Aus dev Mufeumsioelh
Le(T<2t? Ury In dcc ]Hationa(gateüte.
U r y hat in diesem Sommer 1924 im Rheinland gemalt. Seine
Ernte ist reich, ja gewaltig. Und wer sie jetzt in der National-
Galerie (im ehem. Kronprinzenpalais Unter den Linden) sieht, muß
zugeben, daß sich der Berliner Meister, dein wir den ersten selb-
ständigen Impressionismus in Deutschland verdanken, von einer
neuen Seite zeigt: der 63jährige offenbart in seinen Rheinland-
schaften ein jugendliches Temperament, wie es nur sehr wenigen
Malern beschieden ist. Daß aber Ludwig J u s t i, der Leiter der
Nationalgalerie, trotz allen den Unannehmlichkeuen, die er mit der
Akademie gehabt hat — und die Akademie war und ist durch-
aus nicht im Recht — sofort zugriff, indem er die Ury’schen Rhein-
bilder ausstellte, ist ein eklatantes Zeichen seiner uneingeschränk-
ten künstlerischen Ziele.
Ury hat den Sommer des Rheins gemalt. In voller praller
Sonne. Das Wasser tiberdeckt mit Licht und Luft, die Bäume an
den Uferwegen berührt von den Fingerspitzen der Sonne. Reine
ganz reine Rheinlandschaft hat er gemalt. Reine Natur und reine
Naturkraft. Und wer die Sonne zu sehen vermag, sieht sie auch
hier überall leuchten und blinzein. Doch nicht nur die hellen
Stimmungen um den Mittag sind es, die Ury locken, auch die
triiben, die Regentage finden ihn im Freien und die Sonnenunter-
gänge, die den feuchten Wetterszenen folgen. Und niemals war
Ury, der uns einst die diistere Mark sonnenfroh machte, uns in die
huschenden Lichter des Thiiringer Waldes führte und an den
Gardasee mit seiner bald rosigen, bald silbrigen, bald glühend-
blauen Farbenfreudigkeit, so unerhört stark Nur-Licht- und Nur-
Luftmaler wie in diesen reinsten aller Rheinlandschaften. Denn
niemals ist es einem Impressionisten gegliickt, die Romantik des
Rheins so natiirlich zu erfiihlen, sie ohne jegliches roniantische
Uebermaß zu gestalten, wie dem 63jährigen Lesser Ury
Auch einige seiner Pastelle vom Rhein hängen in der
Nationalgalerie. Ihre Hauptserie stellt gleichzeitig die Neue
Kunsthandlung aus. Alles ist hier, wie überhaupt bei Ury
seit Anbeginn seiner Malerei nur auf die Farbe gestellt. Friiher
und auch heute noch schwirren die Schlagworte umher, daß er
,.kein Zeichner“ wäre — er hatte iibrigens vor mehr als vierzig
Jahren bei Portaels-Briissel den ersten Preis im Zeichnen erhal-
ten — oder man spricht davon, daß er von den Belgiern oder von
Fontaineblau „beeinflußt“ sei. Gewiß: Kein Maler war und ist
ohne äußere Anregungen möglich. Aber Lesser Ury war trotz
Fontaineblau und trotz Manet der erste in Deutschland, der seine
eigenen Wege ging unl in dessen Malerei man die eigenen
Wege auch s p ü r t. Und uas stieß vielleicht gerade jene ab, die
in der „RicLtung“ lebten und mit ihr durch Dick und Dünn spazier-
ten. Dies alles fällt mir ein, wenn ich auch Urys unvergleichliche
Rhein-Pastelle sehe, die in Farbe getauchten Formate voll der
perlenden Sonnenreflexe, die iiber Wasser und Wiesen fließen,
und voll der Luft- und Nebelhauche, die iiber Bergen und Burgen
auf- und niedersteigen . . .
