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Dec Samtnlec und feine Bukunft in Deutlebland
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Geheimrat Dr. Max J. Friedländer gab
dem „Kunstwanderer“ die Genehmigung, den nach-
stehenden Aufsatz, den er ais Leitaufsatz für den dem-
nächst in der Frankf urter Verlags-Anstalt
A.-G. in Frankfurt a. M. erscheinenden neuen Band
des von Adolph D o n a t h herausgegebenen „J a h r -
b u c h e s f ü r Kunstsammler“ geschrieben hat,
vor Erscheinen des Jahrbuches zu veröffentlichen. Das
„Jahrbuch für Kunstsammler“ bringt neben dem Aufsatz
Friedländers illustrierte Originalbeiträge von General-
direktor Dr. Otto v. F a 1 k e, Direktor Dr. Georg
G r o n a u , Professor Dr. Kari B e r 1 i n g , Prof. Dr.
Max Sauerlandt, Direktor Dr. Emil W a 1 d m a n n.
Adolph D o n a t h bespricht ausfiihrlich den internatio-
nalen Kunstmarkt 1923/24.
\\/er von unserem Standpunkte, nämlich aus den
v v gegenwärtig/en deutschen Nöten, auf das Kunst-
sammeln den Blick richtet, sieht in der Nähe Rückgang.
Verkümmerung und Minderung, in der Ferne hier und
dort Ansätze und gesteigerte Aktivität. Ehemals ver-
schoben sich die Kräfte innerhalb Europas, jetzt be-
teiligen sich alle Erdteile und beerben das alte Kultur-
land. Nacli Japan, Südafrika, Australien und natürlich
nach Nordamerika wandern Kunstwerke aus. Das
Kunstsammeln ist nun einmai mit dem wirtschaftlichen
Gedeihen aufs engste verbunden. Eine Geschichte des
Sammelns würde den Aufstieg und den Untergang der
Dynastien, der politischen Mäclite begleiten und den
Verschiebungen der Handelswege folgen. Die inein-
ander ablösenden großen Handelsvölker: Holland im
17., England im 18., Amerika im 19. Jahrhundert zogen
jeweilen das Kunstgut in ihre Grenzen. Das Reich-
werden Deutschlands in der Periode zwischen 1871
und 1914 zeichnet sich deutlich ab: erfolgreicher Wett-
bewerb sogar mit Amerika war uns damals möglich.
Der Teil des Gewinns, zum Glück ein beträchtlicher,
der den staatlichen Museen zufiel, ist geborgen und für
die Dauer gesichert. Was aber der Privatbesitz in der
glücklichen Zeit hereingezogen hat, ist seit 1914 zu-
meist wieder abgewandert. Was Amerika begehrt,
geben wir hin, werden es früher oder später hingeben.
Verordnungen und Gesetze können diesen Vorgang be-
hindern, aber nicht verhindern.
Wer den Kunstsammler kennt und die Motive
seines Tuns beobachtet hat, kann aber nicht glauben,
daß diese Passion absterben, den ungünstigen Wirt-
schaftsverhältnissen ganz zum Opfer fallen wird.
Unter den Beweggriinden, aus denen gesammelt
wird, ist die Kunstliebe keineswegs der stärkste. Das
Bedürfnis, Kunst zu genießen, kann man in Museen be-
friedigen. Die leidenschaftlichen Sammler sind aber
durchaus nicht die eifrigsten Besucher der Museen,.
Man wundert sich oft, wie gleichgültig sie sich gegen
Kunstwerke verhalten, die ihnen nicht gehören und die
nicht feil sind. Antriebe wie Eitelkeit, Repräsentations-
lust, gesellschaftlicher Ehrgeiz, die Lust an ordnender
Erkenntnis und Besitzfreude mtissen sich der Kunst-
liebe zugesellen, die Sammelpassion hervorzubringen.
Tief verwurzelt in den Urtrieben, ist die Sammel-
lust doch ein Merkmal später und unproduktiver Kultur.
Rückwärtsschauend beschäftigen sich müde Erben mit
den Andepken an ihre tätigen Alinen.
Die Briefmarke ist niclits als ein Sammelobjekt, der
Briefmarkensammler der absolute Sammler, zugleich
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