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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 5./​6.1923/​24

DOI issue:
1./2. Juliheft
DOI article:
Justi, Ludwig: Slevogts Zauberflöten-Fries
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22444#0344

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tudiüig luüi

| m Märzheft 'des Kunstwanderers wurde von der
1 Schenkung der Cladower Wandmalereien Slevogts
an die National-Galerie berichtet. Ein Unglück kommt
selten allein — manchmal geht es aber auch rnit dem
Glück >so!

Slevogts Zauberflöten-Fries, für eiri. Musikzimmer
bestimmt, eine niedrig-längliche Leinwand, 63 cm hoch
und 4,30 m lang, mit Blattgold bedeckt und darauf be-
wegte Gestalten aus Mozarts letzter Oper, hing 1917 im
großen Saal der Sezession, da wo jetzt die Bühne ist,
und erregte mein helles Entzücken. Vor ein paar Wo-
chen sprach ich mit Slevogt darüber: dies Bild müßte
eigentlich noch herbei — wo möge es wohl jetzt sein?
und siehe da, nach wenigen Tagen wird es mir am Te-
lefon als Leihgabe angeboten. Möchte es doch immer
so gehen, wenn man sehnsüchtig von schönen Bildern
spricht!

Nun wurde der Raum vor der Gartenhalle ent-
sprechend verändert, der goldene Fries zieht sich über
unsere achtzehn Slevogt-Zeichnungen hin — einen hel-
len Streifen hatten wir da schon vorgesehen, als oberen
Abschluß der Wand über den kleinen Blättern, jetzt hat
sich der Stübenma'ler-Streifen wundersam verwandelt
in das sprühende Gebilde des Meisters. Ganz eünfach
war die Einfügung nicht, das Gold durfte nicht zu sehr
blinken, schließlich kamen w'ir darauf, den Lichteinfall
oben durch blaue Vorhänge zu dämpfen. Die Gestalten
sind nämlich nur leicht strichelnd über das Blattgold
hingeworfen, und es gilt diese Wenigkeiten von Farbe
so zu belichten, daß s’ie körperhäft auf dem Gold wirken.
Es entsteht dann ein Klang, wie er sonst in der höhen
europäischen Malerei nicht vorkommt. Die alten Kir-
chentafeln stellen die Heiligen als geschlossene Flächen
vor den Goldgrund — hier aber schimmert das Gold
auch durch die Gestalten durch, weil sie nur so zart
und weitmaschig darüber gehaucht sind. Es ist ein ganz
einzigartiger Einfall seltener Begabung für schmückend-
spielende Malerei.

Und wie reizend sind die Figürchen erfunden! Nicht
der etwas ams Komische streifende Ernst des Giesecke-
Schikanederschen Textes, und die Theaterhaftigkeit der
Bühnenvorgänge. Gerade in der Mitte niclits Feierlich-
Tragisches, sondern dessen lustiges Gegenspiel: Papa-
getio, von Monostatos und den Sklaven überfa-llen, rettet
sich durch sein Glockenspiel, die bösen Feinde geraten
ins Tanzen, „das klinget so herrlich, das klinget so
schön“ — kostbar ist es, wie die tölpischen Gesellen
von dern Rhythmus der Zaubermusik erfaßt werden
und sich in niggerhafte Bewegung setzen. Links davon
nochmals der Mohr, einen mächtigen Ring in der Nase,
voll Gier und Eifersucht — „und ich soll die Liebe
meiden, weil ein Schwarzer häßlich ist“ — wie eine Be-
stie an einenr Stein emporfauchend: Tamino und Pa-

mina erscheinen da, unter einer schwanken Palme mit
schaukelnden Affen (an die Cladower Gartenhalle er-
innernd); Tamino hält die Flöte nrit buntem Band, durch
deren Zauberklang er Feuer und Wasser überwunden
hat. Das hohe Paar bewegt sich mit jenem Adel, der
einem primo uomo und einer prima donna zukommt.
„Er ist Prinz“ sagt der Sprecher, worauf Sarastro:
„noch mehr — er ist Mensch“. Wunderschön opernhaft
antik ist er angezogen. Weiterhin am Bildrande die
Königin der Nacht, in großer tragischer Haltung —
„zmn Leiden bin ich auserkoren“ — umgeben von ihren
drei Damen mit den langen Wurfspießen; sie sind, im
Unterschied von den anderen Gestalten, nicht in ihrer
Rolle aufgegangen, Sängerinnen der zweiten Garnitur,
die gerade Pause ha'ben und in den engen Schnürleibern
sehr verkleidet aussehen. Auf der reohten Bild-
seite der überaus edle Gegenspieler der düsteren Köni-
gin, Sarastro, mit leuchtend rotem Ordensband (pharao-
nische Tracht ist eigentMch vorgeschrieben, die in-
zwischen so modern geworden ist); sein Triumphwa-
gen wird von zwei Löwen gezogen, ganz von ihrer
Würde erfüllt marschieren sie in einer Art spanischen
Sohrittes einher. Dem Wagen folgen die Priester mit
erhobenen Posaunen, deren Klänge schon das Vorspiel
eröffnen und die oratorienhafte Erhabenheit des Tem-
pels bedeuten, während aus den beiden Zaüber-Instru-
menten, dem Geklingel Papagenos und der schwärme-
rischen Melodie der Flöte, so zart wie klar die feinste
Gegensätzlichkeit der opera buffa und der opera seria
ertönt. Hinter den feierlich schreitenden Priestern
taucht aus der BildeckePapagena auf, das zierlich trieb-
hafte Weibchen, freundliche Lichtstrahlen schmeicheln
ihre einfach-natürlichen Reize hervor.

All das entspricht keineswegs genau den Bühnen-
vorgängen: Papagena erscheint da nicht hinter dem
Priesterzug. und die Priester tragen nicht die Posaunen.
sondern nehmen sie aus Stand, Sarastro fährt nioht mit
Löwen, sondern mit sechs Sklaven, Monostatos fällt
nicht das hohe Paar an, sondern Pamina allein, die Kö-
nigin der Nacht sitzt nicht tragisch zwischen ihren Da-
men, sondern steht vor demThron inmitten des Sternen-
himmels. Vielmehr hat Slevogt die Hauptgestalten ganz
frei zusammengestellt, aber die Erscheinung jeder ein-
zelnen ist vollkommen treffend, wie eine Verdichtung
ihres musikaMschen Charakters. Erinnert man sich ein-
mal an die vielen graphischen und malerischen Darstel-
lungen von Opernfiguren, an die alten Taschenkalender
und die Düsseldorfereien, an die Wagneriana und man-
ches numerierte Neuere, so wird man wohl lallerlei Ab-
stufungen von Abstraktion und Einfühlung finden, doch
nie diese durchaus besondere verstehende Entzücktheit
von der Bühne und Partitur, und dies souveräne
Spiel mit dem Spiele.

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