Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,1.1899-1900

DOI Heft:
Heft 4 (2. Novemberheft 1899)
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Unser Weihnachtskatalog, [3]: Musik
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7959#0152

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Rlavier. Scheiden wir äußerlich nach den Tonwerkzeugen, damit Jeder
nach Geschmack und Können das ihm Passende beisammen sinde, und beginnen
wir mit dem universellsten aller Jnstrumente, dem Klaviere, so ist aller An-
sang Johann Sebastian Bach. So sehr einen seine Vorläuser, die Scarlatti,
Rameau, Couperin usw. interessieren, wenn man etwa die Hefte der „Klavier-
musik aus alter Zeit" durchspielt; ein seelisches Bedürfnis erfüllen diese
Töne nicht mehr und so recht hineinleben kann man sich doch erst in unsern
riesengroßen Vater Sebastian. „Das »wohltemperierte Klavier« sei dein täg-
lich Brot" schreiben Schumanns musikalische Lebensregeln vor, aber bevor man
dahin kommt, gilts von den köstlichen Bagatellen des Supplementbandes
über die Jnventionen, französischen Suiten, zum italienischen Konzert vorzu-
dringen. Die Tokkaten (besonders dis in L-inoll und lli8-lvo11) und die „Ver-
mischten" Werke bildcn mit der Chromatischen Phantasie den Abschluß. Von
Bearbeitungen empfehle ich vor allem die des v-moll Konzerts sowie — sür
«usgezeichnete Spieler — die klassischen Lisztschen Transskriptionen. Von
Händels Klavierwerken genügt irgend eine Auswahl; als „beliebtes Stück"
käme ein Arrangement des Largo in Betracht.

Die Geschichte der Klaoiermusik strebt über die Sonaten Philipp
Emanuel Bachs, Haydns und Mozarts (darunter namentlich die in
und b-äur, und L-moll sowie die L-inoll-Phantasie) zu ihrem zweiten ragen-
den Gipsel, zu den Sonaten Beethovens, die ohnehin im Notenschranke
keines Musikfreundes sehlen. Die Klaviersonaten Schuberts hingegen sind
in Dilettantenkreisen leider noch viel zu wenig bekannt, weniger jedenfalls als
seine Tänze, Jmpromptus und Momevts Mu8icg.l8. Ein paar Stücke von
Weber (Sonate ^.8-äur, letzter Satz der L-äur Sonate) wird man von Zeit
zu Zeit immer wieder gern spielen wollen. Klavierarrangements machen uns
auch die schönsten Symphonien und Ouvertüren dieser Meister zugänglich und
wecken die Erinnerung an die Eindrücke der orchestralen Aufführungen. Sie
gehören zum künstlerischen Hausbedars.

Nun thut das Land üer Romantik weit seine Thore auf. Von den
„Liedern ohne Worte" Mend elssohns vermögen jetzt nur wenige so zu
sesseln wie damals, da man sie als die Anfänge poetischer Gsnrestücke fürs
Klavier begrüßte. Zu unserm deutschen Empfinden sprechen um so lauter die
phantasiereichen Tongedichte Schumanns zwischen den kinderleichten Miniatur-
Lildchen des Jugendalbums bis zu den sür wohlgeübte Finger geschasfenen
Davidsbündlertänzen liegen die Albumblätter, Kinder- und Waldszensn, die
Arabeska, das Blumenstück, die Phatasie op. 17, die Romanzen, die Nacht- und
Phantasiestücke und der Karneoal. Die möchte man alle besitzen, aber der
Wunsch schweift nichtsdestoweniger auch noch zu einzelnen Werken anderer deutscher
Kleinmeister. Theodor Kirchner und Volkmann, dann Bargiel, Raff;
Jensens Wanderbilder und Kienzls Dichterreise gehören gleichfalls hieher-

Von fremdländischen Erzeugnissen haben Fields Nokturnen heute nicht
mehr die Gunst der Mode. Des genialen Chopin srauenhaft weiche oder
ritterlich glänzende Art macht ihn zum Liebling vor allem des weiblichen Ge-
schlechtes. Aber auch Moscheles (Studien op. 95), StephanHeller, B ennett
und Hiller, im höheren Grade noch Tschaikowski schenkten uns sinnigs
Gebilde edlerer Salonmusik. Mit Glück schlugen die Nordländer Gade, nach
ihm Hartmann und Normann nationale Töne an und Griegs fürDilet-
tanten sehr brauchbare Klavierstücke — darunter die schöne Sonate op. 7 —
haben das nordische Genre vollends populür gemacht.

Ruustwarl
 
Annotationen