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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 1.1887-1888

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Heft 13
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https://doi.org/10.11588/diglit.11723#0185

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si?-

L)ände übergegangenen IVerke zu diesem Zwecke ent-
liehen. welche Anstrengungen mußten nicht gemacht
werden, um die englische Abteilung der Berliner Iubi-
läumsausstellung nur einigermaßenherzurichten. Ls war
nicht die Schuld der beaustragten Rommissare, wenn
schließlich doch nur etwas Unzulängliches zu Stande kam,
eine zufällige Zusammenstellung von IVerken mehrerer
englischer Rünstler, keine vertretung der englischen Runst.

Ukan kann sich des Gedankens kaum erwehren,
daß der Ausputz der modernen Runstausstellungen
mit älteren Bestandbildern der Gallerien mehr dazu
dient, den Zweck der Ausstellungen als großer Runst-
märkte ein wenig zu verschleiern. IVenn wir aber
selbst zugeben, daß ein ganz verständlichcr Rünstler-
ehrgeiz, verbunden mit der Unmöglichkeit, ihm durch
bsergabe neuester Schöpfungen immer genug zu thun,
zu Grunde liege, so müssen wir doch die Lrage er-
heben, was haben die Museen damit zu schaffen, daß
man ihnen zumuthet, ihre sorglich gepflegten Schätze
herzugeben? Lsalten sie ihre Bilder etwa im ver-
schluß, wie ein j)rivatmann, der das saktische Recht
hat, feden unbequemen Besucher von seiner Schwelle
fern zu halten? Gder erschweren sie den Besuch
durch Lrhebung eines Lintrittsgeldes wie die Aus-
stellungen? Gder verwirren sie den ernsthasten Be-
sucher durch die wahl- und geschmacklose Zusammen-
stellung der heterogensten Dinge, wie das ebenfalls
stehender Brauch der Ausstellungen ist? Gder durch
die verführerischen Rlänge eines in den umgebenden
Anlagen ausgestellten Orchesters, das neben Garten-
restauration und elektrischer Beleuchtung den Runst-
genuß in neueren Zeiten so sehr steigert? Nichts
von alledem, sie nur bieten in bequemster bveise die
! Bedingungen, unter welchen der Genuß einer größeren
Ansammlung von Runstwerken überhaupt möglich ist.
Und dennoch diese Zumutungen!

Da mag es nicht unangemessen sein, einmal aus
die Folgen hinzuweisen, die eine allzugroße kvillsährig-
keit von Seiten der Verwaltung sür die betreffenden
Gallerien hat. Zunächst entstehen empfindliche ^ücken,
um so empsindlicher, als es begreiflicherweise iinmer
die Zugstücke der Gallerien sind, welche sür die Runst
reisen auserwählt werden. Aus die der verwaltung
hierdurch erwachsende Arbeit — die Lücken müssen
durch Veränderung in der Anordnung der zurück-
bleibenden Bilder ausgesüllt werden — will ich nicht
eingehen; man würde mir entgegenhalten, daß eine
Verwaltung eben hierzu da sei. Aber die berechtigten
Ansprüche des s)ublikums lassen sich doch nicht mit
derselben Leichtigkeit bei ^eite schieben. Zch rede be-
sonders von dem sDublikum der j?rovinzialgallerien,
welchem sich nicht so bequem ein anderweitiger Grsatz
bietet, als in der Neichshauptstadt. Diesem publikum
stellt man leichten cherzens das Ansinnen, seine liebsten
Schaustücke aus Monate hinaus zu entbehren oder
sich dieselben in bvien, in Nlünchen oder irgend sonst-
wo zusammenzusuchen, wo sie gerade als tockvögel
dienen, anstatt daß sie ihre Anziehungskrast in ihren
legalen cheimstätten zur Geltung bringen. kvir sind
damit aus dem besten Mege zur Grrichtung von
Mandermuseen. Dieselben mögen einem modernen
Bedürsnis entgegenkommen — was man so Bedürsnis
nennt —, welchem indeß die an zahlreichen Grten
bestehenden permanenten Ausstellungen schon lange