Nun aber wieder zur N a t i o n a I g a 1 e r i e. Im ersten
Stockwerk des Kronprinzenpalais hängen vier der jüngsten C o -
rinth : zwei Landschaften vom Walchensee, eine schweizerische
Landschaft und ein großes Bild ,,Das trojanische Pferd“. In den
Landschaften zeigt der Meister, wie neu und individuell er immer
seine Palette zu gestalten weiß und wie wunderbar eins er ist
mit der Natur, in der er malerisch aufgeht. Und auch in den Ein-
zelheiten des Problems „Das trojanische Pferd“ fühlt man die
riesige Wucht seiner hervorragenden künstlerischen Potenz.
Im obersten Stockwerk des Kronprinzenpalais ist Neues von
Otto D i x (Vierzig Aquarelle). Die Porträts sind von verblüffen-
der Charakteristik — „schön“ sind sie freilich nicht — doch auch
als Malerei zeigen sie das Talent dieses nicht immcr gleichwerti-
gen, aber impulsiven Künstlers, der dort am interessantesten
scheint, wo nackte Chrakterisierungskunst und belebende Satire
zusammenstoßen. Adolph Donath.
Der „Kunstuianderer" uilrd in aiien Geseilschaiishreisen geiesen!
Karl liaberstock
Berlin W 9 Bellevuestr. 15
Alte und neue Meister
An= und Verkauf
KunltausfteUungerL
BepUn.
Die Künstlervereinigungen und Kunstsalons der Reichshaupt-
stadt tun ihr möglichstes. Während Sandkuhl in der Jury-
f r e i e n , die schon ihre Existenzberechtigung bewiesen hat, klug
und geschickt alles zusammenfaßte, was aus den „Vereinen“ und
über sie hinausstrebt, brachte L i e b e r m a n n in der A k a d e -
m i e eine anerkennenswerte Auswahl von Zeichnungen etc. zu-
sammen, in deren Mitte allerdings die Ausländer den Ton an-
geben: Munch und Gulbransson. Unter den Berliner
Ausstellern slnd Liebermann, Dettmann und die ständi-
gen Gäste der Akademie; auch die feine Kunst der Maria Sla-
v o n a ist hier gliicklich vertreten. In der Berliner Seces-
s i o n wieder versammelt C o r i n t h seine Getreuen. Die Aus-
stellung hat Niveau und zeigt mitunter starke Qualitäten. Corinth
selbst stellt unter andcrm eine große Walchensee-Landschaft von
vehementer Lebendigkeit aus, U r y neben einem köstlichen älte-
ren Interieur, das von der Galerie der Stadt Berlin erwor-
ben wurde, einen abendlichen „Nollendorfplatz“ von vibrierender
Lichtfülle. Eugen S p i r o , dem Fünfziger, wurde ein Kabinett
eingeräumt, wo seine vielseitige vornehme Kunst (Porträt und
Landschaft) zu guter Wirkung kommt, und an Spiro schließen sich
die tibrigen Stützen der Secession an: öppler (Ernst und
Alexander), Heckendorf, Max F 1 e i s c h e r , Charlotte
B e r e nd , deren Kunst immer stärker vorwärtskommt. Die
Gruppe der modernen schw eizerischen Kiinstler, die hier
unter der Führung des vortrefflichen Amiet zu Gaste ist,
interessiert durch ihr Streben nach Vereinfachung von Form und
Farbe. Man darf es jedenfalls sehr begrüßen, daß die jungen
Schweizer eingeladen worden sind, deren Meister Ferdinand H o d-
ler jetzt bei Paul Cassirer eine Sonderausstellung hat. Es
ist eine Hodler-Schau von imponierendem Klange. Das möge ge-
nügen. Denn das, was Hodlers Landsleute Hans Irog und Jo-
hannes W i d m e r über seine bleibendc Kunst gesagt haben, deckt
sich auch mit unserer Ansicht.
!Kunsi= und $n tigu iiätenßandfung
dJl. ofafomon
Cjegründet 1839
dnßaber: GugenoTafomon
beeidigter Sachverständiger bei dem Jfmtsgericht ])resden
part. und 1. €tage DresdeU, fl'CigerStr. 36 Zelephon : 14 222
117
Le(T<2t? Ury In dcc ]Hationa(gateüte.
