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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 12./​13.1930/​31

DOI Heft:
1./2. Dezemberheft
DOI Artikel:
Friedländer, Max J.: Marczell von Nemes †
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https://doi.org/10.11588/diglit.26236#0109

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1/2 Dezemberheft

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In seiner Heimatstadt Budapest ist der be-
kannte Kunstsammler Marczell von Nemes einer
Operation erlegen. Die Nachricht von dem Tode
des Kunstfreundes, der in München seine zweite
Heimat gefunden hatte und dort in der Leopold-
straße, sowie in seinem Schloß in Tutzing reiche
Kunstschätze besaß, wurde in der internationalen
Kunstwelt mit Trauer aufgenommen. Nemes stand
ja erst im 64. Lebensjahre. Noch in der Auktion
Figdor in Berlin bei Cassirer-Helbing erwarb er
zahlreiche Qualitäten. Der „Kunstwanderer“
wandte sich nun an den Direktor der Staatlichen
Gemäldegalerie Berlin, Geheimrat Dr. Max J. Fried-
länder, mit der Bitte, über die Persönlichkeit des
Sammlers zu schreiben. Friedländer hatte die
Freundlichkeit, uns folgenden Nachruf auf Nemes
zu senden:

I—I err von Nemes ist gestorben. Ich möchte etwas
iiber ihn sagen, um das Bild von seiner Persön-
iichkeit festzuhalten, und fühle mich dazu verpflichtet,
weil ich ihn lange gekannt und seine Aktivitiit durch
Jahrzehnte beobachtet habe. Oft bin ich bei ihm ein-
gekehrt und habe stets denselben selbstsicheren Mann
angetroffen, der Pläne entwickelte, feurig über Kunst
sprach und sich um nichts in der Welt zu kümmeru
schien als um seiue Häuser, seinen Garten und seine
Bilder. Die Tiefe seiner Begabung, sein unbeirrbares
und spontanes Urteil setzten immer wied'er in Erstau-

neu, zumal da ihm die Hilfen und Stiitzen der Kennt-
nis mangelten. Er ist mißverstanden worden. Nüch-
terne und aufgeklärte Gäste vermuteten hinter seiner
renommistischen Haltung Kuiffe und Schliche, im Ge-
fühle, daß er zu viel Raum beanspruche, während ihn
nichts trieb als Schaffensfreude und eine arglose, naive
Eitelkeit. Gegen seinen Willen und sogar, oline es zu
wissen, ist er Händler gewesen, da er sicli immer wie-
der die Mittel zum Kaufen durch Verkäufe beschaffen
rnußte.

Er war eine produktive Kraft. Nicht nur, daß er
eiues Tages zu maleu begann. Er entdeckte verbor-
gene Werte. Er ließ Bilder reinigen, und nichts freute
ihu mehr und erregte ihn stärker, als wenn Schönheiten,
die sein Scharfbliek geahnt hatte, ans Licht traten.
Frühzeitig begeisterte er sich an Manet, Cezanne und
Greco, also an den Malern unter den Malern. Wenn mit
den Jahren dunkle Schatten iiber seine lebensstarke
Natur zogen, lagen die Ursachen seiner Schwermut in
Sorgen, die er stotz verbarg, und im Gefühle des Unver-
mögens, der Vergeblichkeit und Fruchtlosigkeit seines
Tuns. Am End'e war seine Geschäftlichkeit nur Mittel
zum Zweck des Sammelns, und sein Sammeln nur
Ersatz für schöpferisches Beginnen. Kein Besitz hat
ihm je genügt, und genießendes Beschauen ilm nie ganz
befriedigt.

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