Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 1.1887-1888

DOI Heft:
Heft 11
DOI Artikel:
Rundschau
DOI Artikel:
Vom Tage
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11723#0149

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext


Alle Runst uud Übung, welche der Sklave iu der rich-
tigen teguug der Falteu anzuwenden hatte, kann diese
Unschönheit, diesen widerspruch mit der Natur nicht
aufheben." Zu langer Fortbewegung begann nun
„eine Neduzierung des Stoffes." sZnmitten dieses weges
stehen die ritterlichen bserren und Damen der Uttnne-
zeit. „Die Gewandungist bereits zur Bekleidung
geworden, das heißt, sie liegt nicht mehr um den
Rörper als eine Wasse, bei welcher die Falte das
j?rinzip der Schönheit bildet, sondern der Rörper selber
ist es, welcher in seinen Formen, in seinen Linien den
Schnitt der Rleidung beherrscht." Lsier schmiegt sich
diese an den Oberkörper an, folgt an Armen und
bsüften seiner Bildung, ohne enge zu sein und fällt
erst von den Lsüften in einfachen, natürlichen Falten
herab: „man kann nichts Natürlicheres, Angemesseneres
sehen." Aber die Lnge und Rürze nahmen zu, mau
mußte die Rnöpfe einführen, um das Anziehen zu er-
möglichen, der Rörper war das Rleidung bildende
jdrinzip allein, und dieses s)rinzip steigerte und über-
trieb sich: kaum hundert Iahre nach fener naturge-
mäßen Tracht war im Wanne des vierzehnten Zahr-
hunderts das vollständige Gegenstück zum togabekleideten
Nömer da: „die Fülle der Gewandung einerseits, die
möglichste Beschränkung des Stoffs andererseits —
zwei Txtreme, und Unnatur hier wie dort." Nlit der Un-
erbittlichkeit eines Naturgesetzes müssen sich die Trachten
ändern, wie die Ausdrucksweise des Runstempfindens,
der Sprache, alles Wenschlichen überhaupt. Größere
Tnge war nicht möglich — „so wuchsen alle Txtre-
mitäten in die Länge": die Ärmel über die bsände,
die Lsosen über die Zehen, so daß sie Schnabelschuhe
zum b^alten brauchten, die Rapuze über den Ropf zu
einem Schwanz, der über den Nücken fiel. Dann
verschaffte man den Gliedern Naum: man zerschnitt
die engen Rleider und ließ das Hemd oder bunte dünne
Stoffe hervortreten. So bildete sich die Tracht der
Nenaissance weder dem j)rinzip der Falte, noch dem
der Rörperform genügend, nicht eine plastische, wohl
aber eine malerische Tracht, die ihre Ausartung auf-
zeigte iu den renommistischen jAuderkleidern der Lands-
knechte. Zn der folgenden Zeit der kirchlichen und
politischen Neaktion, da der Ldelmann Lsofmann, der
Bürger Spießbürger, der Landsknecht Soldat ward,
versteifte sich auch das Rostünr der jAuderhose zum
ausgestopften, straffen, puffen- und wulstreichen Rostüme

