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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 10./​11.1928/​29

DOI issue:
1./2. Augustheft
DOI article:
Marle, Friedrich: Begutachtung alter Gemälde mit Hilfe von Röntgenbestrahlung
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https://doi.org/10.11588/diglit.25877#0540

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über die Verwendung in der Gemäldebegutachtung
leicht verständlich.

Drei Elemente sind bei Anwendung dieser Methode
in Betracht zu ziehen: Der Stoff, auf dem das Bild ge-
malt ist (Leinwand, Holz), der Anstrich, mit dem dieser
Stoff überzogen ist und die Farben, deren sich der Maler
bedient hat.

Der Stoff ist stets sehr durchscheinend und spielt
meist keine bcsondere Rolle. Als Anstrich verwendeten
die alten Maler eine Mischung von Calciumcarbonat und
Gummi, die relativ transparent ist. Gegenwärtig be-
d'ient man sich dagegen fast ausschließiich des Blei-
weiß (eines Bleisalzes) oder des Zinkweiß. Diese bei-
den Substanzen sind sehr schwer röntgenisierbar und
zwar erstere noch schwieriger als letztere.

Was die von den Malern verwendeten Farben an-
belangt, so verhalten sich die Röntgenstrahlen ihnen
gegenüber in verschiedener Weise. Weiß z. B. setzt
sich fast 'immer auf B!ei- oder Zinkbasis zusammen, hat
daher ein hohes Atomgew'icht und läßt sich schwer
durchleuchten. Dagegen sind die meisten schwarzen
Farben leicht und können gut röntgenisiert werden.
Zwischen diesen beiden Extremen stehen die mehr oder
minder schweren Farben. Es wurden jedoch verschie-
dene, früher auf Basis von Mineralsalzen und infolge-
dessen schwere und undurchsichtigc Farben durch
solche auf vegetabilischer Basis uud somit viel leichtere
Farben oder Anilinprodukte ersetzt. Diese bestanden
größtenteils aus leichten Elementen wie Wasserstoff,
Kohlenstoff, Stick- und Sauerstoff und können daher gut
röntgenisiert werden.

Um ein geeignetes Röntgenbild von einem Gemälde
zu erzielen, muß natüriich der Anstrich sehr trans-
parent sein, denn sonst erhält man nicht die erforder-
lichen Kontraste. Außerdem müssen die Farben eine
möglichst große Verschiedenheit in der Durchieucht-
barkeit aufweisen.

Diese beiden Bedingungen finden sich in den alten
Gemäiden vereinigt. Dagegen sind die meisten moder-
nen Bilder auf einem undurchleuchtbaren Anstrich, je-
doch mit sehr leichten Farben gemalt; sie liefern viel
weniger gute, zuweiien sogar negative Röntgenbilder.
Man ist daher sehr häufig in der Lage, m'it Hilfe der
Röntgenstrahlen zu ermittein, ob ein Bild alt
oder neu ist.

Dies ist aber nicht alles; man kann auch fest-
stellen, welche Schäden ein altes Bild im Laufc der
Ja'hre trotz geschicktester Restaurierungen erlitten hat.
Die bei den letzteren verwendeten Farben sind auf
Grund der obigen Ausführungen von den Urfarben ver-
schieden und werden auf dem Röntgenbild durch Ab-
wesenheit glänzen.

Die Röntgenbestrahlung der Bilder offenbart viele
Ueberraschungcn und dies ist vielleicht das Interessan-
teste an dieser Methode. Das Röntgenbild eines Ge-
mäldes betrachten heißt einen Teil seiner Geschichte
lesen. Man entdeckt sogar ganze Bilder unter späte-
ren vollständigen Uebermalungeii.

Wir haben eine gewöhnliche und eine Röntgen-
photographie eines modernen Gemäldes vor uns liegen.
Es stellt einen Strauß mit verschiedenfarbigen Blumen
dar. Auf dem Röntgenbild sieht man nichts als die
weißen Blumentöpfe, denn weiß ist, wie gesagt, schvver
durchleuchtbar.

Im Louvre befindet sich ein Bild der französischen
Schule, einen betenden Königssohn darstellend, von
dem die Konscrvatoren der Gemäldegalerie annahmen,
daß der ursprüngliche Hintergrund iibermalt bzw. durch
einen einheitlich sclnvarzen Grund ersetzt worden sei.
Diese Vermutung bestätigte sich auf Grund einer Rönt-
genbestrahlung vollständig, denn die Strahlen durch-
drangen das Schwarz leicht und das Röntgenbild zeigte
einen andern helleren Hintergrund.

Ein ähnlicher Versuch wurde aucli mit einem van
Ostade zugesprochenen Bilde vorgenommen. Dieses
stellt ein flämisches Bauernpaar dar. Die Röntgen-
photographie läßt davon mit geringen Ausnahmen nichts
iibrig, dagegen erscheinen auf ihr zwei Pfauen. zwei
Enten und zwei Hühner in deutlicher Weise. Das Tier-
b'ild ist jedenfalls das ältere und die Uebermalung
modern, denn die Farben derselben sind sehr
transparent.

Das Pariser Louvremuseum hat unter der Leitung
des hervorragenden Sachverständigen Cellerier, Direk-
tor des Pariser kunstgewerblichen Museums, ein Ver-
suchslaboratorium eingerichtet, wo die hervorragend-
sten Gemälde der Galerie mittels Röntgenphotographie
begutachtet werden. Außerdem photographiert man die
Bilder von verschiedenen Seiten und unter diversen
Beleuchtungen sowie mit verschiedenem Licht, so z. B.
Ultravioletten Strahlen. Vielleicht kann man von die-
sen Untersuchungen manche Ueberraschung erwarten.
Möglicherweise führen sie auch zur Enthüllung des Ge-
heimnisses, das heute mehr denn je die mysteriöse
Mona Lisa von Leonardo da Vinci umschwebt. Noch
bevor sie aus dem Louvre gestohlen wurde, zweifelten
verschiedene Leute an ihrer Echtheit, als aber das Bild
wieder aufgefunden und in die Louvregalerie zurück-
geschafft wurde, da wuchs die Zahi der Skeptiker, die
eine Unterschi'ebung argwöhnten, iins Unendliche.
Sollte die Wahrheit jetzt ans — ultraviolette Licht
kommen?

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