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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 6./​7.1924/​25

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1./2. Januarheft
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1./2. Juliheft
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Rave, Paul Ortwin: Neuerwerbungen der National-Galerie, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.25879#0437

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JSeueetüeebungen dee JSationaUQalecte
oon
Paut Ot’tunn Raoc
II.*)

p ine der wesentlichsten Entdeckungen, die 1906 auf
der Deutschen Jahrhundert-Ausstellung gemacht
wurden, war die Caspar David Friedrichs. Seitdem ist
man vielerorts damit beschäftigt, Leben und Schaffen
dieses einzigartigen Mannes zu erhellen. Oeffentliche
Sammlungen sind neuerdings wolil auch bestrebt, sein
Werk der Allgemeinheit zugänglich zu machen, doch
scheint es außer in Hamburg nirgends in dem Maß ge-
lungen, eine Reihe so hervorragender Werke zusam-
menzubringen wie in der National-Galerie. Ihr alter
Besitz waren der ,,einsame Baum“ und „Mondaufgang
am Meer“, beide Bilder aus der Sammlung Wagener
überkommen. Tschudi kaufte nocli zwei Bilder Fried-
richs dazu, „Meeresküste bei Mondschein“ und „Frau am
Fenster“. Heute zählt die Sammlung zwöif Oelgemälde
von Friedrichs Hand, darunter die bemerkenswerten
Bildnisse von zwei Brüdern des Künstlers, den berühm-
ten „Klosterfriedhof im Schnee“, eine unvollendete
Fassung des auf die Freiheitskriege anspielenden „Nord-
lichts“ und das größte aller Friedrichschen Gemälde.
das mächtige Hochgebirgsbiid seiner späten Zeit. Dieses
wurde nebst einem Greifswalder Hafenbild ais letztes
1920 erworben, ist aber bereits wiederholt abgebiidet.
zuletzt bei WOlfradt (9) und bei Eberlein (23). Auch
den Hafen von Greifswald findet man in dem Wolfradt-
schen Friedrich-Buch (36).
Weniger bekannt dagegen blieb, daß die Galerie
vor zwei Jahren zu ihrem Bestand von zwei Dutzend
Handzeichnungen C. D. Friedrichs eine Sene von vier-
zehn weiteren Blättern erwerben konnte. Darin waren
in bunter Auswahl die verschiedensten Beispiele seiner
Zeichenkunst vertreten, frühe und späte, mit Bleistift
oder Ikohrfeder, in Tusche oder Sepia ausgeführte Ar-
beiten. Es gibt da Baumstudien noch aus seiner Kopeii'
hagener Akademiezeit (von 1797—98), die in ihrer et-
was schematischen Anlage sich selir unterscheiden von
den haarscharf getreuen Wiedergaben kahler Bäume
späterer Zeit (ein Blatt datiert 1809). Die abgebildete
Rohrfeder-Zeichnung mag aus den ersten Dresdener
Jahren stammen. Es ist viel handwerkliche Schulung
darin und doch noch eine Lust an Fülle und Ueppigkeit
zu spüren, wie sie nur einer drängenden Jugend zu-
kommt (Abb. 1). Daneben dann wieder Zeichnungen
von peinlich strenger Sachlichkeit, etwa wie ein und
dasselbe Ruderboot in neun verschiedenen Stellungen
sarnt den Spiegelungen im Wasser mit feinstem Stift ge-
zeichnet erscheint. Studien nach gotischen Fenstern,
Entwürfe zu einer gotischen Kanzel lassen an seine An-
gaben zu dem Rahmen des Tetschener Altars denken,
I uschzeichnungen eines Steinsargs und eines Totenmals

*) Sichc der „Kunstwanderer“ 1.12. Mai-Doppelheft.

zwischen Pappeln an seine sinnbildlichen Verherrlichun-
gen der Freiheitskämpfer. Von reinen Landschaften
finden sich zwei in Bleistift ausgeführt und eine sauber
in Sepia angelegt. Diese (Abb. 2), mit dem Blick von
der Biliner Straße aus auf den Schloßberg bei Teplitz,
ist in der Art, mit denen der Künstler sich zunächst bei
Verkaufsausstellungen einen Narnen rnachte, da solche
Blätter in ihrer zarten atmosphärisch weichen Tonig-
keit sich damals allgemeiner Beliebtheit erfreuten.
Im Maße wie die Künstler-Persönlichkeit Friedrichs
rriehr und mehr ans Licht gerückt wird, fallen auch er-
hellende Strahlen auf seine Umgebung. Die ersten zwei,
drei Jahrzehnte des vorigen Jahrhunderts stellen sich
fiir das Dresdener Kunstleben als eine aufs schärfste
gespannte Entwicklung der neuen Kunst dar: schul-
mäßige Akademie-Lehren, echte Romantik des deut-
schen Ostens und die ersten Boten der neuen deutsch-
römischen Kunst prallten hier bewußt aufeinander.
Friedrich als der Führer der nord-ostdeutschen roman-
tischen Landschaftsmalerei stand im Mittelpunkt nicht
so selir einer Schule als einer Schar gleichgesinnter und
-gestimmter Genossen. Die Einzelnen aus der Masse
zu lösen wird Aufgabe besonders zu leistender Arbeiten
zumal der örtlichen Forschung sein. Hier seien nur
einige jüngst erworbene Werke der Galerie mitgeteilt,
die dem Kreis dieser neuen „Erdleben-Bildkunst“ der
Dresdner Spätromantiker zuzuzählen sind.
1921 wurde der Galerie ein Oelgemälde angeboten,
„Eichbaum im Schnee“, dessen nahe Beziehungen zu
Friedrichs Kunst auf dem ersten Blick offenbar waren
(Abb. 3). Besaß doch die Galerie in dem verschneiten
Klosterfriedhof von 1810 einen unmittelbaren Verwand-
ten dieses Bildes, indem der hier allein dastehende Eich-
baum mit seinem knorrigen Geäst bis auf die einzelnen
Zweiglein und abgebrochenen Stümpfe fast getreu
einem der beiden Baumriesen im Vordergrund des Klo-
sterfriedhofs ähnelte. Die von dem neuen Bild abwei-
chende etwas nach links geneigte Stellung dieses Bau-
mes, wie er ebenfalls genau auf dem zeitweise in Dres-
den als Leihgabe hängenden „Mönch im Sclinee“ (Eber-
lein, Abb. 9) vorkommt, will wenig besagen, da beide
mal der Gesamtbau der großen Bilder solche leichte
Neigung erforderte. Ein drittes Mal erscheint derselbe
Baum, diesmal genau senkrecht stehend, auf dem „ver-
schneiten Hühnengrab“ in Dresden (Wolfradt, Abb. 45).
Aber in etwas unterscheidet sicli docli die Form des
neuen „Eichbaum im Sclmee“ von allen drei Fassungen:
er hat reicheres Geäst. Der Eindruck des durchaus
organisch Kahlen und Trotzigen auf den anderen Bildern
ist hier zu Gunst eines pyramidalen Bildaufbaues ver-
loren gegangen. Nun ist das Merkwürdlge, daß die er-
gänzten Aeste einfach von den Nachbarbäumen auf den

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