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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 4./​5.1922/​23

DOI Heft:
1./2. Augustheft
DOI Artikel:
Bülow, Joachim von: Die Siedlung als Rettung der Kunst
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.20303#0567

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1/2. Aag ustfief 1:

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7- tx Bülotü

Die nachstehenden Ausführungen des M a 1 e r s Dr.
J. v. Biilow dürften auch jene kunstliebenden Kreise an-
regen, die mit dem Inhalt dieses Aufsatzes nicht völlig
einyerstanden sind. (Die Redaktion).

| ie wirtschaftliche Lage der bildenden Künstler
hängt vom Bildwert ab, nicht von ihrem Können,
nicht einmal vom Geschmack der Käufer. Denn dieser
wird viel mehr von dem Preise beeinflußt, der für eines
Künstlers Werk auktionsmäßig festgestellt ist, als vom
Gegenstand oder der Kunstweise. Das Bild ist fiir die
meisten nichts weiter als eine Aktie, sobald es Kurs hat.
Die sinnliche Lust am Beschauen, die bei der Aktie aus-
schaltet, ist eine Zugabe, aber keine Voraussetzung
mehr fiir den Erwerb. Die Käufer aus Freude am Bild-
werk könnten aus unseren Betrachtungen eigentlich
ausscheiden, weil es sie kaum noch gibt. Nicht weil
sie nicht kaufen möchten, sondern weil sie nicht können.
Denn die Bildpreise sind in Erkenntnis der Käufer-
psyche zu hoch. als daß sie normalen Börsen zugängig
wären, obwohl sie im Verhältnis zur Geldentwertung
noch immer niedrigst bleiben.

Das einzelne Kunstwerk muß heut auch deswegen
so teuer verkauft werden, weil im Durchschnitt von
vielleicht tausend Kunstwerken, die in der ganzen Welt
geschaffen werden, nur eins verkauft wird und weil
der Künstler vom Verkauf leben will. Es bleibt also
für den willigen armen Kunstkäufer gar keine Möglich-
keit, Originale zu erwerben. Der Kiinstler, der heut
billig verkaufen wiirde, handelte wirtschaftlich falscli.
Er hat in jedem Kunstwerk Goldwerte, wenn auch z. Z.
unrealisierbare, sie sind seine Lebens-, seine Alters-
versicherung, sobald es ihm gelingt, mit den wenigen

Bildern, die er teuer absetzt, einen Marktpreis für sich
aufzustellen.

Das sind unbestreitbare Tatsachen, ebenso unan-
fechtbar ist ihre Unsinriigkeit. Der Künstler ist schließ-
lich nicht um seiner selbst willen Kiinstler, sondern im
Interesse der Umwelt. Er hat weder wirtschaftlich
noch kulturell Existenzberechtigung, wenn er nur
Werke schafft, die irgendwo in einem Speicher stehen.
Ein Künstler ohne Publikum gleicht dem Robinson mit
dem Goldklumpen. Er verhungert auf der einen Seite,
auf der anderen steht die Menge und diirstet nach Kunst.
Sie verdurstet niclit, weil es keine Lebensnotwendig-
keit ist, Kunst zu besitzen, aber es ist eine Kulturnot-
wendigkeit und wer Kultur als Teil der Lebensbedürf-
nisse ansieht, der muß auch Kunst dazu rechnen.

Den heutigen ungesunden Zustand der Kunstwirt-
schaft, die in dieser Form in der ganzen europäisch be-
einflußten Welt die gleiche ist, miissen wir ändern. Das
ist ein Problem, fast so wichtig wie die Ab-
rüstungsfrage.

Vor allem müssen wir die Kunst aus dem wirt-
schaftlichen Drucke lösen, der heut auf ihr lastet. Theo-
retisch gibt es genug Mittel, praktische sind zur Zeit
noch nicht vorgeschlagen worden.

Theoretisch wäre es richtig, den Künstler als
Geber kultureller Werte zum Staatspensionär zu
machen, wie den Lehrer der Jugend, den Beamten.
Lesen und Schreiben lehren ist zweifellos wichtig,
Steuerneintreiben und Rechtsprechen ebenso, Kunst-
schaffen erscheint uns nicht weniger wichtig, doch
teilt diese unsere Ansicht die Welt nur auf dem Papier.
Täte sie es praktisch, so hätten wir den Einwand, der

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