der Pumphose. was eine gewisse Natürlichkeit zu-
rückbrachte, war wieder ein Rulturelement: der dreißiq-
fährige Rrieg. wir wollen Falkes Betrachtungen nicht
weiter folgen. Nur seiner Rennzeichnung des wesens
der Nkoden gedenken wir noch, die seit der Mitte
unseres Zahunderts herrschen. „Die männliche Ge-
stalt gibt die natürliche Grundlage, das ist richtig,
aber aller ^chwung der Glieder, alle fließenden, sich
biegenden Linien, alle größeren oder geringeren Aus-
ladungen des männlichen Rörpers sind für den Be-
kleidungskünstler nicht vorhanden. Lr stellt von Ropf
bis zu den Füßen ein System zylindrischer Nöhren zu-
sammen, das ist die männliche Rleidung. Line Röhre
ist der Lsut, Nöhren sind die Ärmel, der ganze Nock,
Nöhren sind die Beinkleider, die Stiefel; nur vom Frack
wird ein Stück abgeschnitten. Die Natur selbst wird
vereinfacht, ihre Unebenheiten sind ausgeglichen, die
Farbe fogar negierend auf Schwarz und weiß und
ihre Nlischung in Grau beschränkt." ^olche Zlrmselig-
keit hat sich nun freilich die Frauenkleidung nicht ge-
fallen lassen. „Zm Gegensatz zur farbloseu und form-
losen, uninteressanten, unkünstlerischen Trscheinung des
Nlannes hat sie sich mit glänzenden S>toffen und mit
Farben geschmückt, in Tönen, die man seit Zahrhun-
derten nicht mehr gesehen hatte. Und wie die Rleidung
der Frau farbenfroh geworden, fo hat sie auch seit
dem Fall der Rrinoline einen großen Neichtum vou
Formen entwickelt, die man im Allgemeinen nicht ge-
rade als unnatürlich bezeichnen kann. Nur allerdings
ist ein stätes Schwanken unverkennbar zwischen der
Herrschaft der Falte und der bserrschaft der Rörper-
linien. Lrstere ist oftmals und besonders in den letzten
Zahrzehnten so vorwaltend, daß die Frau drapiert
und nicht gekleidet erscheint. willkürlich angehängte
Draperien umschneiden den Rörper in Falten und Li-
nien, welche seinen Nichtungen ganz widersprechend
sind." „Ob nun diese Tendenz der weiblichen Rlei-
dung in den nächsten Zahrzehnten noch weiter zum
Lxtrem geführt und die weichen Formen des weib-
lichen Rörpers wieder einmal zum Rleiderstoff degra-
diert werden, oder ob der Rörper über den S>toff den
Äeg davontragen wird," das, so schließt Falke, lasse
sich nicht sagen. „Die Lutscheidung hängt von Rul-
tur- und weltereignissen ab, uud wer will sie voraus-
seheu und voraussagen." Nttt der inännlichen Tracht
verhalte sich's entsprechend.

Voin Tage.

Ibsens werke follen nun auch ins Berliner Schau-
spielhaus eingeführt und damit in Deutschland sozusagen
„hoffähig" gemacht werden. Direktor Anno, der als Leiter
des Residenztheaters mit der Linführung Ibsenscher Dramen
voranging, denkt zunächst den „volksfeind" einzustudieren.

» Das „Nagazin f. d. Litteratur des In- und Aus-
landes" wird in Zukunft in Dresden erfcheinen, geleitet von
Wolfgang Airchbach.

-x- Die Nachricht voin 5chluß der deutschen Vper in
New-l)ork wird widerrufen. Ls handelt sich nur um eine
llnterbrechung der Sxielzeit, die Ende Mktober wieder be-
ginnen soll. wie es früher auch im „Runstwart" als wün-
schenswert bezeichnet wurde, wird man neben den Wagnerschen
auch andere, zumal neuere, werke xsiegen.

» Die Norstellungen des Berliner Zchauspielhaus es
werden während der Nonate Mai, Iuni und Sextember im
Wallner-Theater stattfindcn. Die Aosten für den llinbau, für
die Linrichtung der elektrischen Beleuchtung in den Aöniglichen
Theatern u. s. w. sind im xreußischen Staatshaushalt mit
^80,000 Mk. veranschlagt.

» LrstauMbrungen. Greifs „Heinrich der Löwe",
Schausxiel, in Nünchen (25. Fcbr.). — lherolds „Die Lnt-
führung", Lustspiel, in Dessau ifig. Febr.). — bseyses „jdrin-
zessin Sascha", Schauspiel, in lveimar (;6. Febr.). — bseyses
„Die lVeisheit Salomos", Schauspiel, in Berlin (t8. Febr.)

* Über das englische Nusikleben in feiner ganzen
Ausdehnung von dem der Straßen-Nusikanten Londons und
der lverbezüge der lheilsarmee bis zu den Gratorien-Auf-
 
Annotationen