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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 10./​11.1928/​29

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1./2. Juliheft
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Lévy, J.: Um ein Bildnis Spinozas
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https://doi.org/10.11588/diglit.25877#0495

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Dagegen kann mühelos eine Aehnlichkeit
zwischen dem Wolfenbüttler Bildnis und jenem Stich
festgestellt werden, der den „Opera posthuma“ bei-
gegeben ist. lmmerhin bleibt hier noch die Frage offen,
ob das Wolfenbüttler Bild nicht etwa eine Nachbildung
des Stiches ist (mit welchem übrigens das Porträt
Hoogstraatens Uebereinstimmung auf-
weist), den die Freunde für Spinozas nachgelassene
Werke anfertigen ließen und der fraglos von einem
Künstler stammt, der Spinoza noch von Angesicht ge-
kannt hat. Wäre das Umgekehrte der Fall gewesen,
liätte also das Oelbild als Vorbiid für den Stich gedient,
so hätte das auch in den Schriften eines Biographen
Erwähnung finden müssen. Die Biographie von Lucas,
die unbedingt vor 1688 abgefaßt ist, fängt aber mit der
Bemerkung an, „daß kein Meisterbild uns Spitiozas
Züge aufbewahrt hat“. Zugleich steht fest, daß in
Wolfenbüttel vor dem Jahre 1691, in dem Leibniz Vor-
stand der dortigen Bibliothek wurde, ein Bildnis Spino-
zas nicht bekannt war, daß es also erst nach diesem
Datum vom Herzog Anton Ulrich von Braunschweig
erworben wurde.

*

Wenn also ein Vergleich zwischen diesen angeb-
lichen Spinozabildern erfolglos bleibt, welche Gesichts-
punkte können dann zur Ueberprüfung des neu entdeck-
ten Gemäldes dienen? Bei keinem der früheren Porträts
ist der wirkliche Name des Künstlers bekannt. Das van
Spyck-Bild ist kein van Spyck, da (nach Meinsma)
Spinozas Hauswirt bloß „Zimmeranstreicher“ war. Der
Vaillant ist nach dem Urteil von Hofstede de Groot kein
Vailiant. Die Frage drängt sich auf, warum von den
wirklichen Spinoza-Malern nichts bekannt geworden ist.
Vielleicht ist daran die ängstliche Vorsicht schuld, nicht
offizieli in einem Verhältnis zu dein des Atheismus ver-
dächtigen Philosophen zu stehen. Genau so wie inan
damals sorgfältig dic Namen der in Holland lebenden
Personen, die mit Spinoza korrespondierten, aus dem
nachgelassenen Briefwechsel entfernte, so mag man
auch die Namen der Maler unterdrückt haben, so daß
infolgedessen auch die Porträts samt ihren Autoren
nicht bekannt sind.*)

*) Gab es nicht kurz zuvor nocb Ketzerprozesse, wurden niclit
die Brüder dc Wit ermordet imd sah sich Spinoza niclit gezvvungen,
wie er in einem Brief an Oldenburg mitteilt, infolge der vielen
Intriguen gegen seine Person, auf die Herausgabe der „Ethica“
zeitlebens zu verzichten?

Trotzdem hat es Maler gegeben, die sich mit
Spinoza beschäftigt haben. Wer war nun Samuel van
Moogstraaten und welche Umstände machen es wahr-
scheinlich, daß er mit Spinoza in Beziehung stand?
Hoogstraaten war ein Rembrandtschüler, der ursprüng-
lich „Taufgesinnter“ war und später zu den Mennoniten
übertrat. Er wohnte zwischen 1668 und 1673 im Haag,
zu gleicher Zeit wie Spinoza, und hat sich nicht nur als
Maler, sondern auch schriftstellerisch betätigt. Sein
langatmiges Buch über die Malkunst ist mit dem Namen
vieler Gelehrter gechmückt und zeigt seine große Be-
lesenheit. Daß er den Verkehr mit berühmten Männern
seiner Zeit angestrebt hat, ist von ihm ohne weiteres
anzunehmen. Ueberdies hatte er, wie sein Schüler
Arnold van Houbraken berichtet, philosophische Inter-
essen und schrieb auch ein moralistisches Buch über
„den eerlycken Jongelirig“. Daß dieser Hoogstraaten,
dessen Bruder ein Buch über die Rijnsburger Collegian-
ten-Familie Oudaens geschrieben hat, und der selbst wie
Spinozas bester Freund Jarig Jeiles ein eifriger Menno-
nit war, ein lebhaftes religiöses Interesse für die Arbeit
Spinozas gehabt haben muß, ist klar. Aber auch
menschlich gab es wichtige Berührungspunkte.
Professor C. Gebhardt hat dargestellt, wie Spinoza sich
im Interesse seiner geistigen Tätigkeit der Regenten-
partei zuwandte und mit Ratsherren und Magistrats-
personen Umgang pflegte. Ebenso strebte Samuel van
Hoogstraaten den Verkehr mit Staatsmännern an. Es
ist ganz unwahrscheiniich, daß sich die beiden Männer
unter diesen psychologischen und sozialen Voraus-
setzungen nicht gekannt haben sollten.

Was aber am meisten für das sichere Zusammen-
treffen von Spinoza und dem Maler Samuel van Hoog-
straaten spricht, ist die Tatsache, daß Hoogstraaten sich
schon 1661 mit spinozistischen Gcdankengängen be-
schäftigte. Wir haben einen Brief von Hoogstraatens
Vetter Willem van Bleyenbergh, der immer wieder
jedes Detail aus Spinozas Lelire ergründen will und sich
aucli in diesem Schreiben mit Hoogstraaten darüber
unterhält. Spiiter folgte der bekannte Bruch zwischen
Spinoza und Bleyenbergh. Der Gedanke liegt nahe, daß
Bleyenbergh, eine immerhin mit Gottesproblemen rin-
gende Natur, sich nun, wo kein Kontakt mit Spinoza
selbst mehr möglich war, auch gerne seines ihm zuge-
tanenen Vetters Hoogstraaten bedient hat, um Neues
aus Spinozas Gedankenwelt zu erfahren.

Mit der Erwähnung dieses historischen Tatsachen-
materials sei die Authentizität dieses Spinoza-Bildnisses
von Samuel van Hoogstraaten zur Diskussion gesteilt.

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