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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 12,2.1899

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Heft 23 (1. Septemberheft 1899)
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S., S.: Justis "Velazquez" als Kompendium praktischer Aesthetik, [5]
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7958#0378

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kommt: die Frage sci, sie im gegebenen Fall zu erkennen. Er suchte die jedem
eigentümlichen Eigenschaften herauszufinden, welche die Natur keinem andern
geschenkt hat. Er veranlaßte sein Modell, sich zu bewegen, weil in der Be-
wegung die Jndividualität hervortrete, und weil ein Stillstehender sich selbst
nie so ähnlich ist, wie ein Wandelnder. Deshalb machte er mehrere Modelle
nach dem Leben; aber wenn er den Marmor angriff, that er sie bei Seite. Sie
dienten ihm, der Züge Herr zu werden; bei der Ausführung dünkten sie ihm
hinderlich, weil das Kunstwcrk der Wahrheit, nicht dem Modell ähnlich sehen darf.

Aus den gegebencn Auszügen wird hoffentlich nicht blotz die Reichhaltig-
keit, sondern auch der eindringcnde Ernst des Buches hervorleuchten. Um dieser
letzteren Eigenschaft willen wird man schon über die Schärfe hinwegsehen müssen,
die sich in manchen der angeführten Urteile auf verletzende Weise äußert.
Der Mangel an Nuhe scheint nun einmal zu den Merkmalen unserer Zeit zu
gehören. S. S.

Lose Mätter.

Aus Aöolf j)ichlers Dichtungen.

Vorbemerkung. Zu Adolf Pichlers Ehrentage geben wir die fol-
genden Stücke, die den Poeten und den Mann von verschiedenen Seiten be-
leuchten. Pichlcrs sämtliche Schriften sind bei Georg Heinrich Meyer in Leipzig
erschienen; wir empfehlen sie allen unsern Lesern warm.

»

Frau Llsa.

Jeremias Tupfer! — Der Sohn eines kleinen Beamten, den man wegen
Kränklichkeit mit 200 fl. Pension kalt gestellt hatte, war er als armes Student-
lein nach Jnnsbruck gekommen; Wohlthäter gaben ihm Kosttago, fiel einer aus,
so erhielt er an einer Klosterpforte ein Stücklein Brot, bei den Kapuzinern war
es allerdings sehr rauh, aber das „G'segn's Gottl" des Pförtners klang so gut
gemeint, datz er es an einem Brunnen hinunterwürgte. . . Das Gymnasium
wurde durchgefrettet. Er kam an die Universität, man vertraute ihm jüngere
Knaben zum Unterricht an, ein Stipendium half nach, so daß seine Zehen nicht
mehr neugierig aus den Schuhen guckten und er schon im ersten Winter cinen
Ueberzieher aus grobem Loden trug! Nach so viel Elend wurde er fast stolz
und trank nur hier und da ein Krüglein Bier mit doppeltem Behagen, weil
ihn jetzt die Kcllnerin mit „Herr" anredete. Als Praktikant bei der Finanz
kämpfte er sich mit Ehren durch; vielleicht weil er als armer Student die
Pfennige klieben gelernt hatte, und so war er endlich noch verhältnismäßig
jung in einem Amt so weit emporgestiegcn, daß ihn vornehmere Kandidaten,
die einst hochmütig auf ihn herabsahen, beneiden rnußten. Steht so ein tzäuter
einmal auf einer gewissen Höhe, interessiert er auch die Frauen, insbesondere
die Mütter, wenn auch die Töchter gewöhnlich das Portepee und die Sternchen
am Halse jedem goldenen Kragen mit Rosetten vorziehen — bis sie in ein ge-
wisses Alter vorrückcn. Jeremias, denn mit diesem unromantischen, aber vor-
deutenden Namen hatte man ihn einem Oheim zuliebe getauft, tappte auch
Auntzwart
 
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