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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,1.1899-1900

DOI issue:
Heft 5 (1. Dezemberheft 1899)
DOI article:
Avenarius, Ferdinand: Halbwelt
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https://doi.org/10.11588/diglit.7959#0181

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DIlbwelt.

Verzeihe, freundlicher Leser, wenn nnr dich jetzt, wo die Weih-
nachtsfichten fchon ftadtwärts reisen, zu einem Befuch bei Lindau ein-
laden. Wir werden nicht lange bei ihm bleiben. Doch wir müsfen uns
von diesem geistreichen Manne einführen lasfen in die Kreise derer, die
feiner fchonend fich erfreuen. Haben wir dann ihm und ihnen von
Hcrzen auf Nimmerwiedersehn gefagt, fo wird uns wohl fein. Und
zwar nicht nur ebendeswegen, fondern auch noch aus andern Gründen
— diefes ist das Gute dabei.

Ja, Paul Lindau ift ein geiftreicher Mann. „Geistreich", muß man
verstehn, ist der Gegenfatz zu ernsthaft. Was er über Franzosen und
andere Leute von Ernsthaftem fchrieb, darüber lachten nur die Ernst-
haften, aber was er vom Geistreichen schrieb, darüber lachten Alle.
War es denn nicht zum Totlachen, wenn er irgend eine kleine reimende
alte Jungfer fünf Seiten lang mit seinen blitzenden Waffen berannte
und (ja, er that es!) fchließlich befiegte? Aber er kochte auf feinen
fingenden Flammen nicht nur Sprosfen aus Friedecike Kempners Ge-
fchlecht feinem Ruhm zum Mahle gar, er zog mit dem ganzen Apparat
auch nach Bayreuth. War Richard Wagner für seinen Topf zu groß,
so wechselt' er das Gewaffen und ftach nun wenigftens auf ihm herum.
Man entschuldige den Vergleich; er macht es anschaulich, wie mutig
unser Paul war, und er stellt die Thatsache feft: man fah nach feinem
kritischen Bemühen Flecken an Richard Wagner.

Aber Lindau nahm nicht nur, er gab auch. Mußt' er der deutfchen
Bühne einen Wagner verweigern, fo entschädigte er fie durch fein Teuer-
ftes, er schenkte ihr fich felbst. Er griff in die Leyer und fang von den
Brettern hinab, welche feine Welt bedeuten, von der erhabenen Kunft
des neuen Paris, auf daß fie auch uns emporläutere, wie des besiegten
Hellas Kunst das gröbere Rom. Auch Spanifches übertrug er uns,
und als Echegaray für Galeotos volle Häufer um Honorar bat, bewies
Lindau, daß er das nicht der Perfon, fondern der Sache wegen that.

Nunsiwart Dezemberheft isyq
 
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