ausreichend dienen. Mollte man aber eine solche >
Zustitution konsequent ausbilden, so wäre einzig der
Staat der berusene Organisator. Dann nmßte ganze
Arbeit geschaffen werden, etwa durch Bildung von
Sammlungen einzig zu diesem Zweck, nicht dadurch,
daß man die ständigen Sainmlungen ihrem Zweck
entsremdet. Dann würden aber anch andere Trans-
portbedingungen geschaffen werden müssen, um einer
solchen Ginrichtung überhaupt einige Dauer zu sichern.
Damit berührte ich abermals einen solgeschweren
Alangel der bisherigen s?raxis. Man sorsche einmal
nach, welche Folgen die häufigen Neisen von einer
Ausstellung zur anderen für die Runstwerke haben.
Liat man doch auch noch niemals erlebt oder gehört,
daß Zemand von seinen Neisen im Äußeren verbessert
zurückgekehrt sei, sondern bei aller Bereicherung des
inneren Alenschen außen mehr oder weniger abgerissen
und zerschunden. Dies sreilich trifft nur das Un-
wesentliche und ist leicht auszubessern; ein Bild aber
besteht nur aus diesem Äußeren, und eine jede
ck-chramme auf seiner Fläche ist eine wesentliche Be-
einträchtigung. Nach meiner Grsahrung ist noch kein
Bild durchaus ungekränkt von seiner Gdxssee heimge-
kommen. war kein ck-chaden am Bild, so gab's min-
destens ain Nahmen auszubessern. Dabei dars unsere
Breslauer Gallerie von besonderem Glück sagen:
ich habe häufig Gelegenheit zu beobachten, in welchem
Zustand andere Bilder von Ausstellungen zurückkehren;
die hiesigen Rünstler wissen davon zu erzählen. chatte
doch vor nicht langer Zeit der Line sein Bild voll-
ständig verregnet in Gmpsang zu nehmen, während
der Andere am Seinigen einen mehrere Zoll langen
Niß zu slicken hatte; ein Dritter (Auswärtiger) war
so glücklich, einem solchen Riß den Ankaus seines Bildes
seitens des betreffenden schuldbewußten Ausstellers ;u
verdanken. Von dem Zustand, in welchem Böcklins
s)ietä durch das allerdings schon ein Zahr währende
Neisen geraten war, konnte sich Zedermann selbst
überzeugen. Dies nur einige Beispiele aus meinem
nächsten Gesichtskreis. Die Gallerievorstände, Runst-
vereine, Runsthändler und nicht ain wenigsten die
Rünstler selbst werden gewiß reiches Nlaterial zur
Vervollständigung der ^iste haben.

Diese ganze Nüsere lag weder in der Absicht der
hochherzigen Stister, noch sind dafür die öffentlichen
Mittel zur Bildung der Sammlungen bestimmt ge-
wesen, noch auch entspricht sie der 2lbsicht, welche der
gewissenhaften Fürsorge sür die in den Nüffeen unter-
gebrachten IVerke zu Grunde liegt. Dennoch glaubt
man in Rünstlerkreisen berechtigt zu sein, eine Ver-
waltung, die solchen Tendenzen gegenüber den Mut
zu einem prinzipiellen Nein sand, der Tngherzigkeit
zu zeihen. Nach diesen Auseinandersetzungen aber
dürfte es nicht zweiselhast sein, daß diese sogenannte
Tngherzigkeit eben die rechte lveise ist, wie den wahren
Znteressen der Runst gedient wird, so besremdlich es
scheinen mag, daß diese Znteressen auch einmal gegen
die Rünstler verteidigt werden müssen. chaben aber
die Rünstler über der Ntttwelt die Nachwelt vergessen,
so wollen doch wir Hüter der Runstschätze dessen ein-
gedenk sein, daß nach uns Geschlechter solgen, denen
unsere sDietät zu gute kommen soll.

Breslau. Z. Zanitsch,

Direktor des Schlesischen Musenms.

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