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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 11,2.1898

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Heft 19 (1. Juliheft 1898)
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Lose Blätter
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Vom Tage
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https://doi.org/10.11588/diglit.7956#0230

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jetzt eine Schreibtafel auf den Knicen und malte langsam Buchstabenneben Buch-
staben hin: er aber streichelte von hintert ihr loses, glänzendes Haar. Vorsichtig,
wie man etwas Kostbares berührt.

Sein Schlaf ward unruhig. Er sah Wege in einem sonnigen Land sich
dehnen, viele reinliche Kieswege, die führten alle auf einen hohen Hügel in der
Ferne zu. Am Ende eines jeden dieser Wege kletterten über den Hügel winzige
Menschengestalten; kletterten und kamen doch nicht vorwärts. Und auch er
kletterte den hohen Kiesweg hinan und kam auch nicht vorwärts. Warum klet-
terte er nur? . . . Warum . . .

Da waren die Menschen und die steilen Wege plötzlich weg, und er stand
in einem reichen Parke. Alle Büsche und Bäume trugen frische grüne Knospen,
und durch die junge Welt schritt Lilli erwachsen auf den gewundenen Pfaden.
Sie trug ihr dunkles volles Haar am Hinterkopf in einen Knoten aufgebunden,
auf ihrem schwarzen seidenen Kleide, daS fein um ihre Füße rauschte, schim-
merte die Sonne. Er schlich ihr nach. Alles war, wie es früher gewesen war
— daß es jetzt wieder so warl Er schlich ihr nach, und immerfort, während
sein Auge ihr folgte, wie sie um die Windungen des Weges bald verschwand,
bald erschien, beschäftigte es ihn: „was sie wohl denkt?" Denn das mußte ja
etwas ganz besonders Schönes und Hohes sein, was sie dachte.

Aber da dunkelte es und dunkelte, und ward ganz tiefe, ganz traurige
Nacht. Nur, daß einsam an einer Stelle ein matter Lichtkreis in dieser Nacht
war, dort, wo sie saß. Sie, aber ihr Gesicht war bleich, war magerer und
spitzer geworden, und fremd prägte sich ein leerer, gedankenloser Zug darauf aus.
Was hatte sie vor sich stehen? Eine Spule, davon haspelte sie den Faden
gleichgültig ab, ohne darauf hinzusehen. „Halt!" fiel er ein, „siehst du denn
nicht, daß es dein Lebensgarn ist?" Sie ließ den Faden und legte unterwürfig
die Hände in den Schooß. „Lilli", rief er, „warum hast du dir das gethan?"
Knirschend stieg das Weh in ihm aus. „Ach, das ist ja alles nicht wahr!"
kam es dann über ihn. Und es ward ihm ganz sonderbar, als atme unmit-
telbar neben ihni ein reines, zärtliches junges Wesen. „Nannerl, bist da?" Er
lag in seinem Bett und streichelte auf dem Kissen neben sich ihr schlichtes
sandfarbenes Haar. „Nanderl, du!" Da zerfloß ihr Köpfchen unter seiner Hand,
er war aufgewacht.

Das Fenster aus! Hinaus mit dem Kopf in die Luft! Närrisch, wie die
Traumfäden spinnen! Aber nun heißt's schlafen. Er legt sich behaglich ins
Bett. Dann lacht er noch einmal vor sich hin. „Gute Nacht, Nannerl"
er nickt dabei und schläft mit dem Lächeln auf dem Munde ein.

Vom

Nin ihrc Ausmcrksanrkeit

möcht ich heut unsre Leser für einige
kleine Nöte bitten. Zunächst ersuch'
ich sie alle d arum: unsrer Mitteilung
„Zur freundlichen Beachtung" auf
S. im ir. Hefte eingedenk zu
sein, in welcher unser Verhältnis
zu dem „Vereinc zur Förderung
der Kunst" in Berlin klargelegt ist.
Versteh ich unter „Organ" etwas, was

Tage.

der Jnhaber dieses Organs üeein-
flussen kann, so ist der „Kunst-
wart" durchaus nicht, sondern sind
allein die „Amtlichen Mitteilungen"
Organ des Vereins, da der Verein auf
die Haltung des Kunstwarts nicht den
mindesten Einfluß ausüben kann
oder will. Ebensowcnig habe ich, der
Herausgeber des Kunstwarts, dem
Vereine oder der Redaktion seiner

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