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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 10.1896-1897

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Heft 2
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Rundschau
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-O


N u n d

Dicbtung.

* Hcböne Ltterntur.

Fortunat. Eii: Volksschauspiel iu süus Auszügeu nebst
einem Vorspiel uon Julius 6)rosse. (Wien, Verlag des
„Deutschen Dichterheims".)

Der alte Volksbuchstoss von Fortunat und seinem Säckel
birgt ohne Aweifel den Vorwurf zu einem gewaltigen
Drama, was schon daraus hervorgeht, das; er die Phan-
tasie der Dichter der verschiedensten Nationen, so des Eng-
länders Dekker, unseres Hans Sachs, Tiecks, Chamissos,
Naimunds, bereits in Schwingung gesetzt hat. Es ist auch
cin in hohem Grade moderner, dein Zeitalter des Kapi-
lalismus nngemessener Stosf, er enthält sozusngen die ganzc
Komödie und Tragödie des Mammons, und da wundert
cs mich eigentlich, datz nicht einer unserer Märchendramen-
dichter und Symbolisten auf ihn verfallen ist. Aber einer
unserer Alten, Julius Grosse, hat das Prävenire gespielt
und ein bereits in den fünfziger Jahrcn im Anschluß an
das Mürchcndrama Raimunds iin Rohbau vollendetes
Werk neu überarbeitet herausgegeben, das wohl den An-
spruch, die für unser Zeitalter beste Behandlung des Stosses
zu sein, erheben darf. Gegen die früheren bezeichnet es
jedenfalls einen bedeutenden Fortschritt. Grosse hat zu-
nüchst die epischen Elemente des Stosses, die beispiclsweise
Ticck noch bestehen ließ, mit glücklicher Hand entfernt, er
hat ihn vereinfacht und vertieft, indem er Fortunat sür
dcn Glückssäckel seinc Seele verkaufen und gleich in Psand
geben lätzt, und die verhängnisvolle Frucht zu der Frucht
vom Baume Ler Erkenntnis macht, die jedes Menschen
eigenste Natur in äutzerlichen Kennzeichen hervortreten sbei
Raimund nur die Nasen wachsen) läßt, er hat ferner die
Handlung in Deutschland lokalisiert und eigene Erfindungen
und Geftalten von bemerkenswerter Selbständigkeit lunter
denen ich nur die treue Elsbeth erwähne) hinzu gethan.
Grosses Drama entrollt eine Fülle bunter Bilder und ent-
hält lprische, humoristische und auch gedankliche Partieen
uon großem Reiz. Trotzdem aber alle Elemente eines
Volksschauspiels da sind, ist das Werk doch eher Literatur-
drama iullguten Sinne; Goethes „Faust" und Shakesperes
romantische Komödien sind nicht ohne Einflutz daraus ge-
blieben, ja, man kann es geradezu als Grosses „Faust"
bezeichnen, wenn man den Satz, daß jeder Dichter danach
strebt, seine Weltanschauung in einem Werke womöglich
vollständig niederzulegen, für richtig hält. Jedenfalls ver-
dient das Drnina die Aufmerksamkeit der Literaturfreunde.
Eine gute Wirkung von dcr Bühne herab ist wenigstens
uicht ausgeschlossen. Adolf B a r t e l s.

Unter uns Iuu ggesel l eu. Freie Geschichten von
Georg Freiherrn von O mpteda. (Berlin, F. Fontane
L Co.)