U r y hat in diesem Sommer 1924 im Rheinland gemalt. Seine
Ernte ist reich, ja gewaltig. Und wer sie jetzt in der National-
Galerie (im ehem. Kronprinzenpalais Unter den Linden) sieht, muß
zugeben, daß sich der Berliner Meister, dein wir den ersten selb-
ständigen Impressionismus in Deutschland verdanken, von einer
neuen Seite zeigt: der 63jährige offenbart in seinen Rheinland-
schaften ein jugendliches Temperament, wie es nur sehr wenigen
Malern beschieden ist. Daß aber Ludwig J u s t i, der Leiter der
Nationalgalerie, trotz allen den Unannehmlichkeuen, die er mit der
Akademie gehabt hat — und die Akademie war und ist durch-
aus nicht im Recht — sofort zugriff, indem er die Ury’schen Rhein-
bilder ausstellte, ist ein eklatantes Zeichen seiner uneingeschränk-
ten künstlerischen Ziele.
Ury hat den Sommer des Rheins gemalt. In voller praller
Sonne. Das Wasser tiberdeckt mit Licht und Luft, die Bäume an
den Uferwegen berührt von den Fingerspitzen der Sonne. Reine
ganz reine Rheinlandschaft hat er gemalt. Reine Natur und reine
Naturkraft. Und wer die Sonne zu sehen vermag, sieht sie auch
hier überall leuchten und blinzein. Doch nicht nur die hellen
Stimmungen um den Mittag sind es, die Ury locken, auch die
triiben, die Regentage finden ihn im Freien und die Sonnenunter-
gänge, die den feuchten Wetterszenen folgen. Und niemals war
Ury, der uns einst die diistere Mark sonnenfroh machte, uns in die
huschenden Lichter des Thiiringer Waldes führte und an den
Gardasee mit seiner bald rosigen, bald silbrigen, bald glühend-
blauen Farbenfreudigkeit, so unerhört stark Nur-Licht- und Nur-
Luftmaler wie in diesen reinsten aller Rheinlandschaften. Denn
niemals ist es einem Impressionisten gegliickt, die Romantik des
Rheins so natiirlich zu erfiihlen, sie ohne jegliches roniantische
Uebermaß zu gestalten, wie dem 63jährigen Lesser Ury
Auch einige seiner Pastelle vom Rhein hängen in der
Nationalgalerie. Ihre Hauptserie stellt gleichzeitig die Neue
Kunsthandlung aus. Alles ist hier, wie überhaupt bei Ury
seit Anbeginn seiner Malerei nur auf die Farbe gestellt. Friiher
und auch heute noch schwirren die Schlagworte umher, daß er
,.kein Zeichner“ wäre — er hatte iibrigens vor mehr als vierzig
Jahren bei Portaels-Briissel den ersten Preis im Zeichnen erhal-
ten — oder man spricht davon, daß er von den Belgiern oder von
Fontaineblau „beeinflußt“ sei. Gewiß: Kein Maler war und ist
ohne äußere Anregungen möglich. Aber Lesser Ury war trotz
Fontaineblau und trotz Manet der erste in Deutschland, der seine
eigenen Wege ging unl in dessen Malerei man die eigenen
Wege auch s p ü r t. Und uas stieß vielleicht gerade jene ab, die
in der „RicLtung“ lebten und mit ihr durch Dick und Dünn spazier-
ten. Dies alles fällt mir ein, wenn ich auch Urys unvergleichliche
Rhein-Pastelle sehe, die in Farbe getauchten Formate voll der
perlenden Sonnenreflexe, die iiber Wasser und Wiesen fließen,
und voll der Luft- und Nebelhauche, die iiber Bergen und Burgen
auf- und niedersteigen . . .
