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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 8./​9.1926/​27

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1./2. Aprilheft
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Kuhn, Alfred: Künstler
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Zarnowski, J.: Pariser Kunstausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.25876#0363

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niüliid zu neuer Tat. Die ganze Natur ist ihm gleichsäm
nur Kampfplatz, Wall, Befestigungsterrain. Er sieht das
Leben nicht. Er meistert es. Wie dürfte er es lieben,
da er es zu beherrschen trachtet? Er verzichtet, bleibt
einsam und siegt. Mit tiefen Hieben hat er seinen
Namen eingeschlagen, als ihm die Streitaxt entfällt.

Die lyrischen Künstler leben. Sie lieben dieses
Dasein so inbrünstig; es ist ihnen so voll schöner Dinge,
daß sie nicht glauben, je satt davon werden zu können.
Ein unendlicher Garten ist ihnen die Natur, mit Früchten
sonder Zahl, die ein höchst gütiger Gärtner recht eigent-
lich für sie gezogen. Wie Hans im Glück liegen sie auf
dem Rücken, schmausen, und könnens nicht lassen,
immer wieder alle die Herrlichkeiten zu preisen. Und
die Tiere des Waldes kommen und beschnuppern die
lustigen Gesellen, grasen ohne Scheu neben ihnen, und
die Vögel hüpfen auf iliren Beinen herum; denn nichts
trennt sie. Ja, die fröhlichen Schmauser glauben ihre
Stimme zu verstehen und halten putzige Zwiesprache
und sind ohne Ueberheblichkeit und menschlichen Hoch-
mut. Alles ist so voll Sonne, kräftigem Duft, Uebermut,

und doch wieder voll wunderliaften Staunens, Ehrfurcht
und seltsamer Frömmigkeit, daß einem alles kluge Den-
ken vergeht und man ganz klein wird und dankbar.
Recht herzlich faul würden diese Hänse im Glück,
müßten sie sich nicht immer wieder wundern über all’
die meisterhaften Dinge im Garten, und wäre nicht ein
eigenartig Bohren und Zwicken in ihnen, von jeder
neuen Entdeckung zu berichten. Und wenn so einer auf
dem Rücken liegt und blinzelt in die Sonne, die durch
grünes Gezweig zwischen rotbäckigen Aepfein auf ihn
scheint, gleicli muß er in Versen reden, er hielte es
sonst nicht aus und könnte einfach nicht liegen bleiben.
Gar nicht kann er die verstchen, die immer gleich auf-
springen und herumrennen, denens zu warm ist in der
Sonne und zu kalt im Schatten, denen die Pflaumen zu
sauer und die Orangen zu siiß, die immer was anderes
wollen, ja, gern etwas erfinden möchten, was halb eine
Pflaume ist und halb eine Orange, wo es doch beides
schon gibt, eine für die sauren Stunden und eine fiir die
süßen. Diese Hänse im Glück haben die Welt nie besser
gemacht, da sie sie immer schon so gut gefunden.

Pacifcc Kunffausffcllungcn.

Don 7. Zaünotüskt.

Das verflossene Vierteljahr hat verhältuismäßig wenig Bedeu-
tendes gebracht. Niclit, daß die Zahl der Sonderausstellungen sich
verringert hättel — im Gegenteil, die Galerien fiir moderne Kunst
wachsen wie Filze — der Grund des Stillstandes ist wohl in der
aligemeinen finanziellen Depression zu suchen, die ja unausbleib-
lich mit der Revalorisation des französichen Geldes zusammen-
zuhängen scheint. Der Kunstmarkt blieb flau und untätig und die
modernen Kunsthandlugen hielten es wohl für unzeitgemäß, kost-
spielige und komplizierte Veranstaltungen zu treffen.

Der ,,SaIon des Independants“, der in diesem Jahre rund
2000 Bilder zählte, befindet sicli offenbar in einem Zustande rapidcr
Dekadenz. Die „unabhängige Kunst“, die hier programmäßig ver-
treten werden soll, ergeht sich in zahl- und endlosen Nachahmungen
der anerkannten Größen des Herbstsalons und, was besonders auf-
fallend ist, der Malerei des Zollbeamten Rousseau.