Man hat, soviel ich weiß, bisher noch nie davon ge-
sprochen, nber es ist so: Unsere Literatur ist unter dem
Einslusse der jüngsten Bewegungen auch weltmünnischer,
im guten Sinne, geworden. Selbst bei den bestcn Dich-
tern früherer Zeiten hatte man gelegentlich den Eindruck,
datz sie zu viel in Büchern lebten, wenn aber der Durch-
schnitt, mochte er nun dem jungen Deutschland von (830
oder der Feuilletonistenschule von (8?o angehören, einmal

s cb u ll.

geistvoll und lebensgewandt thun wollte, so kam meist
schreckliches Zeug zum Vorschein. Heute haben wir einige
Schriftsteller, die sich auch mit der Feder wie im Salon-
rock zu bewegen verstehen und Fremden wie Maupassant
und Kielland, wenn auch nicht an Talent, so doch wenig-
stens an weltmännischer Sicherheit gleich kommen. Zu
ihnen gehört auch Ompteda, wie jeder, der die vorliegende
Geschichtensammlung liest, ohne Weiteres zugeben wird.
Mag er die aristokratischen Lebemännerkreise, mag er süch-
sische Bauern schildern, immer geschieht das mit jener
leichten und sicheren Manier, die selbst da, wo Bedenkliches
und Bedenklichstes gestaltet ist, noch Behagen beim Leser
aufkommen lützt. Es sind tolle Sachen unter diesen freien
Geschichten; „Voßstraße 87" beispielsweise streicht beinahe
an die Grenzc des Ekelhaften, wie dic „Strandkanone"
an die des Rohen, „Alle neine", die süchsische Dorfgeschichte,
enthült Sittenzustünde, die im Grunde grauenhaft sind,
aber eben die slotte Manier Omptedas und dazu freilich
sein Humor lassen uns alles ertragen, ja verschaffen uns
wirkliche Ergötzung. Wir haben in Ompteda und ver-
wandten Talenten die Leute vor uns, die der Einseitigkeit
des konseguenten Naturalismus am glücklichsten entgegen-
gewirkt und unserer Belletristik (nicht unserer Dichtung)
die „Konkurrenzfähigkeit" mit der modernen und mondänen
des Auslandes nach und nach errungen haben.

Adolf Bartels.

Sein Fch. Roman von Emil Roland. (Berlin,

F. Fontane L Co.)

Die Preziösen sterben auch nicht aus in den Litera-
turen der Kulturvölker, es brauchen ja nicht immer pro-
oiou868 rickionl68 zu sein. Emil Rolavd, eine Dame, deren
Pscudonym, glaube ich, der neueste Kürschner schon enthüllt,
ist zuerst mit zwei Gedichtsammlungen aufgetreten, ganz
anständigen Versen, soviel ich mich entsinne; es besteht
aber gerade für die Dichterin, die sich zur Prosa wendet, die
Gesahr dem Preziösentum zu verfallen, wenigstens zunächst,
was ich hier wohl nicht psychologisch des Näheren zu ent-
wickeln brauche. Wenn Emil Roland von dem „Königtum,
wie es nicht die tzerren der Erde, nur die Herrcn der Berge
(gemeint sind die hohen Berge) repräsentieren," von
„Rlelodien der neucn Musikstern e, Zaubertönen von den
Harfen Smetanas, Leoncavallos", von „Almen, wo kleinc
Sennbuben mit weltunkundigemAugeihr Pflanzen-
dascin leben", von der „Proteus-Erscheinung der Politik,
für die man eine intensive Vorliebe hat", redet, sp ist das
unleidlich preziös. Jch muß jedoch gestehen, daß ich nur
in den ersten Kapiteln des Romans auf solche Stilblüten
geachtet habe, später fesselte mich die Geschichte. Held und
Heldin sind nämlich gut beobachtete und nicht ohne Kunst
dargestellte Dekadenz-Charaktere, auch die Ncbenpersonen
gewinnen größtenteils Leben. Wenn auch die charakte-
ristischen Schwächen des Frauenromans nicht fehlen, wenn
sich einem der Vergleich mit Ossip Schubin im ganzen und
einzelnen oft genug aufdrängt, eine bestimmte Selbständig-
keit, ein eigenes Talent kann man Emil Roland doch nicht
absprechen. Aber das Preziösentum, das ja auch schon im
Titel steckt („Sein Jch" soll nümlich „der Egoist" heitzen),
mutz die Schriftstellerin überwinden, um vorwärts zu
kommen. Adolf Bartels.

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