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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,1.1899-1900

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Heft 1 (1. Oktoberheft 1899)
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Batka, Richard: Das riechende Lied
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Avenarius, Ferdinand: Hans Thoma
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https://doi.org/10.11588/diglit.7959#0030

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Thüre. Noch ift Deutschland kein Nervenspittel, und so wollen roir die tieferen
künstlerischen Eindrücke der Zukunst lieber vom Genie der Komponisten als
von dem Brimborium der Konzertregisseure erhoffen. Richard Batka.

Dans HDoma.

Vor einiger Zeit ging ich mit einem Maler, der modern vom
Scheitel bis zur Sohle ist, aber freilich auch so klugen Kopfes, daß er
sich klaren Eindrücken nicht widersetzt, durch eine Kunstausstellung. Wir
sahen verschiedene moderne Darstellungen des Frühlings, sreuten uns
des hohen Grades, der in der Wiedergabe der Wirklichkeit da erreicht
war, der echten Farbe, des slimmernden Lichts in allen. Dann traten
wir vor ein Frühlingsbild von Thoma. Das war nicht, als wenn
man im Mai durchs Fenster sieht, das war kein Ausschnitt aus der
Wirklichkeit, der in Licht und Farbe bis zur Jllusion täuschte. Aber
merkwürdig: wir mußten uns immer wieder beinahe zwingen, darauf,
auf das Verhältnis des Bildes zur Naturwirklichkeit, überhaupt zu achten,
denn immer wieder lenkte uns etwas ab, das wie ein leiser Jubel von
dem Bilde zu uns herüberkam. „Frühlingl", summte es daraus, „Früh-
ling!", und immer wieder: „es ist Frühling!" Wir waren beide ganz
einig darin: die Modernen dort hatten den Frühling porträtiert, aber
Hans Thoma ließ ihn zu uns sprechen. Und da wir ihn aus Thoma-
schen Bildern sprechen hörten, so glaubten wir ihm hier doch noch mehr,
dem Frühlinge, daß er leibhastig da war.

Thoma hat lange im Verborgenen geschaffen, länger, als aut war,
er hätte ganz gewiß unsern deutschen Kunstschatz noch um manches Reine
mehr bereichert, hätte man seine Bedeutung srüher erkannt. Aber noch
vor zwöls Jahren, als der Kunstwart gleich nach seiner Gründung von
Thoma sprach, hieß es: wer ist das, überschätzt ihr ihn nicht? Es war
die Zeit des Naturalismus, dessen durch und durch berechtigter und not-
wendiger Rückschlag gegen das Akademikertum die fortschrittlich Geson-
nenen schier allein beschästigte. Ein „Akademiker" war ja Thoma nicht,
aber als ein Rückständiger erschien er doch. Genaue Wiedergabe der
Wirklichkeit als Selbstzweck war für die Kurzsichtigeren die Losung,
als Erweiterung der Ausdrucksmittel für die Weitersehenden. Aber
d as wollte man nicht ins Auge fassen: daß eine starke Persönlichkeit
auch mit sehr schlichten Kunstmitteln Wertvolleres geben könne, als eine
schwache mit reicheren. Das Bewußtsein der Zeit hatte eben die Natur
hier und die Kunstmittel dort im Auge, die Bedeutung des Jchs gab man
theoretisch zu, achtete aber nicht sehr darauf, die Theorie anzuwenden,
— bis die Böcklin, Klinger und Thoma dazu zwangen.

Thoma war von ihnen der stillste. Seine Stoffe hatten nichts Un-
gewöhnliches, seine Farben erschienen den ersten Blicken nicht individuell,
sondern allgemein-altmodisch, seine Formate waren bescheiden: er regte
nicht aus. Er erschien als ein Nachahmer, besten Falls als ein Nach-
folger oer Richter und Schwind. Jhr Nachfolger ist er ja auch. Daß er
zugleich ihr Erweiterer war, sah man noch nicht. Er ist es vor allem
durch die Jnnigkeit geworden, mit der er in seinen Bildern die verschie-
denen Elemente verband. Man vergleiche einen schützenden Engel bei

llunstivarj

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