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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 1.1887-1888

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Heft 14
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Vom Tage
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Sprechsaal
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https://doi.org/10.11588/diglit.11723#0201

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Über die vernachlässigung der neuen und neuesten Litteratnr
durch die Schule hat sich (in der ,,Köln. Z.") nun auch R. v.
Gottschall ausgesprochen, ganz nn Sinne des „paidagogos"
in unserm elsten bseste.

S)

sD

Gestorben: Franz Götze, Gesangslehrer, 79 I. alt
zu Leixzig. — Rarl lVeise, der Drechsler und Volksxoet,
geb. Zu Freienwalde.

LprecbsnNl.

(Mntcr sgcblicber vcrsntwortung der Derren Linscndcr.)

Farbige Bildwerke.

Zn Nr. 3 der „Gartenlaube" des laufenden Iahres
spricht sich Siegmund Leldmaitn über bemalte Statuen
aus. Die dort vorgebrachten Anschauungen und Ur-
teile erscheinen mir so einseitig und haltlos, daß ich
Liniges dagegen sagen möchte. Auf den ironischen
Ton Leldmanns mag ich indeß nicht eingehen. Lr
schilderl zunächst die Auferstehung und den siegreichen
Triumphzug der Farbe in der btunst unserer Zeit und
knüpst daran die Behauptung: „Daß nun innerhalb
desselben Zeitraumes, der das Rolorit zur höchsten
Vollendung emporgeführt hat, die Bemalung der Bild-
werke fast gar keine Fortschritte gemacht hat, daß die
polychrome plastik, die uns heute gezeigt wird, nicht
im mindeften ersreulicher erscheint, als die ähnlichen
Leistungen der verflossenen Zahrzehnte, beweist am
besten, wie hinsällig diese Forderung und wie sremd
sie unserem Geschmacke und unserem künstlerischen Ge-
wissen ist." Dieser Behauptung sehlt scder Schimmer
eines Beweises; ich brauche nur aus die genialen
sarbigen Bildwerke Tilgners in wien und aus die
vorzüglich gelungenen Bildnisbüsten, den Savoyarden-
knaben u. a. werke seines Schülers Runo v. Üchtritz
hinzuweisen, die einen höchst bedeutsamen Fortschritt
aus dem Gebiete sarbiger Bildnerei bedeuten. Oer-
mutlich sind diese Werke ^errn Feldmann unbekannt
geblieben.

Aus das Gebiet der Archäologie mag ich nicht ein-
gehen; denn für die Frage, ob wir unsere Bildwerke
bemalen sollen, ist es gleichgiltig, ob es die Griechen
oder sonst wer vor uns gethan hat. Das ewige bser-
einzerren der Antike in unsere Zeit hindert uns ohne-
hin nur, echte Kinder des t d. Zahrhunderts zu werden.
Zch gehöre sedensalls nicht zu den Leuten, welche sür
die Farbigkeit der Bildwerke einer archäologischen
Schrulle zu Liebe sechten; ich thue dies lediglich, weil
ich ein gut bemaltes Bildwerk sür schön halte.

Das Niißlingen der Ausstellung sarbiger und getönter
Bildwerke, die in derNationalgallerie zu Berlin t 8 8 5 statt-
sand, sührt Feldmann als einen Hauptgrund gegen Be-
malung der Bildwerke ins Feld. Tr übersieht dabei
völlig, daß es sich um Versuche handelte, und daß, wie
er selbst mehrsach spöttisch hervorhebt, Gelehrte
die ganze Sache angeregt hatten. ll)er sollte nicht
lächeln, wenn er bsähnels Nasfael in jener spaßhasten
Bemalung sah? Georg Treus Anregung war bei
den Aünstlern auf sruchtbaren Boden gesallen, aber
ihr Rönnen hielt mit dem wollen nicht Schritt. Ls
wäre ja geradezu wunderbar gewesen, wenn gleich
die ersten versuche so gelungen wären, daß alle welt
dem neuen Lvangelium zugefallen wäre. S>o unbe-
scheidene Hoffnungen kann niemand hegen, der aus
der Geschichte gelernt hat, in wie langer Zeit Runst-
werke höchsten Nanges heranreisen. ^chon Giotto
wußte, wohin er wollte, erst Nafsael erstieg den Gipsel
der Nenaissancekunst. Also aus einen bsteb sällt kein

