu benennen,
war m. E., weil es sich eben um keinen Geringeren
dreht, als Grünewald, das Ergebnis der neuorientierten
Forschung abzuwarten, ob nämlich die Archive der
Grünewaldstätten, also Mainz, Aschaffenburg, Halle,
Mainzer Akten in Würzburg u. a. iiber Gothardt-Nit-
hardt eine Antwort geben, nachdem sie iiber Grünewald
geschwiegen liatten. W .Rolfs bringt zu diesen not-
wendigen Fragen kein neues Material, er kombiniert die
grundlegenden Forschungen H. A. Schmid’s, dazu die
neuere Grünewaldliteratur rnit den Publikationen
Zülchs und verlegt den Anfang des, nun nicht mehr
Grünewald, sondern Gothardt-Nithardt nach Würzburg,
weiter nach Ulm. Hier beginnt der selbständige Wert
des Buehes in wichtigen Beiträgen zur Würzburger
frühen Malerei. Gute Abbildungen begleiten den vor-
ziiglichen Druck. Noch ein Schlußwort, weil es um
Grünewald geht, der mir menschlich noch näher steht
als kunsthistorisch. Ich liabe die Gothardt-Nithardt-
Urkunde acht Jahre sorgsam gehütet, ehe ich sie mit
größier Vorsicht und Akribie herausgab, auf freund-
lichcs Drängen. Kaum ein Jahr darauf schreibt W.
Rolfs nur mittels dieser Urkunden. ohne eigenes bewie-
senes Material, ein dickes Buch, das ob seines Titels als
Beiträge W. Rolfs zur Grünewaldforschung bereits in
Zeitungen zensiert ist — obwohl C.eheimrat Rolfs nur
interpretiert und eine Möglichkeit zur Tatsache erhebt.
Ich bin selbst durch sorgsame Nachprüfungen über-
zcugt, daß im Kopfe des alten Herrn Sandrart auch mit
dem Namen Grünewald ein Irrtum passiert ist, und daß
das Phänomen Gothardt-Nithardt einmal wieder zu

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