Hine Kollektivausstellung (bei Bernheim), in der neben Wer-
ken von Derain, Dufy, Vuillard, Utrillo u. a. auch deutsche Bilder
(Fechstein, Beckmann, Hofer, Otto Dix) gezeigt wurden, erregte
ciniges Aufsehen. Allerdings hatte die Auswahl sowohl der deut-
schen, als auch der französischen Bilder einen zufälligen Charak-
tcr und ergab infolgedessen keine günstige Gelegenheit, die prin-
zipiellen Unterschiede der beiden Kunstauffassungen zu veran-
schaulichen. Dieses ist um so rnehr zu bedauern, da das Pariser
Kunstpublikum scheinbar nicht abgeneigt wäre, die hier wenig
bekannte moderne deutsche Malerei kennen zu lernen.

Unter den zahllosen Sonderausstellungen mögen hier nur
folgende erwähnt werden: 55 Gemälde von Auguste Renoir, haupt-
sächlich aus seiner Spätzeit (bei Bernheim), eine Auswahl aus dem
lithographischen Oeuvre des Toulouse-Lautrec im Luxemburg-
Museum, zwei Ausstellungen von Adre Lhote (bei Mautelet und bei
Granoff) und die neuesten Werke zweier talentvoller Illustratoren:
C has Laborde und Gus Bofa. Endlich seien auch die in Paris leben-
den Ausländer erwähnt: Foujita (bei Granoff), Alexandre Benois
und die Malerin Z. Serebriakova (beide bei Charpentier).

Von großem Interesse sind zwei historische Ausstellungen,
bei denen auch der Kunstfreund auf seine Rechnung kommt. Ein
Vergleich dieser beiden Unternehmen bietet auch die Gelegenheit
eine allgemeine Frage zu streifen, nämlich die, auf welche Weise

rein historische Ausstellungen wirkungsvoll und interessant prä-
sentiert werden können. Es handelt sich um die „Exposition des
grands salons litteraires“ im Carnavaletmuseum und um die Aus-
stellung des „Zeitalters Ludwig XIV.““ in der Bibliotheque Nationale.
Erstere versucht mit Hilfe von verschiedenen Andenken das „Milieu“
der literarischen Salons zu rekonstruieren. Die Ausstellung zer-
fällt in vier Hauptabteilungen: das XVII. Jahrundert mit den Salons
der Damen de Rambouillet, de Longuevillc, de Sable und de
Sevigne, dann das 18. Jahrhundert mit Voltaire und Rousseau, der
Kreis der Enzyklopädisten mit M-me Geoffrin und schließlich die
Salons der bciden literarischen Damen des Kaiserreichs, M-mc
Recamier und M-me de Stael.

Es muß gleich gesagt werden, daß eine Anhäufung zufälliger
„Souvenirs“ noch keine anschauliche Rekonstruktion ergibt, zumal,
da die Mehrzahl des Ausgestellten nichts anderes ist, als Manu-
skripte von Briefen, Tagebiichern nsw., deren Wert als Ausstellungs-
objekt nur von geringer Wirkung scin kann. Auch die ganz mittel-
mäßigen Möbel aus deni Salon dcr Madame Recamier vermögen
nur wenig Interesse zu erwecken, ungeachtet dcssen, daß so viele
Berühmtheiten auf denselben gesessen haben.

Interessanter sind die vielen Bildnisse, die man hier zusam-
mengebracht hat. So z. B. die sehr feinen zeichnerischen Vorwiirfe
fiir gestochenc Porträts von Nicolas Cochin (aus der Sammlung
Maurice Escoffier), zwei Bildnisse von Helvetius und seiner Frau
von Louis van Loo, ein imposantes Bildnis von Georges Louis de
Buffon von Drouais und zwei amüsante Bilder von Hubert Robert,
das erste das Morgenfriihstück der M-me Geoffrin darstellend, das
andere den Maler während der Arbeit am Bildnis derselben Dame
(beide aus der Sammlung Arthur Veil-Picard). Auch wären noch
Bildnisse von Roslin, Duplessis, Nattier und Pesne zu erwälmen.

Einen ganz anderen Charakter trägt die Ausstellung in der
Nationalbibliothek. Obgleich auch hier die bildende Kunst nicht
im Vordergrund des Interesses steht, ja, sogar nicht so zahlreiche
Objekte aufzuweisen hat wie dic Ausstellung im Carnavaletmuseum,
ist das „Zeitalter Ludwigs XIV.“ in einer so imposanten und lehr-
reichen Weise demonstriert worden, daß an Anschaulichkeit die
Ausstehung nichts zu wtinschen übrig läßt. Ein Hauptanziehungs-
punkt ist der große Saal, in dem die Ausstellung untergebracht

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