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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 5./​6.1923/​24

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1./2. Januar
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Schweinfurth, Philipp: In terra Aegypti
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https://doi.org/10.11588/diglit.22444#0138

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vorher erschienenen Buches betrachtet werden kann,
das die Ergebnisse jahrzehntelanger Beschäftigung mit
den ägyptischen Kunstwerken enthält *) hat Professor
Heinrich Schaefer die exakte Kategorie der Weltkunst
angegeben, und weiter die große Frage nach demUnter-
schied der ägyptischen und der griechischen Kunst end-
gültig geklärt. Dieser Unterschied ist ein genereller;
er liegt im Gegensatz des „richtungsgraden“ und des
„richtungsfreien“ Schaffens, im Gegensatze des Ge-
setzes des Ebenenkreuzes zur freien Anordnung des
Motives begründet. Möge die griechische Kunst manche
ihrer Grundlagen der ägyptischen entlehnt haben, mit
dem Augenblicke, wo sie ganz sie selber wird, init dem
beginnenden V. Jahrhundert, ist sie „nicht die Wirkung
eines Entwicklungsgesetzes, sondern eines einmaligen
geschichtlichen Ereignisses“ (Schäfer, 1. c. p. 19). Das
griechische Phänomen, „das griechische Wunder“, wie
Renan sagt, hebt sich auch auf dem Gebiete der Kunst
von allem übrigen ab, wie das im idealen Sinne un-
sterbliche Wesen des genialen individuums vom mäch-
tigen, im realen Sinne unsterblichen Leben der Gattung.
Letzterem entspricht der Inhalt der ägyptischen Denk-
mäler. Sie enthalten die allgemeine menschliche Typik,
und diese in einer Klarheit, Größe und Verständlichkeit
der Formulierung, die weder von der altamerikanischen
noch von der indischen oder altchinesischen Kunst er-
reicht worden ist. Hierin liegt vor allem ihre erhabene
Bedeutung. —

Noli timere, descende in Aegyptum. Aber bald
nach der Ankunft wird man gewahr, daß unter den
heutigen Verhältnissen von den geplanten Wochen nur
Tage nachbleiben werden. Freilich „überreiche, stau-
nenswerte ’l’age“ wie einst Lepsius sagte. Seine Briefe
aus Ägypten sind, trotz mancher seltsamen Nüchtern-
heit, unbeachtet des Zeitabstandes, noch heute ein vor-
zügliches Buch aus dem die Tüchtigkeit und die hohe
Energie eines großen Gelehrten spricht. Wenn Lepsius
schildert, wie die Expedition von Alexandria nach Kairo
aufbrechend, drei Tage im Delta reist und wie dann am
Morgen des vierten Tages, während sie noch auf dem
Rosettearme treiben, die libysche Wüste dicht heran-
tritt und die großen Pyramiden sichtbar werden, deren
Anblick die Reisenden zusammen init der Vision des
Stromes, der Ufer und der Wüste nun stundenlang bis
zur Ankunft in Bulacq begleitet, so muß man jene Zeit
wohl beneiden. Die Ankunft in Alexandria bleibt aucli
heute noch dasselbe mächtige Bild, die Eisenbahnfährt
durch die Deltalandschaft, die flach wie eine Tisch-
platte, von der untergehenden Sonne beschienen wird,
prägt sich dauernd der Erinnerung ein. Aber Kairo er-
reicht man Nachts, und der Eindruck am nächsten Mor-
gen ist zunächst der des gewaltigen morgenländischen
Gewühls, „als wären wir hier schon in das innerste

*) Heinrich Schäfer: Grundlagen der ägyptischen Rundbild-
nerei und ihre Verwandtschaft mit denen der Flachbildnerei. Leip-
zig, I. C. Hinrichs 1923 (Der alte Orient, 23. Band, 4. Heft).

