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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 8./​9.1926/​27

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1/2. Oktoberheft
DOI Artikel:
Eckstein, Hans: Über den Bildschmuck griechischer Tongefäße
DOI Artikel:
Kohlhaussen, Heinrich: Deutsche Bildteppiche des Mittelalters
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https://doi.org/10.11588/diglit.25876#0062
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ren wollten, sincl sclion ermattet — und nun scheint der
sinkende Leib für einen Augenblick sehnend dem Sieger
zuzustreben. Der Vasenmaler hat die Größe und Hoheit
dieses Schicksals mit unerhörter Ausdruckskraft very:e-
genwärtigt. Die berühmten Bilder Polygnots mögen
über die früheren mehr episch schildernden Malereien
liinaus solche trayischen Auyenblicke zur Erscheinung;
gebracht haben. Als unmittelbare Kopie wird man den-
noch unser Vasenbild, bei dem ausnahmsweise auch eine
größere Farbigkeit durch aufgesetztes Rot, Braun und
Gold angestrebt ist, nicht auffassen dürfen, sondern dem
Vasenmaler aucli hier die Komposition in die Kreisfläche
der Schale als eigene Schöpfung zuerkennen müssen.

Von demseiben Maler besitzen wir in München noch ein
zweites Bild von solch wahrhaft polygnotischem Geist:
Apolls Rache an dem Giganten Tityos für die seiner
Mutter Lete von dies.em zugefügte Schande. Bier wie
bei dem Penthesileabild offenbart sicli uns das dem Grie-
chen geradezu angeborene Gefülil dcr Wohlräumigkeit,
das ihm aucli solche gewaltige Darstellungen vollendet
in einen gegebenen Rahmen zu spannen die Kraft gibt.
Auch diese großen Schalen sind Handwerksarbeit, ent-
standen in einer der großen Töpfereien Athens, nicht das
Werk eines großen Malers, etwa eines Polygnot oder
Mikon. Nur um so mehr ist die Sicherheit und Größe
der ganzen Gestaltung anzuerkennen.

Der neue
Qobelinsaal im
Germanischen Museum
in Niirnberg

Die zumeist aus den
Kirchen von St. Sebald
und St. Lorenz stammen-
den Bildwirkteppiche aus
gotischer Zeit stellen eine
einzigartige, fiir die Ge-
schichte des deutschen
Kunsthandwerks bedeu-
tungsvolle Sammlung dar

Deutfd)c BUdtepptcbe des Mittetahet?s

uon

fieimict) Koblbauffen

/ u den ein Neuland der Kunstgeschichte erschließen-
den großen Veröffentlichungen dcr letzten Jahr-
zehnte gehört das jetzt nach langer Vorarbeit endlich
erschienene Monumentalwerk über die deutschen Bild-
teppiche des Mittelalters von Frau Dr. Betty Kurtli.
Auf 336 vorzüglichen Lichtdrucktafeln und — leider
nur — 8 Farbentafeln wird ungefähr das gesamte be-
kannte Material vorgeführt und in einem sorgfältigen
wissenschaftlichen Katalog erläutert. Der eigentliche,
durch 91 Bilder von Vergleichsstücken bereicherte Text
ordnet eine Fülle stilkritis.cher, heraldisch - genealo-
gischer, historischer und germanischer Einzelunter-
suchungen in den Strom landschaftlicher Kunstentwick-
lung ein. (Verlag Ant. Schroll & Co., Wien.)

Die erhaltenen Denkmäler giiedern sich in zwei
ungleich große Gruppen. Der Inhalt der ersten, die in
das 12. und frülie 13. Jahrli. fällt, umfaßt christliche und

profane Darstellungen, darunter Szenen aus, der antiken
Mythologie, Bildnisse antiker Philosophen, des Kaisers
und anderer Fürsten, ein Stoffkreis, der teils in der an-
tiken, teils in der mittelalterlichen Profandichtung sicli
Nahrung liolte. Am Anfang der ganzen Reilic stelien die
hochinteressanten Teppichfragmente aus S. Gereon iu
Köln vom Ende des 11. Jahrh., ein Musterbeispiel für
das Nebeneinander antiker, byzantinischcr und nah-
orientalischer Stilelemente. Ein Jahrhundert später
tritt uns in Sachsen, — in romanischer Zeit einem Vor-
ort künstlerischer Betätigung -—- mit den Halberstädter
Wirkteppichen eine Gruppe entgegen, bei der das, Ne-
beneinander fremder Stilkräfte von der Gewalt he'i-
mischer Formensprache übertönt, zu neuer Einheit ver-
schmolzen ist. Von der flächigen Linienornamentik des
Abrahamteppichs übcr den Apostelteppicli geht der
Weg zur freien, antikisch-gelockerten Körperlichkeit

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