Nun aber wieder zur N a t i o n a I g a 1 e r i e. Im ersten
Stockwerk des Kronprinzenpalais hängen vier der jüngsten C o -
rinth : zwei Landschaften vom Walchensee, eine schweizerische
Landschaft und ein großes Bild ,,Das trojanische Pferd“. In den
Landschaften zeigt der Meister, wie neu und individuell er immer
seine Palette zu gestalten weiß und wie wunderbar eins er ist
mit der Natur, in der er malerisch aufgeht. Und auch in den Ein-
zelheiten des Problems „Das trojanische Pferd“ fühlt man die
riesige Wucht seiner hervorragenden künstlerischen Potenz.
Im obersten Stockwerk des Kronprinzenpalais ist Neues von
Otto D i x (Vierzig Aquarelle). Die Porträts sind von verblüffen-
der Charakteristik — „schön“ sind sie freilich nicht — doch auch
als Malerei zeigen sie das Talent dieses nicht immcr gleichwerti-
gen, aber impulsiven Künstlers, der dort am interessantesten
scheint, wo nackte Chrakterisierungskunst und belebende Satire
zusammenstoßen. Adolph Donath.
Der „Kunstuianderer" uilrd in aiien Geseilschaiishreisen geiesen!
Karl liaberstock
Berlin W 9 Bellevuestr. 15
Alte und neue Meister
An= und Verkauf
KunltausfteUungerL
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Die Künstlervereinigungen und Kunstsalons der Reichshaupt-
stadt tun ihr möglichstes. Während Sandkuhl in der Jury-
f r e i e n , die schon ihre Existenzberechtigung bewiesen hat, klug
und geschickt alles zusammenfaßte, was aus den „Vereinen“ und
über sie hinausstrebt, brachte L i e b e r m a n n in der A k a d e -
m i e eine anerkennenswerte Auswahl von Zeichnungen etc. zu-
sammen, in deren Mitte allerdings die Ausländer den Ton an-
geben: Munch und Gulbransson. Unter den Berliner
Ausstellern slnd Liebermann, Dettmann und die ständi-
gen Gäste der Akademie; auch die feine Kunst der Maria Sla-
v o n a ist hier gliicklich vertreten. In der Berliner Seces-
s i o n wieder versammelt C o r i n t h seine Getreuen. Die Aus-
stellung hat Niveau und zeigt mitunter starke Qualitäten. Corinth
selbst stellt unter andcrm eine große Walchensee-Landschaft von
vehementer Lebendigkeit aus, U r y neben einem köstlichen älte-
ren Interieur, das von der Galerie der Stadt Berlin erwor-
ben wurde, einen abendlichen „Nollendorfplatz“ von vibrierender
Lichtfülle. Eugen S p i r o , dem Fünfziger, wurde ein Kabinett
eingeräumt, wo seine vielseitige vornehme Kunst (Porträt und
Landschaft) zu guter Wirkung kommt, und an Spiro schließen sich
die tibrigen Stützen der Secession an: öppler (Ernst und
Alexander), Heckendorf, Max F 1 e i s c h e r , Charlotte
B e r e nd , deren Kunst immer stärker vorwärtskommt. Die
Gruppe der modernen schw eizerischen Kiinstler, die hier
unter der Führung des vortrefflichen Amiet zu Gaste ist,
interessiert durch ihr Streben nach Vereinfachung von Form und
Farbe. Man darf es jedenfalls sehr begrüßen, daß die jungen
Schweizer eingeladen worden sind, deren Meister Ferdinand H o d-
ler jetzt bei Paul Cassirer eine Sonderausstellung hat. Es
ist eine Hodler-Schau von imponierendem Klange. Das möge ge-
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hannes W i d m e r über seine bleibendc Kunst gesagt haben, deckt
sich auch mit unserer Ansicht.
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Cjegründet 1839
dnßaber: GugenoTafomon
beeidigter Sachverständiger bei dem Jfmtsgericht ])resden
part. und 1. €tage DresdeU, fl'CigerStr. 36 Zelephon : 14 222
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