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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 6./​7.1924/​25

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1./2. Januarheft
DOI Heft:
1./2. Augustheft
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Donath, Adolph: Lovis Corinth und die deutsche Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.25879#0471

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/ahrgang 1925

Herausgeber; AclOlpt) DODQffl
1./2. 'VugustlMßft

toüis Cot?intt) und die dcuttcbo frteilevei
von
Adolpf) Donatb

In 'der Nacht zum 18. Juli ist Lovis Corinth in:
Zandvoort in Holland gestorben. Am 21. Juli, an
seinem 76. Geburtstage, fand in der B e r 1 i n e r S e -
zession, deren Präsident er seit 1913 gewesen war,
die Trauerfeier für den großen Maler statt und nach der
J'rauerfeier, an der die gesamte Kunstwelt teilnalrm,
wurden die sterblichen Ueberreste Corinths im Kreme-
torium Berlin-Wilmersdorf eingeäsohert.
|V/lit Lovis Corinth ist der stärkste und tempera-
* * * mentvollste unter den deutschen Malern dahin-
gegahgen, ein Könner, der jede Technik bezwang, ein
Maler, dem die Technik gleichgültig war, weil er nur
malen wollte, so malen wolite und malte, wie er die
Menschen e r 1 e b t e , die Landschaft, die Blumen. Ja,
er war das stärkste Malertemperament, das die deutsche
Moderne hatte, ein Phänomen gerade in seinen
A 11 e r s w e r k e n : seinen Selbstbildnissen, seinen
Landschaften vom Walchensee, seinen Stilleben. Sie
alle gemahnen an die Wucht der Alterswerke von Rem-
brandt und Hals. Seit Grünewald, sagte Lesser U r y in
.einem Nachruf für Corinth, ist „ein so künstlerisches
Fluidum“ nicht in Deutschland gewesen.
Was Corinth für die deutsche Kunst bedeutet hat,
fühlte man am einheitlichsten in der großen umfassen-
den Ausstellung, die Ludwig J u s t i im Jahre 1923 zum
65. Geburtstage des Meisters in dcr Nationalgalerie ver-
anstaltete. Damals konnte mancher, der einmal viel-
leicht geirrt hat, einmal irgendwie vermeint hat, in dcn
ersten Perioden der Corinth’schen Malcrci liabe hier
Leibl Pate gestanden, dort ein moderncr Franzose, ehr-
lich bekennen, daß schon dcr Corinth der achtziger
Jahre er selbst gewesen ist, einer, der sich in seine

„Modelle“ förmlich einbohrte, ihr Inneres aufgriff. Er
hat seinen Vater vergeistigt, ihm für immer den Stempel
aufgedrückt: dcr Vater von Lovis Corinth. Und als er
dann im Anfang des neuen Jahrhunderts seine Frau
Charlotte Berend, die selbst eine hervorragende
Künstlerin ist, zu malen begann, vertiefte sich noch seine
Geistigkeit, sichtlich gefördert durch die eruptive Kraft
seiner Handschrift. Corinths Farbe klärte sich auf, hellte
sich auf, wurde Licht. Als eins der kostbarsten Stücke
dieser Reihe erscheint uns „die Familie Rumpf“. „Meine
b e s t e Farbe“, durfte hier Lovis Corinth — so schrie-
ben wir damals —- wohl von sich sagen. Und diese beste
Farbe wurde noch spritziger, noch vibrierender und
lockender in seinen Stilleben bis 1912.
Als Aktmaler und als Porträtist hatte kaum ein an-
derer diesen vehementen Strich wie der Ostpreuße Lovis
Corinth, diesen Schmiß, der wirklich von Gottes Gnaden
war. Das Bildnis des Malers George Mosson ist, glaube
ich, in den Porträts bis 1914 das respektabelste Stück.
Und unter dcn monumentalen Gemälden, an die sich dcr
Meister heranwagte, scheint mir das Bild „Thescus und
Ariadne“ mit das gewaltigste. Doch 1914 begann auch
bei Corinth der Krieg: er führte ihn mit seiner eigenen
Kunst und führte ihn unbewußt. Nur bei Rembrandt und
Hals spürt man diese Auffrischung des inneren Gestal-
tens, dicse Aufrollung noch ungeweckter Künstlertriebe
nach flutcnden Farben und Farbenelementen. Der Wal-
chensee, wo Lovis Corinth von einer schweren Krank-
heit, die ihn zu Bcginn des Krieges befallen hatte, alle
.Jahre Erholung suchte, wurde ilnn zu einer Farbenwelt,
deren üarbefcpiele sich immer erneuerten und die er un-

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