Heinrich Sohäfer: Von ägyptischer Kunst, besonders der
Zeichenkunst. Leipzig, I. C. Hinrichs 1919. Eine zweite, erwei-
terte Auflage inzwischen erschienen.

Herz des heutigen Grients gedrungen.“ Aus der bunten
Enge, dem Geschrei und Getöse der arabischen Straßen
ragen die Minarette mit einem Stolze ganz eigener Art
in den blendenden Sonnenglanz. Die arabische Kunst
erweist sich hier überhaupt als ein Gebiet, von dem man
früher nicht gewußt hat, daß es so supreme Formeln in
sich schließt. Aber an ihr vorbei strebt man dem Alten
zu. In den riesigen, bahnhofsartigen Hallen des Mu-
seums steht man dem alten Reich gegenüber, von Ange-
sicht zu Angesicht. Fast unermeßlich ist, was dort
sohst den Besucher noch umgiebt. !ch hatte die Elrre
W. S. Golenischeff, den hervorragenden russisehen
Ägyptologen, dessen eigene Sammlung als prächtiger
Grundstock des Museums für Bildende Künste in Mos-
kau Säle füllt, im Kairiner Museum zu begrüßen und
durfte von ihm gelegentlich eines Ganges durch die
Sammlung wertvolle Hinweise empfangen. —

Wenn man iiberhaupt von einem solchen sprechen
will, so bleibt die große Chefrenstatue mit dem Falken
aus grauem, schwarz geadertem harten Stein der
größte Eindruck des Museums von Kairo. Die Kraft und
Sicherheit, mit der sie gearbeitet ist, stammt aus dem
Können des Menschen der Steinzeit; ihre statisch-
formalen Elemente verweisen auf Kulturepochen, die
erst viele Jahrtausende später kommen sallten. Man
betrachtet das Werk mit einem Gemisch von Schauer
und Freude zugleich. Das im Aufbau der Chefrenfigur
enthaltene Dreieck ist der Pyramidenform unmittelbar
verwandt. Wenn man, wie in meinem Falle, die Pyra-
miden erst nach der Chefrenstatue erblickt, glaubt man,
sie schon einmal gesehen zu haben. Es ist derselbe
Logos. Worin er besteht, darüber werden wir wahr-
scheinlich nie mehr als Vermutungen äußern können.
Wohl aber haben wir die unmittelbare Empfindung
seines Wertes.

Am nördlichen Triangel der „Glanzstätte des
Churfu“ fallen sofort die erhaltenen Bekleidungssteine
auf. „Daß die Ägypter die Lehrmeister der Welt im
Bauen aus sorgfältig rechtwinklig behauenen Blöcken
gewesen sind“ ist einer der ersten Eindrücke auf dem
Pyramidenfelde. Die Vollendung dieses Gefüges der
Bekleidungssteine und des Pflasters, auf dem sie auf-
ruhen (von Vyse 1837 entdeckt; er schüttete das Ganze
wieder zu, utn es auf diese Art für spätere Zeiten zu
erhalten) ist dasselbe, wie bei den Propyläen oder beim
Parthenon. Der weiße Kalkstein hat Oualitäten, die
dem Marmor nähe kommen. Die Schönheit der Propor-
tionen in der Anordnung der Blöcke ist in hohem Maße
lichtvoll. Anders wirkt der Granittempel; er ist ur-
zeitlich, dabei den technischen Energien unserer Zeit
wie wesensverwandt. Einen zweiten Sphinx möchte
ich den riesigen Schacht von Sawet-el-Arjan nennen,
rnit seinen Granitblöcken in der Tiefe und dem in ihm
befindlichen rätselhaften großen, mit einem Deckel ver-
sehenen Granittrog von ovaler Form, von dessen voll-
kommener Linie und spiegelblanker Politur Maspero
sagt, daß sie schaudern macht. Nach dem superben
Eindruck von Abu-Gurab kommt man zu Borchardts
Jotentempel des Sahure; es sind noch so bedeutende

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