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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 10.1896-1897

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Heft 15
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Schwindrazheim, Oskar: Der Gedanke einer deutschen Volkskunst, [1]
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11731#0241

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unsere mit dem geraubten Formenmischmasch aller
Stilarteri „geschmücktcrr" Stosfe und Tapeten. Däne-
marks Porzellane mit ihrem reizvollen Dekor, der
frische, kecke Grifse in die Natur ofsenbart, die fran-
zösischen mit dem Reiz prächtiger eigenartiger Glasuren
geschmnckten Faiencen dünken uns neue Ofsenbarungen
auf diesem Gebiete.

Sollte es nur der der nouveautelüsternen
Mode passende Gegensatz. sein, der das deutsche Pu-
blikum anzieht? Sollte nicht ein tieferes Jnteresse
für die Grundgedanken dieser Nouveautss im Spiele
sein? Sollte es unmöglich sein, daß die guten, sie
auszeichnenden Eigenschasten aus unsere Kunsthand-
rverker einen klärenden Eindruck machen könnten?

Was ist das Gute, das uns daran gezeigt wird?
Der hohe Wert der Einfachheit, der Farbe wie der
Form, der ästhetische Reiz der völligen Anpassung an
den Gebrauchszweck, die Ergiebigkeit des Naturstu-
diums für die Ornamentik, die Möglichkeit, selbständig
Neues und — das ist das Wichtigste — Eigen-Zeit-
gemüßes, weil allen Verständliches, in hohem Maße
Volkstümliches daraus zu gestalten — stimmt das
nicht völlig mit den Bedingungen sür ein zu er-
strebendes volkstümliches Kunstgewerbe überein? Und
sollte man nicht sagen können, das Gefallen, das
wir Deutsche an diesen fremden Erzeugnissen gefunden
haben, sei ein Anzeichen, daß ihre guten Grundge-

danken in Deutschland Anhänger fänden? Und rväre
das nicht schon ein Fortschritt in unserem Sinne?

Jn Deutschland haben sich ja viele, viele Männer
schon abgemüht, dasselbe zu predigen, was diesc
Sachen predigen, ohne daß man ihnen Gehör gab
— ich erinnere an die Bestrebungen sür die Gewin-
nung einsach bürgerlichen Hausrats, an die Männer,
welche sich bemüht haben, unser Kunstgewerbe aus
die Schönheiten der Natur hinzuweisen. Vielleicht
ists dieser neuerliche Anstoß von außen, der den
Stein ins Rollen bringt. Japan, von dem man ziem-
lich dasselbe hätte lernen können, hats ja leider
seinerseits nicht vermocht, uns zu belehren.

Jn Bezug auf die Erkenntnis des ästhetischen
Reizes der Einfachheit scheint mir der Dilettantismus
unserer höheren Stünde, wenn er, wie in Hamburg
ernst getrieben rvird, von nicht zu unterschätzender
Bedeutung, da er den sich ein Möbel, ein Gesäß,
eine Stickerei u. s. f. selbst entwerfenden — natürlich
nur den ernst zu nehmenden, nicht nur spielenden
Dilettanten naturnotwendig aus jene Erkenntnis hin-
drängt und sein Auge ästhetisch Notwendiges und
Ueberflüssiges zu unterscheiden lehrt.

Was das Studium der Natur betrifft, so
schreitet die schon seit längeren Jahren bemerkbare
Bewegung stetig fort. (Schluß folgt.)

«Dskar Hcbvvindrazbeiin.


N ll n d scl) a u.

Dicl)tung.

* Hcböne Literatur.

Frauenro mane.

Aus der Gesellschaft. Roman von M. zur M e-
gede. (Berlin, F. Fontane L Co., z Mk.)

M isere. Roman von Hans von Kahlenberg.
(Dresden und Leipzig, Karl Reißner.)

Moderne Iugend. Roman in drei Büchern von
Bianca Bobertag. (Stuttgart, I. G. Cottasche Buch-
hdlg., Nachfolger, 4 Mk.)

Max Mühl«n. Die Geschichte einer Liebe. Roman
von S. Höchstetter. (Berlin, S. Fischer Verlag.)

Durch die lVogen des Lebens. Roman von
K. Michaelis (C. Milanis.) (Leipzig, Robert Frieses
Verlag, Sep.-Conto, 6 Mk.)

Ein noch zu schreibendes intercssantes Kapitel zur
Literatur der Gegenwart ware das über den Einfluß der
literarischen Bewegungen des letzten Jahrzehntes aus den
Frauenroman, auf die Frauenliteratur überhaupt. Jch
bin der Ansicht, daß der Einfluß durchweg günstig gewesen
ist und das Emporkommen manches tüchtigen Talentes
gefördert hat; denn indem er die alten Schablonen, mit
dcnen sich schriststellernde Damen so lange beholsen hatten,
vernichtete und den Horizont der deutschen Frau bedcutend
erweiterte, ihren Blick für das wirkliche Leben öffnete,
war er doch andererseits nicht stark genug, das Weib,

das bekanntlich nach Sittc strebt, wie so viele Münner
über alle Schranken hinwegzuschleudern. Es suchte sich nur
des Berechtigten und Brauchbaren, das die literarischen
Bewegungen mitbrachten, zu bemächtigen, sich aber von
allen Ausschreitungen fernzuhalten, und in der Regel ge-
lang ihm das auch. Das Resultat ist, daß der deutsche
Roman von Frauen mittlerer Begabung heute meist besser
ist, als der von Männern mittlerer Begabung — natür-
lich, der Mann sucht immer noch das Neue und Ver-
blüffende, die Frau hält sich an das Erreichte und Er-
reichbare. Das hat beispielsweise auch M. z u r Megede
in dem zuerst genannten Romane gethan, der, in der Haupt-
sache in Offizierskreisen spielend, die Tragödie eines jungen
Weibes entrollt, mit schlichter Wahrheit, aber darum um
so ergreifender. Man kann M. zur Megede vielleicht eine
Schülerin Theodor Fontanes nennen, die Art der Beob-
achtung erinnert an den Berliner Meister, auch die Färbung
des Ganzen — aber die Selbständigkeit hat sich die Ver-
sasserin dieses Romans auf alle Fälle bewahrt, und ihr
Werk ragt über zahllose ühnliche, auch solche mitstrebender
Männer, die ähnliche Stoffe behandeln, empor.

Die ersten Romane von tzans von Kahlenberg,
„Ein Narr" und „Die Jungen", habe ich an dieser Stelle
angezeigt und die Verfasserin (denn mit einer solchen
haben wir es doch wohl zu thun) einen „kleinen Suder-
mann" benannt. Jn der That erinnert H. v. Kahlenberg
einen immer wieder an den berühmten Faiseur, aber

2.N
 
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