Baum. Die erwähnte Ausstellung enthielt, wie sich
das von selber verfteht, zumeist mißlungene Werke;
nur wenige, wie der ^avoyardenknabe von Auno v.
Üchtritz und das Gorgonenhaupt von Böcklin, erfreuten
sich der Zustimmung der allermeisten nicht voreinge-
nommenen Besucher der Ausstellung. Sie zeigten, auf
welchem Wege die sarbige Bildnerei zu wandeln habe.
Doch davon später.

Lin weiterer Grund Feldmanns lautet so: Die
Farbigkeit der Bildwerke als versehlt zu erweisen, „ge-
nügte wohl die Thatsache, daß jene Meister, welche
die Nunst auf den höchsten Gipsel emporgeführt haben,
daß Lionardo, Naffael, Michelangelo — von den
Größen zweiten Nanges zu schweigen -- der Tradition
zum Trotz niemals aus den Gedanken kamen, ein
Bildwerk sarbig auszustatten, obschon sie gleichzeitig
Nialer und Bildhauer waren und die Technik sowie
die wirkungsmittel beider Nünste im gleichen Maße
kannten und beherrschten." Dieser Satz enthält zu-
vörderst eine Lrschleichung: anstatt Nunst dars es
lediglich heißen „die Kunst der italienischen Nenaissance."
Uns kann es sodann ganz gleichgiltig sein, was jene
drei Leute thaten. Selbst zugegeben, daß NÜchelan-
gelo eine gewisse Nichtung der sarblosen Bild-
hauerei zu höchster Dollkommenheit gesührt habe, so
kann das keinen Bildhauer der Gegenwart im ge-
ringsten hindern, die Vollkommenheit der sarbigen
Bildnerei sich als Ziel zu setzen. Zener betonte
mit Necht nur die Form, dieser mit gleichem Nechte
Farbe und Lorm; bestehen doch auch Zeichnungen
und Gemälde, üolzschnitt und Farbendruck gleich be-
rechtigt neben einander. Was überdies von Raffael
und Lionardo gesagt wird, muß doch mindestens als
ein höchst sadenscheiniger Grund bezeichnet werden.
Raffael wird das nackte Standbild des Zonas
in S. Nlaria del popolo, wird der tote Nnabe aus
dem Delphin in petersburg zugeschrieben, im ganzen
also zwei Nsterke, und die besten Naffaelkenner geben
nur zu, daß diese beiden werke höchstens aus Nas-
faelische ckckizzen zurückgesührt werden könnten. Lio-
nardo hat zehn Zahre mit dem Lntwurfe zu dem
Neiterstandbilde Francesco Ssorzas zugebracht, das
schließlich nicht ausgeführt wurde. Also Naffael viel-
leicht zwei Skizzen zu Bildwerken, Lionardo ein
unausgesührtes Reiterbild. Daß diese nicht sarbig
waren, ist ein Grund gegen die Farbigkeit der Bild-
werke ü wer Niichelangelos Runst kennt, wird wissen,
warum er seine Bildwerke sarblos ließ. Zndeß, wenn
bserr Feldmann die Antike nicht als Nmster gelten
lassen will, warum will er uns Nttchelangelo als solches
ausreden? Mir wollen wir selbst, nicht Nlichelangelo
sein.

Feldmann geht weiter aus die Frage der sarbig-
harmonischen Ausstattung unserer wohnräume ein,
welche nach Angabe der vorkämpser sür sarbige Bild-
werkc eben die Farbigkeit dieser bedinge. Lr bezeichnet
 
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